59 - Coming home

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Jimin POV

Zögerlich betätigte ich die Klingel, welche Millisekunden später eine sich wiederholende Melodie verlauten ließ, die gedämpft aus dem Haus drang. Ich rieb meine Hände aneinander und vergrub meine Nase in meinem Schal, den ich mir, auch wenn ich nur nach nebenan gegangen war, mehrfach um den Hals gewickelt hatte, um die beißende Kälte zu vertreiben, die es versuchte durch gefühlt jede Faser meiner Kleidung zu kriechen. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, doch das änderte leider nichts an dem mulmigen Gefühl, welches sich bereits in meiner Magengegend ausgebreitet hatte. Wie viel lieber ich jetzt gemeinsam mit den anderen an der Playstation spielen würde, als vor dem Haus meiner Eltern darauf zu warten, dass sich jemand dazu bequemte, mir die Tür zu öffnen.

Erneut rieb ich meine Hände aneinander und warf einen Blick in Richtung der Fenster des Hauses, die ich von hier aus in Augenschein nehmen konnte. Im Erdgeschoss brannte Licht und die Rolladen waren auch nicht herabgelassen. Zudem stand im Gegensatz zu gestern der Wagen meiner Mutter vor der Garage, woraus ich folgerte, dass diesmal wirklich jemand zuhause war. Scheinbar hatte man jedoch seinen Spaß daran, mich hier draussen in der Kälte stehen zu lassen.

Genervt seufzte ich und drückte erneut die Klingel, ließ sie allerdings für einige Sekunden nicht mehr los, sodass das Gedudel, was aus dem Haus zu hören war, gar nicht mehr aufhören wollte. Wenn jetzt immernoch niemand die Tür öffnen würde, dann ging ich eben wieder. Fast hoffte ich schon, man würde mich weiterhin in der Kälte stehen lassen, damit ich wieder nach nebenan gehen könnte, doch gerade als ich mich mit einem Schulterzucken abwandte, öffnete sich die Tür und brachte meine Mutter zum Vorschein.

Ihre Lippen waren wie immer tiefrot geschminkt und obwohl sie eigentlich ziemlich volle Lippen hatte, war ihr Mund kaum mehr als ein schmaler, roter Strich. Sie trug ihren üblichen, arroganten Blick und der strenge Dutt, aus dem sich auch in den nächsten Stunden keine einzige Strähne lösen würde, fügte sich nur allzu gut ins Bild.

"Hallo Mutter", sagte ich mit bemüht neutraler Stimme und ignorierte den kalten Schauer, der sich seinen Weg meine Wirbelsäule hinab bahnte.

"Hallo Jimin" erwiderte sie kühl und trat einen Schritt zur Seite, um mich herein zu lassen. Ich trat in den Flur und zog meinen Mantel aus, um ihn an der Garderobe aufzuhängen. Meine Schuhe ließ ich allerdings an, denn das war seit jeher in diesem Haus so üblich gewesen.

Ich folgte meiner Mutter in den Wohnbereich, der durch ein Stück der klassischen Musik beschallt wurde. Da ich aber nie Interesse an dieser Musikrichtung gezeigt hatte, konnte ich es keinem Komponisten zuordnen.

"Setz dich", sagte meine Mutter dann, wobei es sich eher wie eine Aufforderung anhörte, als eine Einladung dazu, Platz zu nehmen. Ich ließ mich daraufhin kommentarlos auf einem der Stühle nieder, welcher am großen Esstisch stand und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, da meine Mutter sich, kaum hatte ich mich hingesetzt, in den Nebenraum begeben hatte.

Hier hatte sich rein gar nichts verändert, seit ich ausgezogen war. Die gleichen teuren Designermöbel dasselbe hässliche Tischgedeck und natürlich die gleiche steife Atmosphäre wie damals. Ich hatte es gerade geschafft, meinen Rundumblick durch das Zimmer zu beenden, als meine Mutter wiederkam, wohlgemerkt mit einer Zigarette in der Hand, die sie sich wohl nebenan geholt haben musste. Ich hasste den Qualm von Zigaretten, er gab mir das Gefühl, ersticken zu müssen und dass meine Mutter auch wenn ich dann einmal in tausend Jahren zu Besuch kam in der Wohnung rauchen musste, ging mir gehörig auf den Zeiger, doch ich sagte nichts dazu und schürzte lediglich meine Lippen voller Missbilligung.

"Jisoo, bring uns doch eine Kanne Tee", rief meine Mutter dann, nachdem sie einen tiefen Zug ihrer Zigarette genommen hatte.

Verwirrt drehte ich mich um und sah, dass hinter mir eine zierliche Dame im mittleren Alter stand, dessen Kleidung ihre Tätigkeit offenbarte. Meine Eltern hatten also jetzt tatsächlich eine Hausdame. Besagte Person verbeugte sich höflich und wandte sich dann ab, um in die Küche zu gehen. Ich verfolgte die Szene mit einer gewissen Irritation, suchte dann allerdings erneut den Blick meiner Mutter, der eingefroren zu sein schien und nach wie vor auf mir ruhte, während sie zwischendurch eine Ladung Nikotin und Teer in ihre Lunge beförderte.

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