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Ungewollt stehe ich unten vor der Treppe. T kommt soeben aus dem Zimmer von vorhin, in dem nun helles Licht das dunkle ersetzt hat. Er trägt Jeans, blaue, die an den Knien zerrissen sind, und einen grauen Pullover. Seine Haare hängen ihm auf der Stirn, so als hätte er keine Lust gehabt, sie nach oben zu stylen.
Seine Augen sehen müde und sein Gesicht relativ lustlos aus. Er veranschaulicht wieder einmal die pure Freundlichkeit, als er mich ansieht und eine Augenbraue in die Höhe zieht.

"Bist du fertig?", fragt er mich gereizt. Seine tiefe Stimme geht mir jedes Mal, wenn er spricht, durch mein Mark und trifft meinen Kern.

"Bist du es?"

"Ich stelle hier die Fragen, Prinzessin auf der Erbse." Er geht an mir vorbei, öffnet mit einem Schlüssel von dem Bund, das er sich aus der Hosentasche zieht, die Tür, und atmet die frische Luft ein als hätte er sie sich lang ersehnt.

"Das ist ja mal was neues."
Ich folge ihm nach draußen, seine Schritte sind schwer auf dem Asphalt, der zur Bushaltestelle führt, die nur wenige Meter neben seinem Haus und gegenüber dem Haus meiner Großmutter steht.

"Was hast du gesagt?", fragt er direkt, jedoch ist seine Stimme nicht so voller Wut und Aggression wie sonst. Sie klingt sanft. Für seine Verhältnisse.

Dieser Kerl ist durch und durch ein Alptraum.

"Du nennst mich sonst immer nur Prinzessin oder Bitch oder sonst wie, Prinzessin auf der Erbse - das ist neu."

"Gewöhn dich nicht dran.", meckert er stur wie eh und je. War klar, dass die Normalität seiner Stimmfarbe nicht lange anhält und seine Laune sofort in den Keller sinkt. "Ich fahre nur deinetwegen zurück nach Köln, um deinen Kram zu holen. Wenn es nach mir gehen würde, wäre ich jetzt an meinem Schreibtisch bei der Arbeit."

"Danke?"
Die Ironie meiner Stimme lässt seinen Körper vor Wut und Abneigung mir gegenüber beben. Er kann einfach nicht still stehen. Seine langen Beine umkreisen immer wieder die Haltestelle, machen mal kleine und dann wieder große Schritte.
Er ist nervtötend.

Als der Bus dann auch noch Verspätung hat und 5 Minuten zu spät bei uns hält, hat seine Laune offiziell einen neuen Tiefpunkt erreicht. Er lässt sich auf den Platz neben mir fallen und beobachtet die paar Leute hier drinnen, als würde mir jeder in der nächsten Sekunde zur Flucht verhelfen wollen.

Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, was aus ihm so einen verbitterten Menschen gemacht hat.

Diese Frage schwebt mir noch eine ganze Weile durch den Kopf. Sie benetzt mein Gehirn wie eine Wolke. Sie quillt auf und manchmal, wenn ich ihn so beobachte und er mit seinen bösen, blauen Augen die Landschaft beobachtet, da gibt diese Wolke Niederschlag von sich, der mich komplett durcheinander bringt. T ist einer dieser Menschen, die man nicht versteht und es auch niemals kann. Er ist verschlossen, verbittert, und scheint so ziemlich alles zu hassen, was atmet.
Und er hat es drauf, Menschen das Gefühl zu geben, ihre Existenz sei eine Schande. Und trotzdem sieht er bei all diesen Dingen immer noch aus, als läge das gesamte Universum hinter seinem grimmigen Blick versteckt.

"Hör auf, mich anzustarren.", brummt er neben mir und mir schießt direkt ungewollt Röte in die Wangen.

"Ich starre dich nicht an, bild dir nichts ein.", versuche ich die OFFENSICHTLICHE Tatsache abzuwimmeln. Ich will nicht, dass er glaubt, ich würde ihn anschmachten oder so, denn das tue ich nicht. Im Gegenteil - ich verabscheue ihn. Er ist gemein zu mir, hat keinen Respekt und er macht sich über mich lustig.

T dreht seinen Kopf, sodass sein Gesicht nun mir zugewandt ist. Seine Augen sehen für wenige Sekunden in meine, dann blickt er an mir vorbei. Er beobachtet wieder, was draußen geschieht. Wir fahren gerade in die Großstadt hinein und der Lärm wird prominenter. Sein Brustkorb hebt und senkt sich langsam unter dem grauen Pullover. Seine Tattoos kriechen seinen Hals hinauf und verschmelzen mit der Ästhetik seines gesamten Erscheinungsbildes.

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