Ein Teil von sich selbst

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Jill sitzt in sich zusammengerollt auf dem Sessel in der kleinen Bibliothek, auf dem Tisch vor ihr liegt ein Blatt Pergament, doch alles, was sie bisher darauf geschrieben hatte, hatte sie auch wieder durchgestrichen. Ihre Schulsprechernadel liegt auf dem Tisch und scheint sie herauszufordern. Sie blinkt im Licht, dass durch das Fenster hereinfällt und erinnert sie die gesamte Zeit daran, dass sie bisher nicht einmal ein Wort auf das Papier gebracht hat. Zumindest keines, dass ihr gefallen hätte.

Sie weiß, dass sie noch eine Weile Zeit hat, doch es fällt ihr schwer überhaupt eine Idee zu finden. Als Schülersprecherin soll sie beim Willkommensfest eine kurze Rede halten, die die Schüler willkommen zurück heißt und ihnen das Gefühl gibt willkommen zu sein. Doch obwohl sie sonst beinahe immer die richtigen Worte findet, jetzt hat sie das Gefühl, dass einfach nichts zusammen passt.

Aber sie weiß auch, dass sie in ihrer Situation nicht alleine ist. Zayn Walker, der Huffelpuff aus ihrem Jahr, der männlicher Schülersprecher ist, hat ihr geschrieben und scheint auch noch nicht so recht zu wissen, was er sagen will. Allerdings kann sie ihren Fokus auf etwas anderes legen als er, da er seine Rede besonders um die Akzeptanz und die Wichtigkeit ihrer Noten in der Zukunft legen will. Doch sie weiß nicht, wie sie das ausgleichen soll.

Als sich die Tür öffnet hebt sie den Kopf, ist im nächsten Moment aber überrascht. Es ist nicht Jay, den sie erwartet hat und auch nicht Lucien, was sie ebenfalls nicht gewundert hätte, sondern es ist der Herr des Hauses. Einen Moment versinkt sie in den grauen Augen, dann erinnert sie sich daran, wie sie hier vor Lucius sitzt und wird knallrot, während sie so schnell wie möglich versucht sich ordentlich hinzusetzen.

Irgendetwas ist anders an ihm, fällt ihr auf, als sie versucht ihre Gesichtsfarbe wieder zu normalisieren. Es ist das kleine Gesteck Blumen, das er in der Hand hält und dessen wundervoller Duft sie nun erreicht. „Würdest du mir die Ehre erweisen, mich zum Sommerball meiner Familie zu begleiten?"

Jill braucht einen Moment bis es bei ihr ankommt und sie es verarbeitet. Dann aber schlägt es in ihr ein und sie weiß, es ist nicht wirklich die Frage danach, dass sie diesen Ball mit ihm besucht. Es ist die Frage danach, dass sie seine Begleitung, sein Date sein würde. Dass er sie zu einem öffentlichen Ball, wenn auch keinen sonderlich formellen, einlädt, zeigt ihr, wie erst er das Ganze meint.

Sie in der Öffentlichkeit an seiner Seite zu zeigen, ist ein sehr deutliches Zeichen, dass er sie umwirbt. Ein Courting ist es noch nicht, aber es ist ein Vorbeugen von Gerüchten, da die Öffentlichkeit danach erwarten wird, sie zusammen zu sehen. „Es ist mir eine Ehre." Jill lächelt und nimmt den Blumenstrauß entgegen, der mit einem violetten Band zusammen gebunden ist.

Es ist ein Geschenk, dass sie akzeptieren kann, da es zu ihr passt. Sicher, die Blumen sind elegant, weiß und violett, aber das besondere darin sind die Blumen an sich. Der Strauß wirkt eher, als habe Lucius ihn selbst zusammen gestellt, viele der Blumen sind Favoriten von ihr selbst oder sie benutzt die Düfte. Zudem erkennt sie zwei absolut untypische Pflanzen in dem Strauß. Mondkraut, mit den winzigen, silbernen Blüten, und Rekkatas, die ihre großen, grünen Knospen noch nicht geöffnet haben.

Beide haben eine Bedeutung, die Jill strahlen lässt. Das Mondkraut steht für Heiler und gilt als Grundlage in vielen Heiltränken. Rekkatas dagegen sind ein Symbol für Schlangen. Sie hebt den Strauß zu ihrer Nase und atmet den Duft ein, eine wilde Mischung aus so vielem, was sie liebt. Als sie wieder zu Lucius sieht, steht in dessen grauen Augen eine Wärme, die sie dort noch nie gesehen hat und sie fühlt sich verdammt geborgen.

„Miss. Eine Vase." Bei der piepsigen Stimme der Hauselfe, die aus dem nichts zu kommen scheint, erschrickt sich Jill und lässt beinahe den Strauß fallen. Als sie verarbeitet hat, was das gerade war, nickt sie und lässt zu, dass der kleine Hausgeist die Vase auf den Tisch stellt. Die Blumen mit einem liebevollen Blick betrachtend stellt sie den Strauß in die kristallene Vase.

„Du arbeitest trotz des guten Wetters drinnen?" Durchbricht Lucius dann die etwas seltsame Stille, mit der sich Jill auch nicht ganz wohl gefühlt hat. „Ich mache mir etwas Sorgen um die Rede und das neue Schuljahr. Zayn ist ein anständiger Typ und alles, aber er kommt aus einer sehr traditionellen Familie, auch wenn seine Mutter muggelstämmig ist. Sie legen sehr viel Wert auf Stolz, Elite und eine gute Ausbildung. Ich fürchte, dass er darauf viel zu viel Wert legen wird."

„Dann sei du die andere Seite von Hogwarts. Ja, es ist eine Eliteschule, ja, man muss viel lernen, aber Hogwarts ist viel mehr als das. Besonders jetzt mit den vielen Neuerungen muss da auch jemand für die Schüler da sein, der ihnen zeigt, dass Hogwarts eben nicht nur lernen und Unterricht ist." Jill nickt, nachdenklich.

Sie sieht, was Lucius meint. Hogwarts ist zwar eine Eliteschule, auch wenn sie das die letzten Jahre eher nicht war, aber sie war auch immer etwas mehr. Ein Ort, an dem man Freunde und Feinde fürs Leben macht, an dem man Gleichgesinnte trifft und wichtige Bekanntschaften knüpft, an dem man seine Talente entdeckt und fördert, an dem sich die Zukunft eines jeden Schülers entscheidet.

Für sie ist Hogwarts seit sechs Jahren ein Teil von sich selbst, einen, den sie nicht loswerden kann und das auch für nichts in der Welt will. Es hat sie geprägt und geformt, hat sie sehen lassen, wie die Welt ist und dass es verschiedene Wege gibt aufzuwachsen. Hat sie gelehrt, dass man niemand voreilig unterschätzen sollte, dass Erziehung ein wichtiger Teil des Charakters ist und das scheinende Namen die düsterten Geheimnisse verbergen können.

„Dank dir. Jetzt weiß ich zumindest, was ich so in etwa sagen will." Sie greift nach ihrer Feder, um sich Notizen zu machen, bevor sie es wieder vergisst.

Probleme im Haus der SchlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt