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Amani

Ich atme auf, als wir endlich draußen sind. Die Frische Luft tut gut. Er hat sich sogar vorbildlich benommen, wenn man das so sagen kann, und Rosalinde war nicht ganz so komisch und anstrengend, wie ich sie in Erinnerung hatte. Wahrscheinlich hat sich durch den Tod ihres Mannes viel verändert, immerhin hatte ich sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Von dem Tod von Manfred habe ich auch nur in der Zeitung gelesen. Mich hat es sogar gewundert, dass sie von meinen Jobs wusste. Meine Großmutter muss ihr eine Menge erzählt haben. Ich will gar nicht wissen, wie viel meine Großmutter ihr erzählt hat.

Ich bleibe vor dem Haus stehen und sehe T dabei zu, wie er zu mir kommt, nachdem sich die Haustür hinter ihm geschlossen hat. Er wirkt nachdenklich, aber wann tut er das denn mal nicht? Grimmig und nachdenklich wie eh und je.

"Der Kaffee hat scheiße geschmeckt.", kommentiert er, während er an mir vorbei geht und ich ihm folge. Er verlangsamt seine Schritte wieder, damit ich mit ihm mithalten kann. "Ich kann nicht glauben, dass du mich diese Plürre tatsächlich hast trinken lassen."

"Höflich sein schadet nicht."

"Höflichkeit ist mir egal, wenn ein Kaffee scheiße schmeckt, dann gehört er in die Spüle und nicht in den menschlichen Organismus."

Ich schüttle verständnislos meinen Kopf. Er sieht mich von der Seite an, sagt aber nichts zu meiner Gestik. Sein Blick ist verborgen. Er wirkt, als hätte er was zu verheimlichen, aber so hat er auch schon am runden Esstisch von Rosalinde gewirkt. Ich mochte ihren Esstisch immer schon ziemlich gern, er bot immer genug Platz für alle Besucher und beherbergte früher die besten Süßigkeiten, die wir uns als Kinder vorstellen konnten. Selbst die Tischdecke von früher lag noch auf dem Tisch, die geblümte Tischdecke, an deren Enden der Stoff aufgebraucht und abgenutzt war. Das weckte Erinnerungen, als ich davor saß.

"Du hättest die Sache mit dem Tee nicht tun sollen." Nicht das schon wieder. "Es wäre nicht schlimm gewesen, wenn sie meinen Namen gewusst hätte."

"Ich wollte aber nicht, dass sie ihn weiß.", gebe ich offen zu - wir wechseln die Straßenseite und biegen in unsere Straße ein. "Was, wenn irgendwann mal nach dir gesucht wird?"

"Wird nicht", hebt er selbstverständlich seine Schultern. Das kann er doch wohl kaum selber glauben.

"Das weißt du nicht.", antworte ich grob, "Jeden Tag passieren komische Dinge, von denen man denkt, die würden doch nie passieren."

"Also wolltest du mich einfach nur decken? Mehr nicht?"

Ich sehe von meinen Füßen auf und erneut zu ihm hoch. Sein Blick ist auf das Haus gerichtet, in dem wir wohnen. Es kommt immer näher und ich komme mir so vor, als wäre die Erde unter meinen Füßen ein Laufband. So, als würde ich einfach nicht von der Stelle kommen. Vielleicht will ich auch gar nicht von der Stelle kommen, denn sobald wir wieder im Haus sind wird T wieder so verschlossen. Er verschließt sich vor der Welt, wenn er in diesen vier Wänden ist, und ich mag den offenen T lieber. Den T, der mit mir an einem runden Esstisch sitzt und aus einer Tasse mit der Aufschrift beste Oma der Welt trinkt.

"Mehr nicht", bestätige ich. Das ist gelogen. Ich wollte auch nicht, dass sie seinen Namen weiß, weil...na ja..."Und ich weiß, dass du deinen Namen nicht wirklich zu mögen scheinst."

"Du willst mir ernsthaft erzählen, dass du dir deine verdammte Hand verbrannt hast, damit ich gedeckt bleibe UND um mir mein Wohlbefinden zu lassen? Du hast dich VERBRANNT, damit ich meinen Namen nicht sagen muss und mich WOHLER fühle? Das ist ein Witz, oder?"

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