•44•

997 69 7
                                    

Valeria's Sicht


Seitdem das Leben ihren Körper verlassen hat scheint nicht nur sie gegangen zu sein. Nicht nur Sophia hat uns verlassen, sondern auch ein Teil des Mannes, welcher doch grade dafür bekannt war, dass er jenes nicht besäße - sein Herz.

In dem Moment, in dem sie in Jason's Armen gestorben ist, ist auch der menschliche Teil in ihm gegangen. Der, der sich gesorgt hat. Der sich um die Menschen, die ihm wichtig sind, kümmert. Um sich selbst. Und geblieben ist ein gebrochener Mann.

Müsste nicht ich es sein, die am meisten um ihre Schwester trauert? Mein Herz blutet und ununterbrochen laufen Tränen meine Wangen entlang, wenn ich daran denke, dass ich niemanden mehr aus meiner Familie habe. Allein bin. Zwar ist die Black Hell auch meine Familie, doch seit ihrem Tod ist auch dieses Gefühl verschwunden. Sophia hat dem Schiff ein Herz, eine Seele gegeben und nun ist diese fort.

Dennoch bin nicht ich es, die am meisten durch ihren Verlust leidet. Nicht ich hänge an ihrem leblosen Körper, als wäre es mein letzter Anker. Und auch ich bin es nicht, die stets dafür sorgt, dass man ihr nicht ansehen kann, dass ihre Seele bereits den Körper verlassen hat. Sondern Jason. Ein Captain, ein Pirat, ein Vampir. Eine Persönlichkeit, die Jahrhunderte hinter sich hat und durch nichts zum Fallen gebracht wurde. Grade ihn scheint es am schlimmsten getroffen zu haben.

Und von Tag zu Tag wird es schlimmer.

Sein Äußeres spiegelt genau das wieder, wie es in seinem Inneren aussieht. Seine blasse Haut, die eingefallenen Wangen, seine ganze Statur. Von dem stolzen und skrupellosen Mann fehlt jegliche Spur.

Seitdem wir das Schiff mit Sophias Körper betreten haben befindet er sich an genau zwei Orten. Tagsüber ist er unentwegt an Deck. Sein Blick stur auf die Wellen oder die Sonne gerichtet und rührt sich nicht vom Fleck. Seine Umwelt bekommt er nicht mehr mit, was ich vor allem daran gemerkt habe, nachdem Smith versucht hat an ihn ranzukommen. Erfolglos. Und wenn er sich fortbwegt ist jeder Schritt zu hören, der durch seine knackenden Knochen begleitet wird.

Jeder von uns hat Angst auch ihren Captain zu verlieren. Er ist die einzige Person, die mir neben meiner Schwester wirklich geblieben ist. Weswegen ich mir umso mehr Sorgen mache. Ich darf nicht auch noch die allerletzte Person verlieren, die mich wenigstens etwas an meine Familie erinnert. Welche insgeheim auch mein Herz erobert hat, nur würde ich dies nie zugeben.

Er isst nicht.

Er nimmt kein Blut zu sich.

Er schläft nicht.

Niemand kommt an ihn ran.

Und ich kann ihm nicht helfen, denn ich kann ihm seinen Schmerz nicht nehmen. Ich kann lediglich weitere Tränen vergießen, die ihm gelten und nicht meiner Schwester.

Deswegen halte ich mich die meiste Zeit in meiner Kajüte auf um ihn nicht sehen zu müssen. Denn auf Dauer würde ich diesen Anblick ebenfalls nicht ertragen. Tagsüber, wenn ich nicht anders kann, schleiche ich mich in seine Kajüte, nur um Sophia wenigstens so nah sein zu können. Zu der Zeit bin ich mir sicher, dass er nicht dort ist.

Er befindet sich nur solange hier, wenn die Sonne untergangen ist und wenn sie langsam wieder aufgeht. In dieden Zeiten versuche ich ihm aus dem Weg zu gehen, aus Angst vor seinen Augen gänzlich zusammen zu brechen.

Leise laufe ich zu seinem Bett und setze mich neben den blassen Körper, welcher sich darauf noch immer befindet. Als würde sie bloß schlafen. Ich presse meine Lippen aufeinander, während ich durch ihr Haar fahre und weitere Tränen in mir hochsteigen.

Bloody SeductionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt