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"Ist das dein Ernst? Du bist bereits im Entzug und trotzdem bist du high?"

Ich sehe ihn an. Er hat sich bereits wieder in seinem Sessel niedergelassen und sieht zu dem stumm geschalteten Fußballspiel. Auf dem Bildschirm ist ein Kommentator zu sehen, der irgendwas in die Kamera redet, was mein Dad zu verfolgen versucht.
Meine Wut ist gerade mehr als nur grenzenlos.

"Was ist?", konter ich wieder. "Kannst du plötzlich auch nicht mehr reden?"

"Du bringst einfach diesen Kerl mit hier her und behauptest, dass er dein Freund ist, und dann lässt du zu dass er so mit deinem Vater spricht..."

Ich schlucke.
Bitte was?

"Du willst mich verarschen...", lache ich. Ich bin froh, dass Austin nicht hier ist. Würde er das mitbekommen, dann weiß ich echt nicht wie ich ihm das hätte erklären sollen.

"Du bist undankbar, das ist alles."

"Ich bin was?"

"Undankbar" Seine braunen Augen sehen mich an. Ich erkenne in ihnen kaum meinen eigenen Vater wieder. Sein Leben war mal gefüllt mit Liebe und Zuneigung zu seinen Kindern, Liebe für seine Frau und Fürsorge. Jetzt sehen seine Augen leer aus, genau wie sein Herz. So als hätte der Alkohol alles davon geschwemmt. "Du bringst diesen Kerl hier her, lässt ihn mich beleidigen, kündigst die Wohnung, nimmst Austin mit dir und kommst mich nicht einmal mehr besuchen. Du bist undankbar, du schätzt nicht wert, was ich für euch getan hab."

"Was du für uns getan hast?", lache ich wieder drauf los. Ich sitze auf seinem Bett und fühle mich wie in einer Psychiatrie. "Wer hat sich um Austin gekümmert? Wer hat die Miete und alles andere bezahlt? Wer hat dich zugedeckt, wenn du längst deinen Suff ausgeschlafen hast? Wer hat sich um alles gekümmert und dafür 2 Jobs auf sich genommen? Warst das du? Ich glaube nicht."

"Du wirfst mir vor, dass ich kein guter Vater war."

"Ja, genau das werfe ich dir vor. Du warst ein guter Vater, damals...als Mama noch gelebt hat."

Seine Augen sehen zu dem Fenster. Die Dunkelheit, die draußen eingekehrt ist, wirkt wie ein schwarzer Vorhang der sich auf uns legt. Wie etwas, das uns zu verstecken versucht.

"Sie hat bald Geburtstag."

Ich sehe wieder zu ihm rüber. Meine Unterlippe zittert, genau wie meine Hände, und in meinen Augen staut sich das Wasser an.
Als wenn ich das nicht wüsste...

"Sie hat den Herbst immer so sehr geliebt. Ich weiß noch-", lacht er, "-als ihr damals mit einem Schlitten durch nasses Laub fahren wolltet, weil es deine dumme Idee war, die sie dann mitgemacht hat. Und wie du immer in einen Laubhaufen gesprungen bist, den sie gemacht hat."

"Darum geht's dir.", sage ich. "Du bist high, weil du sie vermisst und ihr Geburtstag vor der Tür steht."

"Was weißt du schon über meine Gründe, um mich irgendwie zu betäuben?"

"Eine Menge", antworte ich auf seine Frage. Er überschlägt seine Beine. Seine eine Hand hält seine Stirn, die Augen sehen zu Boden. "Du bist immerhin mein Vater."

Er gibt erschöpfte Geräusche von sich. Langsam schüttelt er seinen Kopf, die Augen geschlossen. Seine Mundwinkel sitzen in einem halben Lächeln, das irgendwie nicht breiter wird, aber auch nicht verschwindet.
Ich verliere meine Geduld. Es ist in diesem Zimmer so stickig, aber das kommt nicht von der dicken Luft. Es kommt von der Anspannung, die herrscht. Diese Anspannung raubt mir den Atem.

"Redet er manchmal von mir? Austin..meine ich..."

"Selten"

Mein Dad nickt stumm.
Ich atme angespannt aus.

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