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Mein Körper scheint sich in den nächsten Tagen blendend zu erholen. Meine Wunden heilen, innerlich und äußerlich. Mit jedem Tag, den ich hier verbringe, den ich gehalten und von ihm geliebt werde, fühle ich mich mehr und mehr wie ich selbst. Ich habe mich lange nicht mehr wie ich selbst gefühlt. Ich habe mich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr wie ich selbst gefühlt.

Ich war 14 Tage weg. 14 Tage hat es gedauert, bis man mich gefunden hat. 14 Tage habe ich die Hölle auf Erden durchlebt.
Bei meiner ersten Dusche in Sicherheit, habe ich mich an Zach und an seine Worte erinnert. Daran, wie er gesagt hat, dass er das alles eigentlich nicht will und Jerome immer die Fäden zieht. Ich hab mir diese Worte, zusammen mit den Erinnerungen, nach und nach vom Leib gewaschen und sie abgeschüttelt.
An dem gleichen Tag, bei meinem ersten richtigen Essen, nach meinem ersten Alleingang zur Toilette, habe ich mich an das wenige Essen bei den Greys erinnert. Ich hab rüber in die Augen von Chloé und Sophia gesehen, habe von ihnen ein Lächeln bekommen, und wusste dann, dass ich in keinem Fall alleine war. Ich hab das alles durchgemacht, aber ich bin nicht die einzige, die das überlebt hat. Ich befinde mich mit Frauen, die das auch durchgestanden haben, im gleichen Haus. Sophia, Chloé und auch Vivien, die von Tag zu Tag offener zu werden scheint.

In der ersten Nacht, nachdem sie mich gefunden haben, habe ich mich isoliert ein Stück neben T gelegt, da mich seine Arme irgendwann eingeengt haben. Ich brauchte Luft zum Atmen. Er wurde davon wach, hat mich jedoch nur verstohlen angelächelt und nichts dazu gesagt. Er hat verstanden. Ich habe verstanden. Und wir lagen bloß schweigend nebeneinander, während der Regen draußen gegen die Fensterscheiben prasselte und die Welt für einen Moment lang okay scheinen ließ.

Jetzt, genau 17 Tage, nachdem man mich gefunden hat, bin ich zwar nicht wieder die alte Amani, aber ich bin auf einem guten Weg dahin. Die letzten 17 Tagen waren frei von den Greys. T hat seinen Drang, ihnen nachzujagen, mit Sophias Rückkehr abgelegt und durch meine Rückkehr dann komplett verloren. Er will von ihnen nichts mehr wissen. Er hat nicht mal mehr über sie gesprochen. Ich weiß, dass er noch immer eine Waffe an seinem Bauch trägt, sobald wir uns draußen in der Öffentlichkeit bewegen, auch wenn er das nicht offen zugibt, und auch das ist okay. Er tut das, um uns beschützen zu können. Wahrscheinlich denkt er noch öfter an sie - an Jerome und Zach...aber er zeigt es nicht. Er lässt es sich auch nicht anmerken. Manchmal erwische ich ihn, wenn er so einen bedenklichen Blick in seinem Engelsgesicht trägt, und sobald er dann meinen Blick sieht, lächelt er sofort. Das macht er in letzter Zeit ständig. Es gibt dennoch Momente, da sehe ich ihn ins Leere starren und nachdenken. Manchmal will ich mich dann in seinen Kopf reinsetzen und wissen, was dort so los ist. Ich hinterfrage es aber nie weiter.

In den letzten 17 Tagen habe ich mehr Zeit mit Sophia, Chloé und Vivien verbracht. Auch mit meinem Bruder, der in der Zeit aber so sehr mit den Jungs zusammen gewachsen ist, dass man ihn kaum woanders hinbekommen kann. Mit den Mädels habe ich über den Vorfall gesprochen, weil ich es musste. Es gab einen Tag, an dem ich mit irgendwem über die Dinge reden musste, der mich verstehen konnte. Alle drei konnten es besser als sonst wer, sie haben alle dasselbe erlebt.

"Solche Dinge sind furchtbar.", hat Sophia gesagt, "Und ich habe es gehasst. Ich habe sie verabscheut, alle beide." Und doch hat sie noch immer darauf geschworen, dass Zach anders sein kann, wenn er Gefühle zulässt. Ich habe sie bloß stumm angeschaut, sie hat nachdenklich gewirkt. Ich wollte nicht wieder an Zach denken und daran, wie er mich angesehen hat.  Also habe ich mehr Chloé und Vivien zugehört, die mich auf einer anderen Basis verstehen konnten als Sophia. Jede von ihnen hat einen Teil von mir verstanden.

"Die Dinge, die sie tun, ganz egal mit wem, sind alle schrecklich und furchtbar. Wir haben es dort weg geschafft."

"Wir sind Warrior und Survivor.", hat Chloé dann zu uns gesagt und gelächelt. Ich hab mich so unendlich verstanden gefühlt. Wir haben noch mehr gesprochen und Vivien hat geweint, so wie auch ich, doch es war gut so. Ich konnte meine Art von Trauma verarbeiten.
Ich habe Hilfe gefunden.

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