Am nächsten Tag wache ich durch das Klingeln eines Weckers auf. Mit noch immer müden Augen und dem Tageslicht im Gesicht, das mir keine Zeit lässt, damit meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnen können.
Aber seit wann steht hier ein verfluchter Wecker?Ich drücke auf einen runden Knopf in der Mitte des weißen Weckers, der mir mit LED anzeigt, dass es 9 Uhr morgens ist. An der einen Ecke trägt er ein Bluetooth Zeichen und an der anderen steht FM, was Radio bedeutet. Dass dieses Ding Bluetooth aber ich kein Handy habe, finde ich irgendwie ironisch. Wie der Wecker hierher gekommen ist, ist trotzdem fragwürdig. Ich blicke zur Zimmertür. An dem Nagel neben dem Türrahmen hängt eine ebenfalls weiße, schlichte Uhr.
Das kann nur T gewesen sein. Das muss T gewesen sein, etwas anderes steht gar nicht zur Auswahl.Unwillkürlich kommen mir die Erinnerungen an letzte Nacht wieder in den Kopf. T in meinem Zimmer, seine Hände in meinen, seine Augen auf meine Lippen gerichtet und sein treuer Blick, der Wärme anstatt Kälte vermittelte.
Mein Herz schlägt wie von Geisterhand schneller. Ich reiße mir die Decke von den Beinen und stehe auf. Ohne darüber nachzudenken, was ich anhabe oder wie ich aussehen muss, laufe ich barfuß den oberen Flur entlang bis zur Treppe und sause schneller nach unten als ich die Stufen zählen kann."Das ist doch Verarsche!", brüllt T's Stimme aus Ardy's Zimmer. Ich rase durch den unteren Flur ohne darauf zu achten, in was ich gerade hineinrenne. "Das kann doch nicht sein!"
"Komm runter, Mann.", sagt Marley mit Ruhe und Gelassenheit, was T noch mehr auf die Palme zu bringen scheint. "Ich bin mir sicher, dafür gibt es eine Erklärung."
"Und du bist gestern nicht an dem Haus vorbei gefahren?" T sieht von dem Schreibtisch zu Marley rüber, der mit dem Rücken zu mir steht und mich nicht zu bemerken scheint. Nur Ardy hat meine Präsenz bisher wahrgenommen und mir von seinem Bett aus stumm zugewunken.
"Ich hab dir doch gesagt - ich bin aus der anderen Richtung gekommen und hab es heute morgen beim Laufen gesehen." Als Marley das Wort Laufen erwähnt, fällt mir erst der große Schweißfleck an seinem Rücken auf. In dem Zimmer ist es ausnahmsweise einmal hell genug, um was zu sehen. "Die Kripo hat sich den Tatort genauer angesehen und wollte mir nicht zu viele Infos rausrücken. Dann hab ich Daniel angerufen und er hat mir die Lage erklärt."
Wer ist Daniel?
"Es kann doch nicht sein, dass wir das nicht bemerkt haben, ich dreh gleich durch." T fasst sich an die Stirn. Seine Hand ist so groß, dass kaum noch Haut zu sehen ist. Danach gleitet seine Hand in seinen Haarschopf, an dem er zieht. "Ein fucking Mensch verschwindet von der Erdoberfläche und wir merken es nicht."
"Wir hatten auch was zu tun, als das passiert ist, Kumpel. Du kannst dich nicht für jedes unverhinderte Leid verantwortlich machen."
"Aber wir hätten einschreiten können!", brüllt er plötzlich und haut mit seiner Hand auf Ardy's Schreibtisch, sodass ein Becher mit Stiften umfällt. Die Stifte rollen den Tisch hinab und fallen alle der Nase lang auf den Boden.
"GUTEN Morgen, Amani.", betont Ardy absichtlich laut, um die Aufmerksamkeit der beiden Streithähne auf mich zu lenken. Ich stehe benommen in der Tür und weiß nicht, in was ich gelaufen bin.
Ein Mensch ist verschwunden?
Sie konnten es nicht verhindern?
Und T macht sich anscheinend für das alles verantwortlich.
Ach ja, und dann ist da noch was mit einem Kerl namens Daniel."Morgen...", murmle ich ahnungslos.
Ardy atmet erleichtert aus, T starrt mich mit einem Blick an, den ich wieder einmal nicht deuten kann, und Marley scheint von meiner Präsenz sichtlich unbeeindruckt. Er sieht mein Outfit nicht einmal so genau an, wohingegen T mich mit seinem kalten Blick durchlöchert. Er scannt mich auf und ab, wobei er eine Hand an seinem Mund hält und die andere seinen Oberschenkel hinauf und wieder hinab fährt.
Und dann checke ich, dass ich bloß ein XXL Shirt von meinem Dad mit dem Aufdruck einer uralten Band und meine Unterwäsche trage. Peinlich.
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AWAKE
FanfictionDas Leben kann einen Menschen in die Knie zwingen - das musste Amani schnell feststellen. Mit ihren zwei Jobs versucht sie seit Jahren den Rest ihrer Familie über Wasser zu halten. Freizeit ist für sie eine Seltenheit und ihren Vater noch nüchtern z...