Sportunterricht

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Schnell stülpt sich Jay das T-Shirt über den Kopf und zieht es herunter. Er mag es noch immer nicht, sich vor anderem umzuziehen, aber es wird besser. In ihrem Zimmer drehen sich die anderen beiden immer weg, aber wenn sie sich für Sport umziehen müssen, tun das nicht alle. Immerhin haben sie nicht mehr mit den Löwen Sport, sondern mit den Raben.

Zu Beginn des Schuljahres waren sie noch mit den Löwen zusammen eingeteilt gewesen, doch das hatte sich sofort geändert. Nick hatte noch während des Aufwärmens versucht den ersten Streit anzuzetteln, hatte nach Jay geschlagen und versucht ihm Beine zu stellen, während sie einliefen. Womit er aber nicht gerechnet hatte und das hatte man ganz klar sehen können, war das Eingreifen ihres Sportlehrers.

Der hatte sich Nick geschnappt und ihn vor die Klasse gestellt um ihm einen Vortrag über Anstand, Fairplay und das Verhalten eines Gentlemans zu halten. Darüber, dass ein Held nicht deshalb ein Held war, weil er andere besiegte, sondern weil er die Schwachen beschützte. Jay ist sich nicht sicher, wie viel davon bei Nick hängen geblieben ist, aber er weiß, dass Nick den Sportlehrer seit dieser Stunde hasst und bereits versucht hat, ihn von der Schule werfen zu lassen.

Das lag aber weniger an dem Vortrag, sondern an dem, was danach kam. Er hatte Nick vor der ganzen Klasse sich bei Jay entschuldigen lassen, wieder und wieder. „Du wirst das so lange tun, bis ich es dir glaube, dass es dir leid tut und die Entschuldigung von Herzen kommt. Ich nehme an, keiner der Lehrer wird ein Problem damit haben eure Stunde auf Samstag zu verschieben, wenn wir in der Stunde hier nicht fertig werden. Den keiner wird den Raum verlassen, bis das hier nicht geklärt ist." Es hatte gedauert und ja, sie hatten am Samstag eine Extrastunde bekommen. Nicks Beliebtheit hatte gewackelt, sich bei den Löwen aber wieder gefangen.

„Jay, komm schon. Hör auf mit dem Trübsal blasen. Wir haben Sport." Blaise reagiert auf den Sportunterricht wie ein Fisch auf Wasser und ist kaum zu halten, wann immer sie Sport haben. Theo dagegen schüttelt über so viel Begeisterung nur den Kopf und zieht Jay dann aber doch hinter Blaise her in die Sporthalle.

Sie wurde aus unbenutzten Klassenzimmern verwandelt und mit einem Ausdehnungszauber belegt und hat nun beeindruckende Maße. Aber ihr Sportlehrer versteht die Halle auszunutzen und ihnen immer neue, kreative Möglichkeiten zur Bewegung zu geben. Es gibt sogar eine kleinere Halle, in der sich ein Schwimmbad befindet. Das wird aber im Moment nur von Clubs benutzt, bei denen alle Mitglieder schwimmen können und immer unter Aufsicht eines Lehrers.

Ihr Sportlehrer ist einer davon. Ein noch junger Mann, etwas über zwanzig, mit schwarzen Haaren, die er oben langer, an den Seiten aber bis auf wenige Millimeter kurz geschoren trägt, und tief dunkelblauen Augen bringt er die Mädchen der oberen Stufen immer wieder zum Schwärmen. Jill findet das Ganze albern, solange er sein Shirt anlässt, denn wenn er es auszieht, hat sie immer wieder Zusammenbrüche zu behandeln.

Heute steht er vor eine Parkour und wartet darauf, dass Jungs und Mädchen aus den getrennten Umkleiden kommen. Blaise und Natascha sind hibbelig und rennen schon herum, während er Rest ihnen Kopfschüttelnd zusieht. „Sind dann jetzt alle da? Fünf grüne und acht, neun blaue? Wer fehlt?" fragt er die Raben, die sich gegenseitig ansehen. „Susanna hat sich auf der Krankenstation gemeldet. Ihr ging es nicht gut." Merkt dann eines der Mädchen an.

„Dann sind also alle da? Dann fangen wir an mit dem üblichen Aufwärmen." Damit beginnt er die Steck- und Dehnübungen, die die Kinder ihm nachmachen, ehe sie eine lange Runde laufen. Damit zieht sich das Ganze auseinander. Natascha und Blaise rennen mit Caden, dem Sportlehrer, vorne weg, dann kommen Jay und Theo und Antonia rennt ihnen mit den Raben hinterher.

„Warum läuft Toni eigentlich so langsam? Sie kann doch schneller. Das merkt man morgens beim Training ganz deutlich." „Weil sie mit ihren neuen Freundinnen laufen will. Seit sie sich mit Natascha gestritten hat, ist sie fast nur noch bei den Raben und die können eben nicht schneller." Jay runzelt die Stirn. „Aber das macht doch keinen Sinn." „Nein, nicht wirklich."

„Okay alle herhören. Ihr zählt jetzt eins, zwei, drei durch und wir bilden dann drei Teams. Hinter mir seht ihr den Parcours. Ihr startet, durchquert den Parcours, nehmt einen Ball und versucht ihn in den Korb einer Mannschaft zu werfen, dann kommt ihr wieder zurück. Wenn ihr den nächsten abschlagt, ist der an der Reihe und kann es versuchen. Gewonnen hat am Ende das Team, dass am meisten Bälle in seinem Korb hat."

„Heißt das, wenn man in den falschen Korb wirft, dann kriegt die andere Mannschaft einen Punkt?" „Richtig." Caden lacht und lässt die Kinder durchzählen. Team eins bekommt rote Hemdchen, Team zwei blaue und Team drei grüne. Jay findet sich mit Natascha in Team drei wieder und streift sich das grüne Hemdchen über. „Ich fange ich. Ich zuerst. Ich will anfangen." Natascha hüpft mit einem Arm in der Luft herum und einer der Jungen verdreht die Augen.

„Niemand wird sich mit dir darum schlagen." Sie ist so happy, dass sie nicht einmal den sarkastischen Unterton als Angriff wahrnimmt. Sie klettert direkt auf den Kasten, von dem aus man sich zu einem anderen schwingen muss, um dann über weitere Hindernisse zu klettert, balancieren oder darunter hindurch zu robben. Ungeduldig wartet sie auf die beiden Starter für die anderen Teams.

„Wenn ich pfeife geht es los. Ich will keine Beschwerden hören, die Kurs sind gleich schwer, gleich lang und alles. Es wird nicht geschubst und nicht gerangelt, ist das klar?" Alle nicken, manche begeistert und andere ganz deutlich nicht, doch alle klettern auf den Startblock. Als alle oben sind und die ersten drei bereit sind, gibt Caden das Signal und lässt sie anfangen.

Probleme im Haus der SchlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt