Hoseok POV
Ich konnte immernoch nicht glauben, dass er doch tatsächlich vorgeschlagen hatte, einen Alleingang zu wagen und sich dem Prof hilflos auszuliefern. Selbst wenn ich es glauben konnte, wollte ich es noch nicht akzeptieren. Es machte mich wütend und traurig zugleich, dass er ernsthaft diesen Gedanken bekommen hatte, sich mit dem Prof zu treffen. Reichte es denn nicht, was bisher passiert war? War es nicht schlimm genug, wieviel dieser Dreckssack bereits anrichten konnte? Allein der Gedanke daran, dass Jimin eine Verletzung davon getragen hatte, die auch wenn sie bereits leicht verblasste noch immer deutlich sichtbar war, machte mich rasend. Sollte ich nicht eigentlich schon soweit sein, dieses Gefühl abzulegen? Schließlich lag diese Situation schon mehr als eine Woche zurück und an dem was geschehen war, konnte man jetzt nichts mehr ändern, es lag eben in der Vergangenheit. Doch mit dem Gedanken, dass Jimin nochmal etwas ähnliches zustoßen könnte, wurde diese Vorstellung, die sich aus Jimins Erzählungen zu einem geradezu lebendigen Film zusammen gebaut hatte, nur wieder deutlich, als würde ich ein zuvor verschwommenes Bild wieder scharf sehen können. Was mich allerdings noch mehr beschäftigte war die Tatsache, dass Jimin überhaupt über soetwas nachgedacht hatte. Natürlich musste sein Schuldgefühl immens sein, uns mit in so eine Situation zu ziehen und nun, da die Sorge um Taehyung wirklich mehr als berechtigt geworden war, musste sich dieses Gefühl wohl schmerzhaft bemerkbar machen. Es war wirklich nicht so, dass ich es nicht verstehen konnte, es war nur so, dass ich es nicht akzeptieren wollte und auch wenn ich seine Gründe für einen solchen Vorschlag durchaus nachempfinden konnte, verletzte es mich, dass er meinte dieses Problem ganz alleine lösen zu müssen.
Ich drehte den Wasserhahn auf und ließ das kalte Wasser in meine Handflächen laufen, sodass es durch meine Finger hindurch rann. Ich benetzte mein Gesicht mit dem Leitungswasser und musterte mein Spiegelbild. Ich sollte meine innere Ruhe wiederfinden und einfach mit ihm darüber reden, ihm offen sagen, dass es mir nicht gefiel, auf was für Ideen er so kam. Ich trocknete mein Gesicht und meine Hände ab und verließ das Bad. Ich steuerte bereits das Wohnzimmer an, doch weit kam ich nicht, denn auf halber Höhe wurde ich auch schon von Jimin abgefangen. Er stand im Flur gegen den Türrahmen zum Wohnzimmer gelehnt und musterte mich mit einem forschenden Blick. Wahrscheinlich war ich länger im Bad geblieben, als es sonst der Fall war. Sachte griff er nach meinem Handgelenk, hielt mich fest und somit vom Weitergehen ab. Ich drehte mich zu ihm und versuchte meine Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. Doch so, wie er mich anschaute, schlich sich automatisch ein sanftes Lächeln auf meine Lippen, obwohl mir nicht wirklich danach war, zu lächeln. Ich musterte ihn und versuchte aus seinem Gesicht zu lesen, was ihm gerade durch den Kopf ging, doch als er seine Hand, die nicht mein Handgelenk umfasste, sachte an meine Wange führte, wusste ich schon gar nicht mehr, was überhaupt mein Plan gewesen war, wenn es denn jemals einen gegeben hatte. Er strich mir sanft über die Wange und blickte mir unverwandt in die Augen, machte mich aufgrund der Intensität seines Blickes noch ein stückweit nervöser und sorgte damit schließlich dafür, dass ich mir leicht auf die Unterlippe biss. Die Nähe zu ihm war angenehm, doch sie war unverändert neu und irgendwie noch immer ungewohnt. Die Schmetterlinge in meinem Bauch spürte ich so, wie bei unserem ersten Kuss, wenn nicht sogar noch stärker. Spontan fragte ich mich, ob dieses Kribbeln auf meiner Haut, welches er mit seinen sanften Berührungen und dem intensiven Blick seiner dunkelbraunen Augen verursachte, jemals aufhören würde.
"Ist alles okay bei dir? Du siehst ein wenig blass aus", brachte er dann leise hervor und strich mir eine dunkle Strähne aus der Stirn. Ich versuchte dem Drang zu widerstehen, einen Schritt zurück zu treten und mich stattdessen eingesperrt zwischen ihm und der Wand wieder zu fangen. Es war nicht die richtige Zeit, um schwach für ihn zu werden. Bewusst versuchte ich mich nicht von ihm einlullen zu lassen und trat dann doch automatisch einen Schritt zurück. Wenn ich ihm so nah war, konnte ich unmöglich einen vernünftigen Gedanken fassen. Ich hatte den Blick derweil gesenkt und als ich wieder aufschaute, konnte ich Sorge in seinen Augen erkennen. Unsicher spielte ich am Saum meines T-Shirts herum, bevor ich mich schließlich wieder etwas sammelte. Warum war ich jetzt die Person, die unsicher war? "Wollen wir uns setzen?", fragte ich mit etwas festerer Stimme. Jimin nickte, machte jedoch keine Anstalten ins Wohnzimmer zu gehen. Stattdessen lehnte er sich gegen die Wand und ließ sich langsam an ihr hinabgleiten, bis er schließlich gegen die Tapete gelehnt auf dem Boden zum Sitzen kam. Grinsend warf er mir einen erwartungsvollen Blick zu. Ich wusste, dass meine Wangen rot geworden waren, doch ich ignorierte es und tat es ihm gleich, in dem ich mich zögerlich neben in setzte. Ich verhakte meine Finger im Schoß und betrachtete stumm meine Hände, bis Jimin schließlich seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte und sich regelrecht an mich schmiegte. Er seufzte, doch es war kein Seufzen was davon zeugte, dass er genervt war, sondern zeigte, dass er die Nähe genoss. "Na sag es schon. Hyung, ich weiß, dass du sauer auf mich bist", murmelte er dann in einer Stimme, die dafür sorgte, dass sich die feinen Haare auf meinen Unterarmen aufstellten. Sie war so weich wie Honig und durch ihren Klang wurden meine Gedanken ebenso zähfließend.
Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu. So hatte ich mir das Gespräch sicherlich nicht vorgestellt, doch durch seine Nähe war meine Wut irgendwie verebbt. Sie hatte sich in ein Gefühl umgewandelt, was ich nicht so recht definieren konnte. Ich fühlte mich nutzlos. Es machte mich traurig, dass er versuchte seine Probleme alleine zu lösen und zudem verspürte ich auch eine seichte Enttäuschung, doch wütend konnte ich ihm nicht mehr sein. Allerdings machte das die Situation kein Stück angenehmer, viel mehr verstärkte es in mir das Bedürfnis, alles anzuzweifeln, was man anzweifeln konnte. In meinem Kopf begannen schon wieder die typischen Gedanken zu kreisen. Konnte er mir nicht vertrauen? Wollte er vielleicht gar nicht meine Hilfe? Wollte er...Ich zog scharf die Luft ein, als ich den sanften Druck von Jimins Zähnen an meinem Ohrläppchen spürte. Er wusste meinen Herzschlag zu beschleunigen und jeden Gedankengang meinerseits abrupt zu beenden. "Du hast meine Frage ignoriert und stattdessen weiter gegrübelt. Das ist nicht fair." Jimin zog einen perfekten Schmollmund und und sah mich aus großen Augen an, die denen eines Welpen nicht so unähnlich waren. Doch im gleichen Moment legte er seine Hand um meine Taille und begann gleichmäßig über den Stoff meines Pullovers zu streichen, was mich im Vergleich zu dem sanften Biss zuvor beruhigte.
"Du bist auch nicht fair", nuschelte ich und presste meine Lippen aufeinander. "Bitte hör auf, deine Probleme alleine lösen zu wollen. Es gibt mir das Gefühl, nutzlos zu sein", entkam es mir dann und kaum hatten die Worte meinen Mund verlassen, war ich auch schon entsetzt darüber, wie harsch sie sich in meinen Ohren anhörten. Ich verkrampfte mich und fragte mich, ob ich zu weit gegangen war. Hatte ich das Recht, soetwas zu sagen? Zwar war ich sein Freund, doch gab mir dies das Recht von ihm zu fordern, seine Probleme mit mir zu teilen?
Jimin hob seinen Kopf wieder von meiner Schulter und musterte mich überrascht und zugleich schuldbewusst. "Du bist nicht nutzlos, Hoseok", antwortete er mit seiner sonoren Stimme und rückte noch ein Stück zu mir, sodass unsere Oberschenkel sich berührten. "Es ist nur so, dass ich dich nicht noch weiter in diese Sache mit rein ziehen möchte, als ich es ohnehin schon tue. Du bist schon viel zu sehr gefährdet, Sakurais nächstes Opfer zu werden", setzte Jimin schließlich fort. Sein betrübter Ausdruck befand sich im Einklang mit seiner Stimme, die nicht nur unzufrieden, sondern ebenso besorgt klang. "Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt. Statt dich in Gefahr zu bringen, würde ich dich lieber beschützen." Ich erwiderte seinen Blick und schluckte laut hörbar. Ich versuchte die dunklen Gedanken, die sich seit ein paar Stunden in meinem Kopf ausbreiten wollten zu vertreiben, indem ich mich voll und ganz auf Jimin konzentrierte. Irgendwo tief in meinem Inneren wusste ich, wie sinnlos meine Sorgen waren. Ich wollte darauf vertrauen, dass er keine leichtsinnigen Aktionen starten würde. Ich wollte ihm vertrauen.
Wie von selbst bewegte sich meine Hand an seiner Taille herab, um schließlich am Saum seines Pullovers zu verweilen. Jimin zog seine Augenbrauen hoch und warf mir einen fragenden Blick zu, doch ich legte meinen Kopf einfach auf seiner Schulter ab und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Halsbeuge. "Und ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt. Gib mir bitte zumindest die Chance, dir zu helfen. Lass uns versuchen, zusammen eine Lösung zu finden, die weder dich noch mich in Gefahr bringt. Über das Durchsuchen der Archive weitere Opfer ausfindig zu machen ist doch schonmal ein guter Anfang", nuschelte ich gegen seine weiche Haut und spürte, wie ich allmählich schläfrig wurde. Zwar saßen wir auf dem harten Holzboden, der alles andere als gemütlich war, doch das Wissen, dass die Sache mit Sakurai noch lange nicht erledigt war, zerrte an meinen Nerven und hinterließ ein mattes Gefühl in mir.
Jimin schlang seine Arme um mich und sorgte damit dafür, dass sich ein behagliches Gefühl in meiner Brust ausbreitete. Seine Atmung war gleichmäßig, geradezu beruhigend geworden und viel hätte nicht gefehlt, bis ich eng an Jimin gekuschelt auf dem Boden eingeschlafen wäre. "Und was ist, wenn Yoongi uns nicht helfen wird? Wenn es keine weiteren Opfer gibt oder Yoongi einfach nicht den richtigen Schlüssel hat, um uns Zugang zu den Archiven zu gewähren? Was machen wir dann?" Jimins Einwand machte mich wieder etwas wacher. Diese Fragen hatte ich mir auch schon gestellt und leider war ich bisher zu keiner zufriedenstellenden Antwort gekommen. Doch ich war mir sicher, dass es eine Lösung geben würde, die weitaus vernünftiger war, als Jimins selbstloser Plan.
"Ich weiß es nicht", antwortete ich wahrheitsgemäß, "aber gemeinsam werden wir eine Lösung finden, da bin ich mir sicher." Jimin gab ein zustimmendes Summen von sich und setzte sich schließlich auf. "Du hast Recht. Ich werde nicht mehr versuchen, meine Probleme alleine zu lösen und du brauchst dir keine Sorgen mehr um mich machen. Klingt das nach einem Plan?" Automatisch breitete sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus, was er prompt erwiderte. Ich setzte mich auf und strich mir die etwas zu langen Haare aus der Stirn. Jimin legte seine Arme um meine Hüfte und verwickelte mich in eine feste Umarmung, als würde er damit unsere Abmachung besiegeln. Ich genoss die Wärme, die von ihm ausging und atmete seinen vertrauten Geruch ein. Ich war froh, dass wir das geklärt hatten und ein Blick in Jimins Augen verriet mir, dass es ihm genauso ging.
"Danke Hyung. Ich hab dich lieb", flüsterte er in mein Ohr, bevor er unsere Lippen zu einem sanften Kuss verband.
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FanficPark Jimin, ein scheinbar normaler Student mit überdurchschnittlich guten Leistungen. Obwohl sein Leben von Erfolgserlebnissen erfüllt sein sollte, fehlt dem jungen Studenten ein Ziel im Leben und die Motivation etwas zu erreichen. Als er sich einem...