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Ob ich jetzt wach bin?
Ja, verdammt noch mal, ich bin jetzt wach. Wahrscheinlich wacher als jemals zuvor in meinem Leben. Ich hasse das Gefühl, das mir gegeben wird, und ich hasse es wie sich mich anschauen. Als sei ich eine Gefahr. Eine Bedrohung.
Aber noch mehr und weitaus am meisten hasse ich den Part, den sie mir aufzwingen. Dass ich mich von meiner Großmutter verabschieden muss.

Es ist das schlimmste von allen Dingen.
Es ist einfach grausam. Es ist, als würde mir jemand meine ach so heilige Luft zum Atmen nehmen. Als würde mir jemand sagen, ich solle alles was mir lieb ist einfach zum Fenster rausschmeißen. Es ist ein Gefühl des unendlichen Leidens, wenn man gezwungen wird, ein vorzeitiges Lebewohl zu sagen. Es ist einfach beschissen, um es kurz zu fassen.

"Wieso-"

"Ich diskutiere mit dir nicht.", sagt er in mein Gesicht. Seine eiskalten Augen, gemeinsam mit dem eiskalten Blick, schauen mich an. Er ist auf meine Mimik fixiert, die ihm mehr als nur eindeutig zeigt, dass ich alles hasse. Ihn, die Situation, diesen Plan, dieses Haus - einfach alles.

"Du kannst mich hier nicht festhalten.", peitscht meine Stimme wieder los, bevor er noch mehr Dinge sagen kann, die mich aufregen. "Du willst mich hier festhalten, aber kannst dir niemals sicher sein, ob ich jemals was verraten werde. Woher willst du wissen, dass ich dich nicht dauerhaft an der Nase herumführe?"

"Ganz einfach, Prinzesschen", sagt er. Seine Füße stolzieren auf mich zu. Ja, er stolziert. Wie ein Prinz stolziert er zu mir rüber. Mit erhobenem Haupt und einem direkten, starren Blick. Ausdruckslos im Gesicht. "Wenn du mich verarschen solltest, kann ich dein Leben schneller ruinieren als du blinzeln kannst."

"Und wie willst du das anstellen, hm? Das mag vielleicht komisch für dich klingen, aber du bist nicht mein Boss.", meine Stimme ist zu bitter, um diese Worte noch ins positive lenken zu können. Auch, wenn in seinen Augen nichts aus meinem Mund positiv klingen mag. "Du beherrscht mich nicht. Ich bin nicht dein Eigentum. Du bist bloß ein Kerl."

Seine Schritte haben mich wieder gegen eine Wand gedrängt, an der ich jetzt erneut mit meinem Rücken klebe. Er kesselt mich ein als gäbe es nichts anderes, was er lieber tun würde. Wahrscheinlich genießt er auch noch seine machthabene Position. Wahrscheinlich genießt er es, dominant zu sein.

"Ich kann zu deinem größten Albtraum werden. Mich wundert es, dass jemand schlaues wie du das noch immer nicht verstanden hat.", flüstern seine Lippen in einem ruhigen Ton, der nervenaufreibend wirkt. Dann erhebt sich seine tiefe, ebenfalls dominante Stimme: "ARDY!"

Sein Blick huscht rüber zu einer offenen Tür, die in ein Zimmer führt, in dem die Jalousien noch unten sind. Wahrscheinlich eines der Schlafzimmer, von dem es hier unten noch eins gibt. Zumindest gibt es noch eines davon, wenn auch das zweite die Jalousien unten hat. Die beiden Zimmer wären dann sicherlich identisch.

Ardy's Kopf schaut zu uns rüber. Seine hellen Augen leuchten uns unsicher an. Manchmal hat sein Blick etwas von einem scheuen Welpen, der Angst vor seinem Besitzer hat. Man könnte meinen, Ardy hat Angst vor T. Ich glaube, wenn T mein Boss wäre, hätte ich das auch. Er wirkt unberechenbar.
Wahrscheinlich ist er das auch - ein unberechenbarer Mann.

T sucht Blickkontakt mit seinem Komplizen.
"Bring mir bitte eine Wanze."

"Eine Wanze?"

Er schaut zurück zu mir. Meine braunen Augen treffen auf sein Augenblau, das kurz aufleuchtet, als er mich ansieht. Seine Augen sehen von meinen Augen für eine winzige Sekunde ein Stück weiter abwärts, dann kommt auch schon Ardy mit einem kleinen, schwarzen Stecker zurück, den T ohne mich zu Fragen an mein Oberteil anbringt.
Meine Jacke von letzter Nacht liegt irgendwo oben in dem Zimmer. Ich hab sie in eine Ecke geschmissen und aus Wut auf mich selbst nicht mehr angesehen.

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