Er schwingt sich wieder auf die Beine, als er den Bus kommen sieht, der dafür verantwortlich ist, dass wir wieder zurück nach Hause kommen.
Nach Hause - wie verrückt das klingt.
Mein Zuhause ist jetzt tatsächlich bei ihm. Das klingt so falsch und es fühlt sich auch noch lange nicht richtig an.Ich ächzte, als ich die Tüte erhebe, damit ihr Boden nicht von dem Asphalt durchlöchert wird. Der Tag ist innerhalb der letzten Minuten trostlos geworden. Der Himmel beschenkt uns wieder mit einer Ladung Regen, als T hinten im Bus einsteigen will und ich noch damit kämpfe, diese schwere Tüte mit mir zu schleppen. Er hievt sich in den Bus und ich habe noch einige Meter Abstand zu ihm, die mir wie eine endlose Strecke vorkommen. Eh ich mich versehe erscheint sein blaues Augenpaar vor meinen und er sieht mich mit einem drängenden Blick an, der mir einen erneuten Schauer versetzt. Ich schlucke. Mir bleibt die Luft weg, wenn er mich so ansieht. So vollkommen voller Drang, etwas in mir auszulösen. Vielleicht einen weiteren Splitter meiner Seele in meinen braunen Augen zu erkennen.
"Schwer?", sagt seine Stimme und erhebt sich bei den letzten Buchstaben. Diese tiefe Stimme in die Höhe gehen zu hören, ist ungewohnt, und doch stelle ich fest, dass ich es mag. Ohne meine Antwort abzuwarten nimmt er mir auch die Tüte aus der Hand, sodass ich nicht mehr wirklich was zu tragen habe, und steigt zurück in den Bus.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen, bis mir klar wird, dass der Bus ohne mich abfährt, wenn ich meinen Hintern nicht bewege.
Wir setzen uns auf zwei Plätze, die genug Fußraum für die Sachen bieten, die wir dabei haben. In dem gesamten Bus sind nur wir und eine Frau mit Kopfhörern, die sich aber nach ganz vorn zurückgezogen hat. Sie sieht aus wie der Typ Mensch, der nicht gern und viel mit anderen Menschen spricht, weshalb sie die Kopfhörer trägt. Um nicht angesprochen zu werden, versteht sich. Niemand mit Kopfhörer will angesprochen werden, wenn es nicht notwendig ist.
Schweigsam neben ihm zu sitzen bringt aber auch eine gewisse Ruhe mit sich. Auf dem Hinweg fand ich sein Schweigen eher bedrückend und manchmal hatte ich das Gefühl, es würde nie etwas geben, über das wir uns normal und ohne zu zanken unterhalten könnten. Jetzt weiß ich, dass das nicht so ist. Er kann auch normal sein, wenn er will. Er kann mir respektvoll zuhören und mir gute Antworten geben, wenn ich sie brauche. Er versteht was von der Welt und das ist seine Stärke. Er könnte sich mit seinen Worten ein Königreich an Respekt verschaffen, wenn er denn wollte, und doch entscheidet er sich oft für die schweigsame Methode. Zumindest an Tagen wie diesen. Und ich entscheide mich dafür, ihn nicht zu bedrängen, auch wenn auf meiner Zunge ein Danke brennt, das sich seiner kurzen Einfühlsamkeit widmet.
Ich schlucke es hinunter und sehe nach draußen. Er sitzt wieder außen, ich sitze am Fenster. Als wir die Plätze erreichten, hat er Platz gemacht, damit ich nach innen rutschen kann, und ich frage mich, ob das seine Art von auf mich aufpassen ist. Ob das seine Art von beschützen ist. Ich kenne ihn nicht wirklich, ich weiß nicht was seine Art von irgendwas ist. Ich weiß nicht, wie er ist, wenn er nicht gerade von jedem genervt, stur oder wütend ist. Ich kenne die sanfte Seite an ihm gerade ein paar Augenblicke. Ich kenne seine Einfühlsamkeit seit einigen Minuten und ich kann mir aus all diesen Faktoren keinen Charakter bilden. Ich kann mir nicht vorstellen, wer er hinter der Maskerade ist, und in mir schreit ein kleines Stimmchen, dass ich es wissen will.
Ich will wissen, wer Thaddeus ist. Wer er hinter dem Namen T ist, den er jeden an den Kopf wirft.Ich sehe zu ihm rüber. Zu dem immer so grimmig schauenden Menschen, der in der Lovestory nicht einmal mit der Wimper gezuckt hätte, wenn das blonde Mädchen mit dem Sonnenscheinlächeln sich dazu entscheidet, ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Sein halb gelachtes Halt die Klappe fand ich besser als diesen Gesichtsausdruck, der nichts aus sich lesen lässt. Wenn er so guckt wie jetzt kann ich immer nur ahnen, was in seinem Kopf los ist. Und wenn seine Augen dann demselben Grau entsprechen, in dem auch der Himmel getränkt ist, bleibt mir nichts anderes übrig als seine Launen mit einem Unwetter zu vergleichen. Mit einem sich aufbauendem Gewitter, aus dem gleich Blitz und Donner hervorgehen. Er ist so undurchschaubar und rätselhaft, und das weiß er ganz genau. Er hält diese unüberwindbaren Mauern mit Absicht oben, verstärkt seine Wachen und rüstet sie mit schärferen Waffen aus, um die zu erledigen, die es auch nur zu versuchen wagen, die Mauern zu erklimmen und die Ziegelsteine zu berühren.
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AWAKE
FanfictionDas Leben kann einen Menschen in die Knie zwingen - das musste Amani schnell feststellen. Mit ihren zwei Jobs versucht sie seit Jahren den Rest ihrer Familie über Wasser zu halten. Freizeit ist für sie eine Seltenheit und ihren Vater noch nüchtern z...