Taehyung
Sanft drückte ich die Hand von Jungkook, als wir vor dem Grab seiner Mutter standen. Stumme Tränen liefen über seine Wangen, während er beobachtete, wie ihr Sarg hinabgelassen wurde. Es war ihm anzusehen, dass er am liebsten von hier verschwinden würde, er wollte das Begraben ihrer Leiche nicht mitansehen und den Schmerz nicht verkraften müssen. Doch das musste er und das wussten wir beide. Würde er sie hier nicht loslassen, würde er ihr noch lange nachtrauern und sie überhaupt nicht loslassen können.
Nachdem der Pfarrer seine Rede beendet hatte, löste sich Jungkook vorsichtig von meiner Hand. Entschuldigend sah er zu mir, jedoch winkte ich ab und deutete ihm, dass er nach vorne gehen sollte. Das tat er nun auch, er griff nach den Blüten einer weißen Rose, die in einem kleinen Korb bereit standen. Aus seiner Hosentasche zog er eine weitere Blume, ein Vergissmeinnicht, dessen Bedeutung ihm wichtig an der Beerdigung war. Beides warf er in das Grab, direkt auf den dort liegenden Sarg und ich konnte wirklich nicht beschreiben, wie unsagbar stolz ich auf ihn war.
Seine Schritte waren fest und entschlossen, die Tränen auf seinen Wangen blendete er aus und sein Blick war fest auf das Grab vor ihm gerichtet. Er war mutig, wagte es, näher heranzugehen und seiner Mutter so die letzte Ehre aufzubringen. Es kostete ihn Kraft, viel Kraft und bewies eine unbeschreibliche Stärke, die in ihm wohnte. All die Zeit über hatte ich gewusst, dass er das konnte, ich hatte gewusst, dass er stark war.
Er hatte nur lernen müssen, an sich selbst zu glauben.
"Ich liebe dich, Eomma... du warst die beste Mutter, die man nur haben konnte und ich... ich hoffe einfach, dass du nun da oben auf mich aufpassen wirst. Du warst immer die Stärkste von uns allen und ich bin so stolz darauf, dein Sohn sein zu dürfen... ich danke dir so sehr, Eomma... ich werde niemals aufhören, dich zu lieben...", sagte er leise, mit schwacher Stimme. Jedoch war sie nicht mehr gebrochen. Er fing an, sich zu erholen, wenngleich es bisher nur kleine Schritte waren.
Langsam folgte ich ihm nun und nahm ebenfalls einige Blütenblätter, die ich - eines nach dem anderen - in das Grab fallen ließ. Jungkook richtete seinen tristen, trauernden Blick auf mich und musterte mich, beobachtete mich bei dieser Tat, weshalb ich ein kleines Lächeln aufsetzte. Es sollte ihn ermutigen und ihm zeigen, dass ich an seiner Seite war, dass ich ihn nicht allein lassen würde. Niemals wieder würde ich riskieren, ihn zu verlieren. Dafür war er mir zu wichtig geworden.
Vorsichtig streckte ich meine Hand aus und schaute ihn auffordernd an. Für einen Moment huschten seine Augen auf meine Hand, ehe er mich wieder ansah und kurz über sein Gesicht wisch, um die Tränen zu entfernen. Dann ergriff er meine Hand und ließ sich von mir wegführen, weg vom Grab, damit die anderen sich auch verabschieden konnten. Jeder der Anwesenden hatte sich Zeit genommen, ihr die letzte Ehre zu erweisen und hierher zu kommen, deswegen hatten sie alle das Recht, ebenso an das Grab zu treten.
Über Jungkooks Wangen fingen Tränen wieder an zu fließen, die Kraft, die er soeben aufgebracht hatte, war aufgebraucht und seine Schwäche kehrte zurück. Doch das war okay, er durfte weinen. Ich hatte ihm versprochen, seine starke Schulter zu sein, an die er sich lehnen durfte und darum war ich das nun auch. Vorsichtig zog ich ihn näher zu mir, schlang beschützend meine Arme um ihn und begann damit, ihn sanft hin und er zu wiegen. Das kaum hörbares Schluchzen des Jüngeren trat in mein Ohr, fest krallte er sich in meine Klamotten und ließ den Schmerz heraus, den er in sich trug. Währenddessen streichelte ich ihn, war einfach für ihn da und wartete geduldig darauf, dass er aufhörte zu weinen.
Es verging nicht allzu viel Zeit, bis die Sonne endlich ihren Weg gefunden hatte, den vielen Wolken zu entkommen und ihr Licht über uns erstrahlen zu lassen. Auch mich und Jungkook traf es, gab uns beiden die Wärme, die das kühle Wetter versucht hatte, uns zu nehmen. Dadurch verebten langsam Jungkooks Tränen und er drehte seinen Kopf in Richtung des heilenden Lichts, welches in einem beinahe perfekten Winkel auf uns geworfen wurde. Es schien so, als würde die Sonne nur für uns am Himmel stehen und leicht begann ich zu lächeln, bevor ich wieder meinen kleinen Jungkook ansah. Sanft legte ich meine Hände an seine Wangen und strich zärtlich die Tränen weg, platzierte noch einen Kuss auf seiner Nasenspitze und schaute ihn dann mit dem liebevollsten Blick an, den ich nur aufsetzen konnte.
"Ich bin mir sicher, sie strahlt für dich, Jungkook. Deine Mutter hat sicher versucht, dir so zu zeigen, dass es noch Licht in unserer Welt gibt. Und dass sie stolz auf dich ist, mein Kleiner."
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𝐒𝐜𝐡𝐢𝐜𝐤𝐬𝐚𝐥𝐬𝐟𝐚𝐝𝐞𝐧 ✦ 𝖳𝖠𝖤𝖪𝖮𝖮𝖪
Fanfiction»Nichts kann jemals den unsichtbaren Faden zwischen zwei Menschen zerreissen, die dafür bestimmt sind, zusammen zu sein.« Das Schicksal des roten Fadens besagt, dass es ein Band zwischen zwei Personen gibt. Der Faden ist unsichtbar und unzerstörbar...