Epilogue

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Jimin POV

Ein Monat war vergangen, seit wir Busan verlassen hatten, um nach Kobe zurückzukehren. 30 Tage, um es genau zu nehmen. 30 Tage, in denen viel passiert war und gleichzeitig hatte sich vieles auch nicht verändert.

Hoseok war in gewisser Weise noch ganz der Alte - selbstkritisch, Dinge-zerdenkend und introvertiert. Dennoch war er nicht mehr der Gleiche, wie noch vor 48 Tagen. Doch das Gleiche konnte man sicherlich auch von mir behaupten. 48 Tage war es nun her. Vor 48 Tagen hatte sich eine mündliche Prüfung, in der ich Dinge erleben sollte, die ihre Spuren auf mir hinterlassen würden, ereignet. Grausame Dinge, Dinge, durch die ich lernen sollte, was es bedeutete, Angst zu haben, sich danach zu sehnen, die Zeit zurückzudrehen, das Geschehene ungeschehen zu machen oder einfach in eine andere Dimension zu driften, in der die Probleme unserer Welt nicht mehr existierten. Nie zuvor hatte ich ein so rundum negatives Gefühl empfunden, hilflos, geradezu machtlos. Es war so gewesen, als würde jemand anderes mein Schicksal leiten und als hätte ich keinen Einfluss mehr auf den Lauf der Dinge. Doch zum Glück stimmte das nicht, nein, tatsächlich war genau das Gegenteil der Fall, denn ich hatte sehr wohl einen Einfluss auf die Geschehnisse gehabt und dieser Einfluss startete bereits, als ich das Büro des Professors verlassen hatte, um vor ihm zu fliehen.

Wenn man die Situation auf diese Art und Weise betrachtete, so fiel einem auf, dass egal was man tat, egal was für eine Entscheidung man traf - bewusst sowie unbewusst - das eigene Handeln den weiteren Verlauf der Dinge - nennen wir es die Zukunft - beeinflusst. Wie bei einem Dominospiel lösen gewisse Aktionen bestimmte Reaktionen aus und überträgt man das wieder auf die Dinge, die sich in den vergangenen Wochen ereignet hatten, so war die Tatsache, dass Hoseok in mein Leben getreten war, eine einfache Konsequenz meines Handels.

Ich kniff die Augen zusammen, die tiefstehende Wintersonne blendete mich und die Reflexion ihres Lichtes auf dem See, der still, quasi unbewegt vor mir lag, zwang meinen Körper zu dieser Reaktion. Der Gedanke kam mir seltsam vor, es erschien mir zu simpel, zu sachlich, irgendwie sogar steril. Ich glaubte nicht mehr daran, dass das Schicksal die wirkende Kraft dieser Welt darstellte, der jeder Mensch sich zu beugen hatte, doch so richtig damit anfreunden, dass unser Leben eine simple, sachliche Ursache-Wirkungs-Beziehung darstellte - "Aktion = Reaktion" - wenn man Newtons Axiom zitieren mochte, konnte ich mich auch nicht. Wo kamen da die Gefühle ins Spiel, die nicht nur mir, sondern auch den Menschen meines näheren Umfeldes, die vergangenen Wochen das Leben schwer gemacht hatten? Oder folgten diese auch nur einem einfachen "Ursache-Wirkungs-Prinzip"?

Ich verwarf den Gedanken, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen war müßig und nach "müßig" war mir gerade nicht. Stattdessen wollte ich meine Gedanken wieder dahin zurückkehren lassen, inwiefern Hoseok sich verändert hatte und auch inwiefern die Geschehnisse mich verändert hatten. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn im nächsten Augenblick begann mein Handy zu vibrieren, womit es mir vermittelte, dass jemand mich anrief.

***

Wonpil hatte mich angerufen. Immer und immer wieder hatte ich unser Treffen für die gemeinsame Projektarbeit, die bereits seit zwei Monaten geplant war, nach hinten geschoben und nun da die Abgabefrist uns quasi schon schelmisch grinsend zuwank, war ein Treffen, an dem wir uns endlich einer von uns gewählten Naturstoffsynthese widmen sollten, nicht mehr weiter hinauszuzögern.

Mein Komillitone hatte vorgeschlagen, sich gleich morgen in der Unibibliothek zu treffen, um sich auf einen Stoff zu einigen, dessen Synthese wir genauer betrachten würden. Ich war mit der Terminwahl einverstanden gewesen und so war der Inhalt meines morgigen Tages bereits fix. Ich seufzte. Naturstoffsynthese fand ich zwar spannend, doch Zuhause faul rumzuliegen war dennoch so viel verlockender. Doch so verlockend es auch war, so unmöglich war es zugleich. Vor uns stand ein Haufen Arbeit und je früher wir mit ihr beginnen würden, desto schneller konnte man sich wieder den schönen Dingen des Lebens widmen. Zudem war die Zeit bis zum Abgabetermin schon ziemlich knapp, womit die nötige Motivation an dem Projekt zu arbeiten sich morgen wohl wie von selbst einstellen dürfte.

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