Eine Woche vergeht, in der wir eine Menge Fortschritte machen.
T hat mit Ardy telefoniert. Er und Chloé sind zu der Adresse gefahren, die Zach aufgeschrieben hatte, und haben dort ein Wohnhaus mit Keller vorgefunden. In dem Keller, so hat Ardy beschrieben, hat es nach Schimmel gestunken wie eh und je. So sehr, dass Chloé sich beinahe übergeben musste. In einem riesigen Kellerraum haben sie 7 Mädchen und 8 uralte Schlafpritschen gefunden. Sie haben sie alle befreit. Das gesamte Wohnhaus war leer, das Treppenhaus außenliegend und keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Sie haben sie bei Chloé zu Hause wieder aufgepäppelt, bis sich die Mädchen an alles klar und deutlich erinnern könnten. Dann haben sie sie in den VW Bus von Alaric und Naemi gepackt. Ardy und Chloé haben eine halbe Weltreise unternommen, nur um die Mädchen nach Hause zu bringen.
Um Rachel, Marie und Lilli nach Hause zu bringen.Ardy hat aus jeder Stadt angerufen.
Aus Paris, München, Berlin, Hamburg...
Mit jeder Stadt, hat er gesagt, würde er sich freier fühlen. Das Ende der Reise war dann bei uns.
Bei uns in Leverkusen."hideux", hat Chloé zu unserer Wohnung gesagt, was auf deutsch so viel heißt wie: scheußlich.
Wo sie recht hat...da hat sie nun mal recht.÷ ÷ ÷ ÷
Vor genau 27 Stunden hat uns die Nachricht erreicht, dass Jason Zachary Grey sich bei der örtlichen Polizei gestellt hat. Diese Nachricht wurde uns von keinem anderen als Daniel Zöllner persönlich übermittelt. Er stand sogar vor unserer Haustür. Austin hat gestaunt, da ein waschechter Polizist in der Wohnung war, und er wollte ihn wie ein Besessener umarmen. Daniel hat das sogar zugelassen.
"Grey hat sich selbst gestellt.", hat er gesagt und alle am Tisch haben geschwiegen. Zu dem Zeitpunkt waren Ardy und Chloé längst wieder auf Reisen. "Er hat sich mit erhobenen Händen auf die Knie begeben und um eine Verhaftung gebeten."
Daniel's Augen hafteten eine Weile an meinen eigenen. Wahrscheinlich, weil ich ihn so gebannt angesehen hab. Das glaube ich zumindest. Oder vielleicht auch einfach, da er die Erleichterung in meinem Blick gesehen hat. Ich hab Sophia's Stimme brechen hören, nachdem die Worte durch das Wohnzimmer schwebten wie eine Gewitterwolke. Ich habe sie angesehen, nur kurz, und dann habe ich zu ihrem Bruder gesehen, dessen Augen sich an sie hefteten. Sie stand auf und ging.
Später in der Nacht habe ich sie weinen hören. Ich bin aufgestanden, leise zu ihr geschlichen, und ich habe sie wortlos in den Arm genommen. Sie hat sich an mich gekuschelt, hat zum ersten Mal meine Nähe gesucht und meine Anwesenheit grundlos akzeptiert. Sie hat mich umarmt, an sich gedrückt. Mein graues Shirt, was eigentlich T gehört, hat sie mit ihren Tränen genässt. Ich hab ihren Rücken gestreichelt. Draußen hat es stark geregnet. Vivien schlief in Marley's Zimmer. Wir waren allein.
"Ich weiß, ihr alle hasst ihn, und ich sollte das auch, aber-"
"Aber du hast ihn geliebt."
"Ich hab ihn vor 6 Jahren schon geliebt. Wenn du jemanden liebst, dann gehört ihm für immer ein klitzekleiner Teil deines Herzens, ganz egal was auch passiert."
"Ich weiß", hätte ich sagen wollen, doch ich tat es nicht. Ich fragte sie nicht, wieso sie ihn liebte, da er doch offensichtlich ein Scheusal war, so wie ich ihn kannte und erlebt hatte. Ich fragte sie nicht, was denn mit ihr falsch wäre, da sie ein solches Monster liebte. Ich stellte ihre Liebe nicht weiter in Frage, da die Antwort mir in dem Moment klar wurde, in dem ich ihren Körper unter meinen warmen Fingerkuppen zittern und pulsieren spürte.
Sie liebte ihn, weil er anders zu ihr war als zu anderen. Sie liebte ihn, weil sie erkannte-, nein, weil sie wusste, dass das Monster, welches er verkörperte, nicht sein wahres Ich war. Sie liebte ihn, weil ein Teil ihrer selbst nicht anders konnte. Ihm gehörte ein Teil ihres Herzens, das konnte ihm keiner wegnehmen und das würde auch niemals irgendwer können. Sie liebte ihn. Die Erinnerungen an ihn - die guten. Sie liebte ihn, weil sie den Menschen hinter der Maske kannte.
Und ich verzieh ihm ein winziges Stück weit aus genau demselben Grund, auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte.
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AWAKE
FanficDas Leben kann einen Menschen in die Knie zwingen - das musste Amani schnell feststellen. Mit ihren zwei Jobs versucht sie seit Jahren den Rest ihrer Familie über Wasser zu halten. Freizeit ist für sie eine Seltenheit und ihren Vater noch nüchtern z...