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Taehyung

Eine Wolke nach der anderen zog vorüber, zog keine Spuren mit sich und hinterließ neuen Platz für das gleißende Licht der Sonne. Das Zählen der Himmelsschäfchen hatte ich längst aufgegeben, müde würde ich ohnehin nicht werden und so blieb ich einfach sitzen. Eingekuschelt in einer Decke auf der Fensterbank in meinem Zimmer, mit meinem Kopf an die Scheibe gelehnt. Mein Blick lag ganz draußen bei den Wolken, doch meine Gedanken waren weit entfernt, fast schon in einer anderen Dimension. Sie versuchten Ablenkung und Antworten zu finden; Antworten auf meine eigene Unfähigkeit. Immer und immer wieder stellte sich mir die gleiche Frage und immer wieder blieb ich an der gleichen Ahnungslosigkeit hängen.

Es schien keinen erdenklichen Grund für mich zu geben, wieso ich all das getan hatte.

Ich wusste nicht, wieso ich für Jungkook da gewesen war. Ich wusste nicht, warum ich ihm geholfen hatte. Ich wusste nicht, warum ich mich damals am Fluss zu ihm gesetzt hatte. Ich wusste nicht, wieso ich ihn mit zum Sprayen genommen hatte. Ich wusste nicht, wieso ich ihn mit zu mir genommen hatte. Ich wusste nicht, wieso ich ihm Yeontan vorgestellt hatte. Ich wusste nicht einmal, wieso ich ihm erlaubt hatte, hinter meine Fassade zu blicken.

In diesem Fall behielt Hoseok nämlich - so schwer es mir auch fiel, das zuzugeben - recht: Etwas an Jungkook war anders. Irgendetwas an diesem Jungen sorgte dafür, dass ich mich ihm gegenüber nicht wie bei allen anderen verhielt, sondern... anders. Verständnisvoller. Und liebevoller.

Vielleicht lag es ja an dieser merkwürdige Verbindung, die ich zu Jungkook spürte, vielleicht aber auch an etwas anderem. Aber was auch immer der Grund war, ich hasste ihn. Ich hasste ihn einfach abgrundtief. In mir, in meinem Herzen hatte sich ein Loch aufgetan und ich hatte das Gefühl, es würde mich einsaugen und verschlingen. Dieses Loch tötete mich innerlich und schon immer war es der Grund gewesen, wieso ich Menschen gegenüber so abneigend und gehässig war. Es zerstörte mich einfach... obwohl, nein. Es zerstörte die Liebe in mir.

Und Hoseok war der Einzige, der dieses Loch hatte schließen können. Er war immer der Einzige gewesen, der mich nicht aufgegeben hatte. Trotz meiner Anweisungen hatte er mich nicht aufgegeben, ja, er hatte für mich gekämpft. Er hatte nie einsehen wollen, dass ich ein Einzelgänger war. Für ihn war ich etwas Wertvolles, ein Schatz, eine Trophäe... etwas, das er nicht einfach so aufgab. Aber dennoch hatte er mich verlassen. Er hatte mich verlassen, obgleich ich ihn brauchte. Ihm war egal gewesen, welchen tiefen, in mir verankerten Schmerz er in mir damit verlassen hatte und wie sehr ich darunter litt. Nur er selbst wollte nicht länger verletzt werden.

Er hatte egoistisch gehandelt...

...nachdem ich selbst so egoistisch war und mich nicht mehr um unsere Beziehung gekümmert hatte.

Die Tränen auf meinen Wangen waren mittlerweile getrocknet, doch die Wut auf mich selbst und der Herzschmerz waren lange noch nicht abgeklungen. Ich wollte Hoseok zurück, ich wollte ihn wieder bei mir haben, ihn wieder lieben können. Er hatte mir so viel bedeutet... ihn einfach so verloren zu haben... fühlte sich einfach nicht richtig an.

Egal, wie taff und robust ich auf andere wirkte, in Wirklichkeit war ich derjenige, der Liebe brauchte. Liebe und jemanden, bei dem ich mich zurückziehen konnte.

Und nun hatte ich niemanden mehr.

Ein lautes Klingeln riss mich schlagartig aus den Gedanken und überrascht hob ich meinen Kopf. Yeontan fing an zu bellen und rannte sicherlich zur Haustür, ich hatte ihn zuvor aus meinem Zimmer ausgesperrt, auch wenn ich gewusst hatte, dass er spüren konnte, wie ich mich fühlte. Doch das war mir egal gewesen, da ich selbst vor meinem Hund Ruhe gebraucht hatte. Jetzt allerdings musste ich aufstehen und mich zur Tür begeben, denn ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits mittags war. Vermutlich war Jungkook, wie ich zu ihm gesagt hatte, tatsächlich gekommen, damit er mich ablenken konnte.

Er meinte es nur gut und ich schätzte das wirklich... aber trotzdem konnte ich nicht verhindern, irgendwie zu hoffen, dass vielleicht Hoseok vor meiner Tür stehen würde. Wer weiß, vielleicht hatte Jungkook mit ihm geredet und ihn davon überzeugt, dass ich ihn brauchte... obwohl das natürlich ziemlich unwahrscheinlich war.

Nichtsdestotrotz schleppte ich mich zur Tür und ignorierte Yeontan, der fröhlich mit seinem Schwanz wedelte und an meinem Bein hochsprang. Wir waren allein Zuhause, da meine Mutter arbeiten war; einen Vater hatte ich nicht. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass ich nicht besonders liebend in die Welt ging, denn von meiner Mutter hatte ich aufgrund der vielen Arbeit, die sie für unser Geld verrichten musste, nie viel Liebe erhalten. Aber ich war das gewöhnt. Dafür hatte ich ja zumindest Hoseok gehabt.

Und jetzt hoffte ich einfach, dass es Jungkook tatsächlich gelang, mich auf andere Gedanken zu bringen.

𝐒𝐜𝐡𝐢𝐜𝐤𝐬𝐚𝐥𝐬𝐟𝐚𝐝𝐞𝐧 ✦ 𝖳𝖠𝖤𝖪𝖮𝖮𝖪Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt