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Vier Stunden und zwei Flaschen Wein leererer mache ich mich auf den Rückweg in die Gaststätte, wo ich mich nach dem bequemen Bett sehne. Ich wollte den beiden die Umstände ersparen mich noch zurück zu bringen, sodass ich mir den Weg genauestens gemerkt habe. Es hat einiges an Überzeugung benötigt, doch letztendlich habe ich Vincenco davon überzeugen können, dass mir nichts passieren wird. Die Sonne ist beinahe gänzlich untergegangen, weswegen es mich nicht verwundert, dass nur noch einzelne Menschen auf den Straßen umherlaufen. Vermutlich sind auch sie auf den Weg zu ihrem Zuhause wie ich zu meinem Gästezimmer. 

Auf halbem Wege kommt mir jedoch ein Gesicht entgegen, welches ich heute bereist sehen durfte und auch mich zu erkennen scheint, zielt er geradewegs auf mich zu. Sobald sein Blick meinen trifft entsteht wieder ein Lächeln auf seinem Mund, der schlagartig meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

„Guten Abend schöne Dame. Darf ich fragen, was Sie noch auf die offene Straßen verschlägt?"
„Ich bin auf dem Rückweg zur Gaststätte.", antworte ich höflich und lächle zurück. Man kann wirklich nicht sagen, dass dieser Mann nicht mein Interesse geweckt habe. Und das, was Anna mir über ihn erzählt hatte, lässt meine Neugierde umso mehr entfachen, gerade weil er in diesem Moment vor mir steht und mich aufmerksam mustert. „Würde es Ihnen was ausmachen wenn ich Sie den Rest begleite? Eine Frau wie sie sollte man um solche Uhrzeit nicht allein lassen." 

Er hält mir seinen Arm hin, in den ich mich schmunzelnd einhake und lasse mich von ihm mitziehen. Sein Duft steigt mir sofort in die Nase und erinnert mich daran, dass ich mich langsam wieder nähren sollte, da es schon einige Zeit her ist, dass ich das letzte Mal Blut zu mir genommen habe. Und wenn ich nicht riskieren möchte einen Fehler zu begehen sollte ich diese Tatsache demnächst ändern. „Mein Name ist übrigens Marco." 

„Sophia."

„Ein sehr schöner Name für eine wunderschöne Frau."

Bei anderen Männern würden diese Worte als alltägliche Floskel klingen, doch in seinen Worten ist so viel Ehrlichkeit zu hören, dass sich mein Schmunzeln in ein ehrliches Lächeln verwandelt. Angeblich haben schon viele Frauen versucht Marco's Aufmerksamkeit zu erlangen, doch scheint er sie jedes Mal abgewiesen zu haben. An sich soll er eher ein vernünftiger Mann sein, der nicht jeder Frau unter den Rockzipfel blicken will, sondern genau weiß, was er will. Eine Eigenschaft, die mich einerseits an Jason erinnert. Wenn ich Marco jedoch ansehe habe ich das Gefühl für einen Moment den Schmerz vergessen zu können, den er hinterlassen hat. Und vielleicht ist es genau das, was diesen Mann so anziehend auf mich wirken lässt.

Auf meinem Weg erzählt er mir ein wenig über seine Tätigkeit als Tischler. Er hat sich seine Stube selbst aufgebaut und kann sich mittlerweile kaum von Angeboten retten, daher scheinen auch noch mehr Frauen zu versuchen sich ihm anzubieten. Ein wohlhabender Mann ist genau das, wonach sich die Frauen sehnen, weshalb er bisher keinen Sinn darin gesehen hat sich einer von ihnen zu widmen.

„Was wenn ich genau so eine Frau bin?", hake ich nach und grinse schelmisch. Wir bleiben vor der Tür der Gaststätte stehen, wo die Kundschaft noch zu hören ist. Sein Körper wendet sich mir zu, wobei seine ganze Statur meine zierliche völlig überschattet. Dies ist ein weiterer Unterschied zu ihm und Jason. Beide Männer geben mir das Gefühl von Sicherheit, doch Marco's Erscheinungsbild ist dem eines Bären zu vergleichen. Der alles, was seiner Beute zu nahe kommen könnte, schlagartig in die Flucht jagt, während es bei Jason zwar auch sein Erscheinungsbild tat, doch eher seine Taten.

„Mein Gefühl sagt mir, dass Sie nicht wie die anderen Frauen sind. Und ich würde gerne mehr über Sie erfahren, Sophia."

„Einverstanden." Die Worte kommen schneller über meine Lippen als ich dachte und ein Strahlen erscheint auf seinem Gesicht. „Ich werde Sie morgen abholen. Sagen wir gegen Mittag?"
Als ich auf seine Frage nicke gibt er mir einen keuschen Kuss auf meinen Handrücken, ehe er sich von mir abwendet. Es ist die erste Nacht, in der ich von einem anderen Mann träume.

Bloody SeductionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt