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Zurück zu sein ist besser als ich es mir vorgestellt hatte. Es ist befreiend. Die erste Nacht habe ich nicht schlafen können. Ich habe wach gelegen und Austin schnarchen hören im Nebenzimmer. Ich habe das Dachfenster und alle Türen oben offen gelassen, da ich Angst hatte, etwas könnte mit Austin sein. Durch das offene Fenster konnte ich lauschen. Die Nacht war still, hin und wieder fuhren Autos an dem Haus vorbei, doch ich fragte mich bloß immer wieder, was wohl nebenan so los war. Ob die Jungs die Nacht über wach waren, da sie sich Sorgen um die verschwundenen Mädchen machten.

Ich fragte mich, ob er an mich denken musste, weil ich an ihn denken musste.

An dem 2. Tag ohne die Jungs habe ich im Vorgarten Unkraut aus dem Beet gezogen, während mir Sonnenstrahlen die Haut erwärmt haben. Austin hat neben mir im Gras gesessen und kleine Rennautos durch das Grün fahren lassen, die haben mal meinem Opa gehört. Meine Oma hat drinnen einen Kuchen gebacken, da sie Jana zum Essen eingeladen hatte, und ich zupfte gerade ein weiteres Stück an Unkraut aus dem Beet, als ich eine Tür zu fallen hörte. Ich drehte meinen Kopf in die Richtung unserer Nachbarn und entdeckte erst Marley. Er trug Joggingsachen und flitzte dann durch die Nachbarschaft. Er sah nicht in meine Richtung. Dann sah ich den blonden Haarschopf von T, der die Einfahrt entlanglaufen kam.
Ich hoffte, er würde zu mir kommen.
Ich hoffte, er würde mich ansprechen.
Ich hoffte auf alles.

Aber er schaute nur kurz in meine Richtung, begegnete meinem Blick und sah dann eilig weg. Er stieg in das Auto, den weißen Lieferwagen, und fuhr irgendwo hin. Austin fragte mich, was er denn tun wollte, doch ich konnte ihm keine Antwort geben. Ich konnte nur meinen Kopf schütteln und den dumpfen Schmerz in meinem Brustkorb ignorieren. Der dumpfe Schmerz, der mir signalisierte, dass da, wo mal was war, jetzt Leere herrscht. Leere und Ahnungslosigkeit, wie es denn jetzt weitergehen sollte.

Ich weiß noch immer nicht, wie es weitergehen soll.

In der folgenden Nacht lag ich wieder wach. Ich schlief immer nur für wenige Minuten, doch mein Körper weckte mich dann ganz automatisch wieder auf. Ich hörte draußen Geräusche, die ich nicht zuordnen konnte, und ich stellte mich wieder einmal auf mein Bett, da schlafen sowieso keinen Sinn mehr hatte, legte meine Arme im offenen Dachfenster ab und sah nach draußen. Das Haus gegenüber war an der Einfahrt beleuchtet. Licht brannte neben der Haustür und erhellte den dunklen Schatten, der dort auf dem Boden saß. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich, dass es T war. T saß dort zusammengekauert auf dem Boden, den Kopf in einer Kapuze versteckt. Seine Gesichtszüge lagen verborgen, aber sein Körper saß ein wenig wie ein Häufchen Elend dort unten. Ich fragte mich keine Sekunde lang, ob er mich sah. Es sah fast so aus, als würde er das Haus meiner Großmutter beobachten. Als würde er eine Nachtwache schieben.

Ich legte meinen Kopf auf meine Hände ab, beobachtete ihn eine ganze Weile. Er sah nicht ein einziges Mal auf, sondern hielt den Blick starr auf unsere Haustür gerichtet. Ich öffnete das Fenster noch ein bisschen weiter, um mich mehr vorbeugen zu können. Als ich wieder zurück zu T sah, schaute er direkt zu mir. Ich erkannte seine Augen nicht ganz, aber ich wusste, dass sein Blick und meiner einander gerichtet waren. Er beobachtete mich und ich ihn. Diese Situation erlangte in nur kürzester Zeit eine solche Intimität, dass mir komisch zumute wurde und ich mich zurückzog. Jedoch nicht, um einfach wieder schlafen zu gehen.

Ich wollte wissen, wieso er dort draußen wie ein Psycho herumsaß und mein Haus beschattete als sei er ein Rottweiler.

Ich versuchte leiser zu sein denn je, schlich mich aus dem Haus, steckte mir den Hausschlüssel, den ich mir von innen aus der Tür gezogen hatte, in die Tasche meiner Sweat Jacke, und tapste auf leisen Sohlen unsere Einfahrt herunter, nur um seine hinauf zu gehen. Es war ein komisches Gefühl das alleine zu tun, da sonst immer einer von den Jungs bei mir war, um auf mich Acht zu geben. Als ich vor T stand, sah er verwundert zu mir hoch, blieb aber auf seinem Posten sitzen. Ich konnte ihn nur anschauen, zu mehr war ich in den ersten Minuten nicht in der Lage.

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