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Seit dem Winterball sind zehn Tage vergangen. Tage, in denen ich mich so leer wie noch nie gefühlt habe. Dachte ich, dass ich bereit wüsste, wie sich der Verlust von diesem Mann anfühlt, wurde ich eines besseren belehrt. Alles, was ich geglaubt habe zu wissen, wurde mir eines Besseren bewiesen.

Lediglich Stefano, welcher in dieser Zeit kaum von meiner Seite gewichen ist, hat die Tage etwas lebenswerter gestaltet. Er hat nicht zugelassen, dass ich in meiner Trauer versinke, hat mich nach draußen gelockt, versucht mich zum Lachen zu bringen. Und allein wegen seiner Mühe und weil ich ihm nicht das Gefühl geben wollte, dass all das nichts bringt, habe ich eine Maske aufgesetzt. Habe genau so reagiert, wie es die Situation erforderte und er mit sich zufrieden schien. Nur dass all das nicht im geringsten etwas genützt hat und ich abends, allein in meinem Zimmer, alles hinaus gelassen habe.

Ich habe weder etwas gegessen noch getrunken. Nichts wollte ich in mir behalten, sodass ich es einfach aufgegeben habe, aber mit den Konsequenzen leben muss. Wie mein Körper schwächer wird, meine Sinne nicht mehr so scharf sind wie sie einmal waren. Selbst meine Suche nach einer Möglichkeit von Tortuga zu kommen habe ich aufgegeben, da ich mir bewusst bin, dass es keinen Weg für mich geben wird, solange er sich auf dieser Insel befindet.

Erneut hat Jason es geschafft mich zu brechen, dieses Mal jedoch schlimmer als davor. Denn jetzt habe ich niemanden an meiner Seite, der mich stützen kann. Der mich davor bewahrt in dem Strudel zu ertrinken, welcher mit jedem verstreichenden Tag mehr an mir zieht.

Heute ist es so schlimm, dass ich nicht einmal Stefano in meine Nähe lasse. Ich liege einfach in dem Bett, starre an die Decke über mir und frage mich, wie viel ich noch ertragen kann. Dass ich mich mit diesen Gedanken nur noch mehr verletze interessiert mich nicht einmal, denn seitdem ich ihm wieder begegnet bin habe ich das Gefühl, dass es doch genau das ist, was sie alle wollen. Warum sie mir allein die Schuld geben.

Das Klopfen, welches irgendwann an meiner Tür ertönt, versuche ich zu ignorieren. Ich möchte Stefano heute nicht sehen, ich kann es nicht. Ich brauche einen Tag um mich zu erholen, an dem ich keine Fassade aufsetzen muss. Doch das Klopfen wird immer energischer, lässt mir keine Ruhe. Letztendlich stehe ich doch auf, höre dabei das Knirschen meiner Knochen, was ich einfach hinnehme. Meine Augen treffen auf ein Paar bekannte, die ich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen habe. "Sophia. Kleine, du siehst schrecklich aus."

Ein ehrliches Lächeln legt sich auf meine Lippen, was ich schon ewig nicht mehr getan habe. "Ich freue mich auch dich zu sehen Joe." Ich gehe einen Schritt zur Seite, sodass er eintreten kann, und schließe die Tür hinter mir. "Wie geht es dir?"

"Mir geht es gut, aber wie es dir geht muss ich wohl nicht fragen, denn das sehe ich." Er läuft durch das kleine Zimmer und sieht sich um.
"Giulio hat erzählt, dass du hier bist, was auch Jasons komisches Verhalten erklärt."
Er wendet sich mir zu und grinst. "Er ist mal wieder ziemlich gereizt. Ich wusste erst nicht was los ist, bis Giulio geplaudert hat."

Verstehend nicke ich, lasse mich dann auf meinem Bett nieder und mustere ihn. "Was tust du hier Joe?", frage ich direkt ohne Umschweife.

"Ich wollte nach dir sehen und wie mir scheint ist es auch gut so, denn sonst würdest du dich hier zu Tode hungern."
Er lässt sich auf das Sofa fallen, nachdem ich wieder auf meinen Beinen stehe und durch das Zimmer laufe. "Aber es gibt noch einen weiteren Grund."

Ich bleibe stehen und mustere ihn neugierig, was er zu merken scheint.
"Hör zu Sophia. Jason lässt die Hell vorbereiten. Wir setzen morgen Früh Kurs. Entweder du kommst, oder du bleibst hier. Das ist deine Entscheidung.
Du weißt wo du uns findest und wo du ihn findest." Er steht auf und bleibt vor mir stehen, mit ernstem Blick. "Es ist egal wie du dich entscheidest. Für die Crew wirst du immer Familie sein."

Bloody SeductionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt