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Wunderschönen guten Tag, meine Lieben. Ich versuche mir mehr Zeit für Wattpad zu nehmen, klappt gerade aber nicht so. Wie auch immer, hier ist ein neues Kapitel.
Lots of Love 💗

× × ×

Vielleicht ist es manchmal einfach das Leben, das einen durcheinander bringt und alles teilweise ein wenig schwerer macht als es sein müsste.
Vielleicht ist es in meinem Fall auch der Nachbar, der mich ständig beobachtet, mich mit seinen Augen verfolgt und durcheinander bringt. Vielleicht sind es aber auch alle Faktoren auf einmal.

"Ich hab mit Gabriele telefoniert. Sie behält Austin bei sich für die ganze Woche. Nächste Woche ist sie bereit, ihn hier hin zu bringen, wo er dann auch bleiben wird. Sie will, dass er erst einmal runter kommt und sich beruhigen kann."

Meine Großmutter trinkt aus ihrer Tasse Kaffee. Sie schaut mich nach ihrem Schluck nicht an, sondern spielt mit ihren Fingern an den Enden der Tischdecke herum. Ihre Lippen sind gespitzt. So als würde sie auf etwas warten.

"Für wie lange hast du dich krank gemeldet?"

"Nur für heute"

Sie nickt, so als gäbe es da etwas genau zu verstehen. Aber das gibt es nicht. Es gibt nichts genau zu verstehen. Es gibt keine Formel für Verständnis oder irgendwas anderes. Sie nickt, als hätte ich ihr eine Matheaufgabe erklärt.

"Wieso hast du es mir verheimlicht?"

"Das mit Dad?"

Sie sieht hoch. Ihre Augen treffen auf meine. Ich kann ihrem Blick aber nicht standhalten, sehe schneller weg als mir lieb ist. Ich kann ihren müden Augen nicht begegnen, wenn ich doch weiß, dass ich sie angelogen habe. Ich weiß ganz genau, dass ich ihr Unrecht getan habe. Dann nickt sie wieder.

"Ich hab mich geschämt.", gestehe ich leise. Meine Stimme hört sich gebrochen an, was ich hasse. Ich will mich nicht wie ein zerbrechliches Wesen fühlen. "Ich hab mich geschämt für seine Sucht. Ich hab mich geschämt für alles. Dass er die Tage und Nächte nicht mehr wirklich mitbekommen hat. Dass ich für alles aufkommen musste, weil er das Einkommen versäuft. Dass ich für Austin wie eine Mutter war. Ich hab mich für alles erdenkliche geschämt und wollte es alleine wieder hinbekommen."

"Hilfe anzunehmen ist in Ordnung, das weißt du..."

"Ja, das weiß ich. Ich wollte aber keine Hilfe." Meine Augen suchen sich einen Punkt, an dem sie kleben können. In diesem Fall die Gardinen, die so leicht und weiß hinter meiner Oma umherschweben. "Ich wollte stark sein."

"Stärke hat manchmal nichts mit dem Annehmen von Hilfe zu tun, Amani. Du kannst stark sein und trotzdem Hilfe brauchen."

"Tut mir leid"

"Ist schon gut"

Ihre Hand berührt meine. Sie streichelt über meine Finger, berührt meinen Handrücken wie etwas heiliges. Sie ist eine Künstlerin, wenn es um Heilung geht. Sie repariert meine Wunden, indem sie einfach nur da ist. Dankbarer könnte ich ihr nicht sein. Sie ist ein Engel auf Erden.

"Austin kommt nächste Woche wieder. Kein Grund mehr für ein gebrochenes Herz."

"Wie konntest du sie überzeugen?"

Ein Lachen huscht über Oma's Lippen. Ihre Augen sehen mich mit einem Blick an, den ich ganz und gar nicht deuten kann. Er ist zynisch und gleichzeitig lieblich.

"Ich habe ihr gesagt, dass sie ihr blaues Wunder erleben kann, wenn sie mir meinen Enkelsohn nicht schleunigst vorbei bringt."

Ich lächle sie an. Das ist sie, das ist meine Großmutter. Sie macht so was. Sie legt sich mit Leuten an, wenn es sein muss, und dafür liebe ich sie. Ich liebe sie für so viele Dinge. Sie hat nicht nur meine Mutter großgezogen, sondern auch mich auf irgendeine Weise. Sie ist nicht mehr die jüngste, doch hat die Seele eines Sternes. Sie ist pur, ehrlich und selbstlos.
Ich könnte mir keine bessere Person in meinem Leben wünschen.

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