54 - Memories and opportunities

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Hoseok POV

Wir saßen am Gate und warteten die Zeit ab, bis das Boarding beginnen würde. Die Stimmung war gedrückt, seit wir den Sicherheitsbereich betreten hatten, hatte sich eine unangenehme Stille zwischen uns ausgebreitet, die niemand wusste elegant zu durchbrechen. So kam es, dass jeder von uns seinen eigenen Gedanken nach hing, statt ein Gespräch anzufangen.

Der Plan, diese Reise anzutreten war kurzfristig entstanden und genauso kurzfristig hatten wir begonnen, diesen Plan, unseren neuen Plan, um das Problem mit Sakurai zu lösen, in die Tat umzusetzen. Tatsächlich würden wir gleich drei Tage nachdem wir den Plan gemacht hatten, nach Busan zu Jimins Familie zu reisen, in den Flieger steigen, um die Reise anzutreten. Was brachte es auch, das Ganze künstlich in die Länge zu ziehen? Es machte die Situation höchstens schlimmer, als besser. Je länger wir damit warteten, irgendetwas gegen Sakurai zu unternehmen, desto mehr Zeit würde er haben, sich auf seinen nächsten Schritt vorzubereiten oder ihn sogar schon in die Tat umzusetzen.

Wir wollten daher nicht länger mit der Reise warten, als es nötig war, dementsprechend glücklich waren wir darüber, für einen so zeitnahen Termin Flugtickets bekommen zu haben. Für eine Unterkunft hatte Taehyung gesorgt. Er hatte seine Eltern kontaktiert und ihnen eröffnet, dass er Pläne hatte, für ein paar Tage nachhause zu kommen. Er hatte außerdem gesagt, dass er Freunde mitbringen würde und damit war die Sache bereits geklärt. Ich war wirklich schon gespannt darauf, Taehyungs Eltern kennenzulernen. Dass es ihnen nichts ausmachte, so kurzfristig nicht nur ihren eigenen Sohn, sondern auch noch drei Freunde von ihm zu beherbergen, von denen sie zwei überhaupt nicht kannten, weckte in mir zumindest schonmal den Eindruck, dass sie lockerer als meine Eltern waren, wobei das vielleicht nicht unbedingt der beste Vergleich war, denn die meisten Eltern mochten lockerer sein, als meine.

Der Gedanke wieder nach Südkorea  zu kommen, welches ich mit nichts als  negativen Gefühlen verlassen hatte, war seltsam. Ich verband bisher nur schlechtes mit diesem Land, welches ich doch eigentlich mit schönen Dingen assoziieren sollte, immerhin handelte es sich um meine Heimat. Doch ich hatte das Land verlassen, um meine Vergangenheit hinter mir zu lassen, in der Hoffnung, woanders möglicherweise so etwas wie einen Neuanfang beginnen zu können. Rückblickend betrachtet, war mein Plan sogar aufgegangen, nie und nimmer hätte ich erwartet, dass meine Zeit in Japan so viele Veränderungen mit sich bringen würde. Ich hatte Freunde gefunden, das Studium begonnen, was immer wie ein unerreichbarer Traum gewirkt hatte und sogar jemanden kennengelernt, für den alleine sich dieser Neuanfang schon gelohnt hätte.

Eigentlich waren es die besten Voraussetzungen, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um zu sehen, dass am Ende doch alles so geworden ist, wie man es sich mal gewünscht hat, egal, wie schwer der Weg dorthin auch gewesen ist. Unter anderen Umständen hätte eine Reise in die Heimat dafür sorgen können, neue, schöne Erinnerungen zu sammeln, um die alten zu verdrängen und den Ort zu einem Ort zu machen, an dem man sich wieder wohlfühlen könnte. Es hätte soetwas sein können, wie ein Kurzurlaub mit den besten Freunden, doch die Realität war anders, denn diese Reise war wohl weit davon entfernt, für das Sammeln schöner Erinnerungen zu sorgen. Keiner von uns wusste, was uns in Busan erwarten würde. Nur die Hälfte von uns kannte die Personen, die wir besuchen würden und da Jimin bereits angedeutet hatte, dass das Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern nicht gerade das beste war, wollte das mulmige Gefühl nicht so recht aus meiner Magengegend verschwinden.

Wie würde das Treffen ablaufen? Würde Jimin alleine mit seinen Eltern reden oder würden wir dabei sein? Gesetzt den Fall, dass wir bei einem Gespräch mit den Eltern dabei wären, würden sie dann noch andere Dinge mit Jimin besprechen wollen? Immerhin hatten sie ihren Sohn auch schon längere Zeit nicht gesehen. Was wäre, wenn dann plötzlich unsere Beziehung zum Thema werden würde? Ich kam mir albern vor, überhaupt darüber nachzudenken, schließlich reisten wir aus einem weitaus ernsteren Grund dorthin. Höchstwahrscheinlich würde Jimin alleine mit seinen Eltern reden wollen und dann würde ein Gespräch dieser Art gar nicht erst zustande kommen. Doch die Angst, so irrational sie auch  sein mochte, war trotzdem da. Ich wusste nicht, wie Jimins Eltern Homosexualität gegenüber eingestellt waren, doch so, wie ich sie mir nach meinem derzeitigen Wissen vorstellte, würden sie nicht gerade erfreut darüber sein, wenn Jimin ihnen offenbarte, dass es sich bei seinem derzeitigen Partner um einen Mann handelte. Es war nur zu hoffen, dass sie keine so schlechte Meinung davon hatten, wie meine Eltern.

Ich seufzte, es war wirklich bescheuert darüber überhaupt nachzudenken, es führte zu nichts und vorallem hatten wir derzeit wirklich andere Probleme. Zum Beispiel wussten wir nicht, ob unser Handeln überhaupt etwas bezwecken würde. Hatten Jimins Eltern wirklich so viel Einfluss, so viel Macht, dass sie Sakurai einfach so hinter Gitter bringen könnten und das ganz ohne jegliche Beweise zu haben, die für sein Vergehen sprechen würden?

"Möchte noch wer einen Kaffee?", vernahm ich dann Yoongis Stimme, die mich zurück in die Realität brachte. "Nein, aber ein Kakao wäre super", antwortete Taehyung augenblicklich. Jimin schüttelte auf die Frage nur den Kopf und ich tat es ihm gleich. Koffein konnte ich nun gar nicht gebrauchen, ich war auch so aufgekratzt genug. Yoongi zuckte darauf nur mit den Schultern und erhob sich, um die viel zu teuren Getränke zu kaufen. Ich warf unterdessen einen Blick in Taehyungs Richtung. Er war schon seit längerer Zeit mit seinem Handy beschäftigt und tippte auf dem Display rum, wie ein Berserker. Wenn er nicht gerade zockte, dann führte er wohl ein ziemlich angeregtes Gespräch. Er sah jedoch recht entspannt aus, zumindest so entspannt, wie er unter den gegebenen Umständen sein konnte. Vielleicht war er besser darin, die Dinge nicht so nah an sich heran zu lassen, als Jimin, oder ich, doch das würde dann wieder nicht dazu passen, wie aufgelöst er war, als er Sakurais Brief gefunden hatte oder als wir ihm das erste Mal von diesem Chaos erzählt hatten, bevor wir zur Polizei gegangen waren. Entweder war etwas in seinem Leben geschehen, was ihn trotz der herrschenden Umstände noch positiv stimmen konnte, oder er war der Typ Mensch, der ein wenig Zeit brauchte, schlechte Nachrichten zu verdauen, dann aber nach einer Weile irgendwie damit klar kam.

Yoongi kam mit den Getränken wieder und schüttelte dabei ungläubig den Kopf. "Wahrscheinlich werde ich gleich den teuersten Kaffee trinken, den ich mir jemals gekauft habe und noch kaufen werden", nörgelte er und verdrehte dabei die Augen. Wahrscheinlich würde er damit Recht behalten, dachte ich mir.

Kurze Zeit später zeigte die Informationstafel an, dass das Boarding für unseren Flug in wenigen Minuten beginnen würde. Ich kontrollierte nochmal, ob ich all meine Wertsachen beisammen hatte, auch wenn es jetzt sowieso schon zu spät wäre, irgendwas zu holen, was ich vergessen hatte, und zog mir schonmal meine Jacke an, erfahrungsgemäß war mir im Flugzeug immer kalt.

Ich schaute in Jimins Richtung und sah, dass er nach wie vor diesen Gesichtsausdruck trug, der mir das Gefühl vermittelte, dass er nur körperlich anwesend war, während sein Geist in einer unbekannten Parallelwelt umherwanderte. Mein Arm bewegte sich wie von selbst, um ihn in eine seitliche Umarmung zu ziehen. Er zuckte sogar leicht zusammen, was mir erneut bestätigte, wie sehr er neben der Spur war, doch es verleitete mich nur dazu, mich noch enger an ihn zu kuscheln. Die Leute um uns herum waren sowieso alle mit sich selbst beschäftigt, sodass sie von dem Körperkontakt zwischen uns eher weniger mitbekommen würden. Außerdem schirmte unser Handgepäck potentielle Blicke noch ein stückweit ab, was mich schließlich mutig genug machte, Jimin einen sanften Kuss auf die Wange zu drücken. Mein Plan ging tatsächlich auf, denn kaum hatte ich meine Lippen wieder von seiner Wange gelöst, kuschelte sich Jimin an meine Schulter, als würde er ein Nickerchen machen wollen. "Danke Hyung", murmelte er und zauberte mir damit ein kleines Lächeln auf die Lippen. Das war doch schonmal ein Fortschritt.

Wenige Minuten vergingen, bis das Boarding schließlich losging. Mir kam es so vor, als würde es viel länger dauern, als gewöhnlich, doch wahrscheinlich war das nur mein persönliches Empfinden, beeinflusst von meiner unruhigen Stimmung.

Im Flugzeug angekommen verstauten wir schnell unser Handgepäck und machten es uns auf den Sitzen so bequem, wie es eben möglich war. Zwar sollte der Flug nur knapp anderthalb Stunden dauern, doch ich beschloss dennoch die Zeit zu nutzen, um ein wenig die Augen zu schließen und zu dösen, oder es zumindest zu versuchen. Wer wusste schon, was uns erwarten würde, wenn wir erstmal in Busan angekommen waren.
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Hey ihr Lieben!

Die Anzahl der restlichen Kapitel dieser Geschichte ist überschaubar und wäre in einem Rahmen, dass eine Lesenacht prinzipiell möglich wäre. Allerdings habe ich die Entscheidung getroffen, keine Lesenacht zu machen. Es ist für mich entspannter, immer dann ein Kapitel hochzuladen, wenn es fertig ist, statt mich irgendwie damit zu stressen, dass ich bis zu einem bestimmten Tag alle restlichen Kapitel fertig geschrieben haben muss, um eine erneute lange Pause zu vermeiden.

Ich hoffe, ihr könnt das Lesen der restlichen Kapitel trotzdem genießen. 😊✌

See ya

- Cat

Would You RatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt