••BONUSKAPITEL 1: Mila, Leo und Rebecca••

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Es ist ein sonniger Morgen, das Haus ist noch still und meine Augen sind noch immer müde. Es ist viel zu früh für mich. Viel zu früh, wenn man bedenkt, dass mich Rebecca die gesamte Nacht wach gehalten hat. Ständig kam sie ins Schlafzimmer, immer zu meiner Seite, hat an meiner Hand gezogen oder mein Gesicht mit ihrem Finger gepiekst, sodass ich wieder wach wurde.

Aber was erwarte ich?
Sie ist gerade 4 Jahre alt und erkundet die Welt ein bisschen anders als ihre beiden Geschwister.

"Du könntest ein bisschen mehr Schlaf vertragen, was?" T kommt mit einer dampfenden Kaffeetasse zu mir auf die Veranda. Er lässt sich ebenfalls in die bereits rostige Hollywoodschaukel fallen. "Becca hat dich wach gehalten."

"Mich wundert es immer, dass sie dich nicht wach hält."

"Oh, das versucht sie.", lacht mein Ehemann lautstark auf. Wir sind mittlerweile seit 6 Jahren verheiratet. Es kommt mir dennoch noch nicht so lange vor. "Aber ich lasse mich nicht wecken."

Becca, Rebecca, ist unsere jüngste Tochter. Die Jüngste, aber die willensstärkste und aufbrausendste von allen. Im Gegensatz zu ihr sind Mila und Leo ein Klacks. Becca ist anspruchsvoll. Mit ihren wilden, dunkelblonden Haaren und den Naturlocken sieht sie immer aus als könnte man sie kaum zähmen, dabei braucht es dazu nur ein paar Süßigkeiten.
Leo hingegen ist anders. Er ist ruhig und introvertiert. Er hat dieses braune Haar und die blauen Augen, die einen unschuldig ansehen können. Er könnte einem die größte Lüge als Wahrheit verkaufen. Er war nie kompliziert, ist es noch immer nicht mit seinen 5 Jahren. Er liebt die Vorstellung der Schule, hat Freunde, mag sogar Mathe, auch wenn er sich bisher alles versucht selbst beizubringen...Leo ist anders, aber er ist besonders.
Und Mila? Mila ist 6. Sie hasst die Schule. Sie hasst es, wenn man sie früh am Morgen weckt, wohingegen Leo gern früh aufsteht. Mila schläft gerne viel und lange. Sie liebt Geschichten, besonders die, die ich für sie schreibe. Sie liebt Essen. Sie isst alles. Sie zeichnet gerne, liest auch gerne. Sonst ist sie eher introvertiert wie Leo. Sie hat ein paar Freunde, nicht viele, aber das ist ihr auch nicht wichtig (sagt sie). Mila hat braunes Haar, ein bisschen heller als ich, und sie trägt es am liebsten sehr lang, weshalb ich ihr ständig einen Zopf flechten muss. Sie liebt ihre Haare. Was sie nicht mag sind ihre braunen Augen. Sie sagt, sie hätte lieber so blaue Augen wie Becca oder Leo oder Dad.

Und das ist unsere Familie.
Das sind wir.

"Du solltest dich wecken lassen. Dann bekomme ich mehr Schlaf.", sage ich zu T und nippe an meinem Kaffee. Ich genieße die Wärme. Eingekuschelt im Bademantel auf der Veranda, so sitze ich hier und trinke meine morgendliche Portion Energie. Es ist halb 7. Der Tag beginnt gerade erst.

"Becca kann nichts mit mir anfangen, sie will immer dich für ihre heimlichen Teeparties um Mitternacht."

"Woher weißt du von ihren Teeparties, wenn die doch so geheim sind?"

Er grinst, zuckt mit den Schultern.
"Ist ein Betriebsgeheimnis."

"Ja ja", antworte ich. Ein Grinsen benetzt ebenfalls meine Lippen. "Ihr haltet heimlich zusammen."

"Sie ist meine Tochter, klar halten wir zusammen."

Ich schüttle meinen Kopf. Meine Augen beobachten die noch leere Straße in der ruhigen Wohnsiedlung. Es ist Montag. Noch gestern Abend haben die Kinder vor unserem Haus mit Kreide die Straße bemalt und gelacht. Ich hab dieses Kinderlachen noch immer in den Ohren.

"Du wirst einen Nervenzusammenbruch kriegen, wenn sie alle in der Pubertät sind."

Ich sehe zurück zu T, der sein Gesicht hinter seiner gigantischen Tasse zu verstecken versucht. Er trinkt Tee, das rieche ich. Grünen Tee. Seine blauen Augen funkeln im Licht der Morgensonne.

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