•67•

722 68 0
                                    

1772


Manchmal wirkt Zeit endlos. An einem Tag erscheint sie, als würde sie sich ewig lang ziehen wollen, an anderen wiederum vergehen sie wie ein Wimpernschlag. Vincenco ist erst seit ein paar Jahren nun ebenfalls ein Vampir und nur noch ihr Sohn ist einer der wenigen Menschen, die hier im Untergrund leben. Aber auch er will sich irgendwann wandeln lassen. In Anbetracht der Tatsache, dass er seinem 27. Geburtstag näher kommt, rückt der Zeitpunkt immer näher. Und doch gibt es ein Problem, welches ihn hin und wieder zweifeln lässt.

Im Gegensatz zu Anna merkt man ihrem Mann Vincenco an, dass er darunter leidet nicht tagsüber raus ins Sonnenlicht zu gehen, da er sonst verbrennen würde. Es kam bereits vor, dass er es vergessen hat und mit Brandblasen und Wunden zurückkam. Anna macht sich Sorgen um ihn und ich kann sie verstehen. Zu sehen wie zwei Vampire die Möglichkeit haben auch im Tageslicht raus zu gehen und man selber nicht, ich will es mit ehrlich gesagt nicht vorstellen.

Tag für Tag mitzuerleben, wie die Personen, die einem einer Familie nahe kommen, immer mehr unter den Umständen zu leiden scheinen. Und man innerlich mit sich ringt den einen Schritt zu tun - den einzigen meines Wissens - welcher ihnen dieses Leben ermöglichen kann.

Daher sitze ich nun an meinem Schreibtisch in meiner Wohnung und versuche diesen Brief zu schreiben. An denjenigen, den ich erfolglos versucht habe aus meinem Kopf, aus meinem Herzen zu verbannen, der sich aber offensichtlich immer in mein Leben schleichen wird. Ob ich es will oder nicht.

Da Valeria unser altes Haus, um es gelinde auszudrücken, fast komplett verwüstet hat, war Marcel so nett und hat dafür gesorgt, dass ich eine Wohnung bei ihnen erhalte. In der Zeit, wo ich weg gewesen bin, wurden einige neue Häuser errichtet, daher war es seiner Aussage nach kein Problem und ich habe mich darüber auch nicht beklagt. Auch wenn Valerias und meine Beziehung von Tag zu Tag besser wird, kann ich nicht behaupten, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem ich ohne jeglichen Schmerz behaupten kann, dass ich ihr alles vergeben habe.

Ich sitze bestimmt schon seit einer Stunde hier und schaffe es nicht ein einziges Wort auf Papier zu bringen. Meine Hände, in welcher bis eben noch mein Schreibinstrument gelegen hat, vergraben sich in meinem Haar, denn noch nie ist es mir so schwer gefallen die richtigen Worte zu finden.

Wie soll ich auch jemanden darum bitten, meinen Freunden und meinem Patenkind die Möglichkeit zu geben im Sonnenlicht leben zu können, wenn dieser mich vor vielen Jahren zurückgelassen hat?
Wegen dem ich jahrelang gelitten habe und selbst heute noch einen gewissen Schmerz empfinde, wenn ich nur an ihn denke?

Seufzend lehne mich in meinem Stuhl zurück.

Denk nicht an dich und ihn, sondern an deine beste Freundin und ihre Familie, denen du ein besseres Leben ermöglichen willst.

Meine Finger machen sich selbstständig, einsatzbereit, und fangen an einfach zu schreiben.


Du magst dich vielleicht fragen, wie es kommt, dass ausgerechnet ich dir schreibe. Ich weiss nicht einmal, ob du mir antworten oder dich dieses Pergament erreichen wird, und doch hoffe ich inständig, dass es das tut. Ich schreibe dir wegen eines Anliegen, welches mir sehr am Herzen liegt und ich weiss, dass du der Einzige bist, an den ich mich wenden kann, warst du es, der mir dieses ewige Leben geschenkt hat.
Ich bin viel gereist und eines meiner Ziele war Italien. Bei meinem Aufenthalt in Rom habe ich meine Freundin Anna mit ihrem Mann Vincenco kennengelernt. Sie haben einen Sohn, Matteo, mein Patenkind. Auch wenn er mittlerweile kein Kind mehr ist. Bei seiner Geburt ist Anna beinahe ums Leben gekommen - ich habe sie gewandelt, da ich nicht zulassen konnte, dass ein Sohn und ein Ehemann die Mutter und Ehefrau verlieren ... und ich konnte nicht meine beste Freundin verlieren, die mich in einer sehr schweren Zeit gestützt hat.
Mittlerweile ist auch ihr Mann zu einem von uns geworden, doch im Gegensatz zu ihr erträgt er es nicht das Leben im Sonnenlicht aufzugeben. Du wirst wohl merken, worum ich dich nun bitten will, und ich hoffe von ganzem Herzen, dass du mir diesen einen Wunsch erfüllen kannst, wofür ich dir ewig dankbar sein werde. Auch wenn du es mir nicht schuldig bist.

Bloody SeductionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt