••Epilog••

223 29 21
                                    

Ich sehe in seine Augen.
Es sind diese Augen, die mich aus dem Dunkeln gezogen und ins Licht befördert haben.
Diese blauen Augen, die mich anziehen und in eine Welt versetzen, in der ich schweben kann.
Das Schwarz seiner Kleidung steht ihm schamlos gut, die Krawatte sitzt perfekt und seine Hände in meinen, das ist, was in mir die Flammen entfacht.

Er sieht auf mich runter, auf mein weißes Kleid. Auf die Rüschen und die Spitze, auf den Schleier. Seine Augen treffen wieder meine. Um uns herum schallender Applaus, frohe Musik, das Geräusch von Fotoapparaten mit Blitzlichtern. Seine Lippen berühren meine, sanft und warm. So vertraut.
So unverschämt vertraut, dass bei den Gedanken an die Zukunft eine Welle von Euphorie in mir alles überschwemmt.

Meine Augen sehen auf die Ringe an unseren Fingern. Strahlendes Silber, das wir ausgesucht haben. Eingravierte Initialen, zusammen mit dem heutigen Datum.
Es ist genau dieser Moment, den ich niemals im Leben vergessen will. Es ist das Hier und Jetzt, das mich unsterblich macht. Er macht mich unsterblich.

Unter den Gästen entdecke ich die vertrauten Gesichter unserer Freunde und Bekannten, unsere Familien. Ich sehe Ardy und Chloé applaudieren und jubeln, mit breitem Lächeln im Gesicht und Tränen auf den Wangen. Ich sehe meinen Vater weinen, klatschen, meinen Bruder festhalten, der sich mit seinen satten 12 Jahren aus der Umarmung zu winden versucht. Seine dichten Locken hängen ihm in einem Pony auf der Stirn, den er sich nebenbei immer wieder wegzuschieben versucht. Sein Anzug ist zu groß für seinen schmächtigen Körper.
Ich sehe Marley neben meinem Vater sitzen, auch er klatscht heiter und jubelt wie verrückt. Von Vivien hat er sich vor einigen Jahren getrennt. Sie hat die Liebe woanders suchen wollen. Meine Mom...sie sieht von oben zu, das weiß ich genau. Sie lächelt bestimmt und schüttelt glücklich den Kopf. Ich sehe aus wie sie an dem Hochzeitstag meiner Eltern. Ich sehe ihr so verdammt ähnlich. Der einzige Unterschied ist die Kugel, die ich vor mir her trage.

Und dann ist da noch Thaddeus' Familie. Seine Eltern, zu denen er wieder innigen Kontakt hat. Sie sitzen in der ersten Reihe, genau wie Sophia. Sie klatscht und lächelt breit, eingehakt bei ihrem Vater. Das Ebenbild ihrer Mutter.

Der heutige Tag ist mehr als nur besonders.
Der heutige Tag ist nur für uns.

/ / / \ \ \

Wir feiern in einer Gaststätte. Alles ist weiß eingerichtet, die Gäste haben gute Laune und das Abendessen ist bereits vorüber. Mein Vater tanzt mit Thaddeus' Mutter auf dem Parkett, macht eine wirklich gute Figur, und ich stehe mit meinem Glas Orangensaft neben dem Büffet-Tisch.
Ich habe soeben gegessen, könnte aber trotzdem noch ein Mal dieselbe große Portion verdrücken.
Hormone.

"Wo hast du deine schlechtere Hälfte gelassen?"

Ich sehe zu Ardy, der seine Krücke neben sich am Tisch anlehnt und in die Richtung des Parketts sieht, auf dem mein Dad gerade einen stolzen Disco-Fox ablegt. T's Mom scheint ein wenig überfordert zu sein, was irgendwie amüsant ist. Dad ist seit seiner Erholung neu aufgeblüht. Er nennt Austin immer nur noch Sportsfreund, spielt regelmäßig Tennis, wohnt in unserer Nachbarschaft neben einer alten Dame namens Susie, die ihn toll findet, und er will alle ständig von seinem neuen Yoga-Programm überzeugen, das eigentlich auf Senioren ausgerichtet ist.

"Er ist-..." Ich sehe mich nach meinem frisch gebackenen Ehemann um, entdecke jedoch nur seine Schwester, die gerade mit Marley zusammen das Parkett zum Tanzen betritt. "Verschwunden, würde ich sagen."

"Nen Drink gefällig?" Ardy hält mir ein Glas Sekt entgegen. Ich sehe ihn mit erhobenen Augenbrauen hat. "War nur Spaß", zwinkert er dann. "Ihr zwei geht zum Lachen in den Keller, ich versteh schon."

"Wir zwei?"

"Du und Baby T."

"Baby T?", pruste ich los. Ich hab noch nie so etwas gehört. Ardy lacht ebenfalls laut drauf los.

AWAKE Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt