Jungkook
Ich hatte es so gewusst. Von Anfang an hatte ich gewusst, dass es so kommen würde. Die ganzen Schuldgefühle, die gestern noch verschwunden waren, kamen in diesem Moment wieder hoch, als ich den Blick von Taehyung gesehen hatte, kurz bevor dieser Hoseok nach draußen gefolgt war. Zwar hatte der Ältere versucht mir zu zeigen, dass es nicht meine Schuld war, aber die war es doch. Wäre Taehyung nicht bei mir gewesen, sondern wäre zu Hoseok gegangen, dann würden sie sich nicht trennen. Nein... schon viel früher. Wenn Taehyung sich damals am Fluss nicht zu mir gesetzt hätte, dann hätten wir uns niemals so angefreundet und er hätte niemals Streit mit Hoseok gehabt.
Doch gerade jetzt brachte es mir nichts, mir Vorwürfe zu machen. Das konnte ich später tun, wenn ich alleine war und nicht jetzt. Auch wenn die Angst sich in mir ansammelte, musste ich Taehyung finden und jetzt musste ich für den Älteren da sein. Die Angst, dass er irgendwas Dummes anstellen könnte, stieg mit jeder Minute, in der er nicht kam. Also verabschiedete ich mich hastig von Yoongi, welcher nach meinem Handgelenk greifen wollte, aber ich war schneller.
Die Schüler gingen durch das Klingeln nun selbst in ihre Klassenzimmer und es war für mich schwer, mich durch jeden durchzuquetschen, aber ich musste Taehyung einfach finden. Ich wollte mir nicht ausmalen, was er alles tun könnte und was nicht und noch weniger wollte ich diesen warmherzigen Jungen weinen sehen. Zwar konnte ich mit Tränen von anderen besser umgehen als er vermutlich, aber dennoch wusste ich, dass es mein Herz brechen würde.
Mit schnellen Schritten lief ich den Flur entlang und wollte fast schon die Hoffnung aufgeben, als ich ihn endlich antraf. Der Ältere lehnte an der Wand und starrte auf den Boden, schien nichts mehr von der Umgebung wahrzunehmen und war vermutlich mit seinen Gedanken völlig woanders. Das verunsicherte mich, weil mir jetzt erst der Gedanke kam, dass er mich womöglich gar nicht sehen wollte... oder überhaupt jemanden. Unsicher atmete ich durch und lief dann langsam auf den Jungen zu. Meine Hand streckte ich vorsichtig nach ihm aus und legte sie auf seinen Arm. Es war nicht einmal eine richtige Berührung, doch sie reichte aus, dass er zusammen schreckte und zu mir sah.
Doch an diese Reaktion hatte ich nie gedacht: Es ging alles blitzschnell, als Taehyung seinen Arm von meiner Hand entfernte und seine Hand so anhob, als wolle er mich schlagen. Mein Kopf registrierte das alles viel zu langsam, aber als ich verstand, was er vorhatte, zuckte ich verschreckt zurück und kniff meine Augen zusammen. Mein Herz schlug vor Angst und Panik verdammt schnell, aber ich rannte nicht davon, sondern wartete auf den schmerzhaften Schlag. Vielleicht brauchte das Taehyung. Vielleicht musste er seine Wut nur an jemanden auslassen und an der Person, die für seine Schmerzen verantwortlich war, war das doch am besten. Also blieb ich stehen und wartete ab.
,,Denkst du wirklich... ich würde dich schlagen?", hörte ich seine gebrechliche, tiefe Stimme und zaghaft öffnete ich ein Auge, als der Schlag nicht kam. Mit unendlich traurigen Augen musterte mich Taehyung und erst jetzt verstand ich, dass ich ihn wohl einfach nur erschreckt hatte und es ein Reflex seinerseits war. Seinen Arm senkte er wieder und leise seufzend wandte der Ältere seinen Kopf ab, als keine Antwort von mir kam. So wollte ich das nicht... er sollte sich nicht schlecht fühlen...
,,Tae... es tut mir-", fing ich bereits an, aber mit einer Handbewegung brachte mich der Ältere zum Schweigen und schüttelte leicht den Kopf. ,,Jungkook, schon gut. Es ist nicht deine Schuld, wie oft noch?" Dabei klang er wirklich kein Stück sauer, sondern viel mehr traurig und es brachte mein Herz schmerzhaft zum Stechen. So gerne würde ich ihn umarmen, aber meine Schüchternheit stand mir im Weg. Wie immer. Aber vielleicht brauchte das Taehyung. Vielleicht brauchte er gerade jemanden, der ihn einfach in den Arm nahm, auch wenn dieser das selbst niemals zugeben würde.
Und genau deshalb kam ich aus mir heraus, machte einen entschlossenen Schritt nach vorne und legte meine Arme um den Bauch des Älteren. Augenblicklich spannte sich dieser an, schien damit nicht gerechnet zu haben, doch genauso schnell entspannte er sich wieder und zu meinem Glück und meiner Erleichterung, ließ er es einfach zu. ,,Du solltest in den Unterricht", seufzte Taehyung leise, aber daran dachte ich erst gar nicht. Schlagartig erinnerte ich mich an die Worte von gestern, die er mir selbst gesagt hatte und drückte seinen warmen Körper mehr an meinen.
,,Nein, Taehyung. Ich lasse dich jetzt nicht alleine."
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𝐒𝐜𝐡𝐢𝐜𝐤𝐬𝐚𝐥𝐬𝐟𝐚𝐝𝐞𝐧 ✦ 𝖳𝖠𝖤𝖪𝖮𝖮𝖪
Fanfiction»Nichts kann jemals den unsichtbaren Faden zwischen zwei Menschen zerreissen, die dafür bestimmt sind, zusammen zu sein.« Das Schicksal des roten Fadens besagt, dass es ein Band zwischen zwei Personen gibt. Der Faden ist unsichtbar und unzerstörbar...