Kapitel 3

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Issy

Wir biegen links ab, ich höre wie Gabriel fast stolpert, ich drehe mich erschrocken um, und bin erleichtert als ich sehe, dass es nicht so ist. Daniel läuft vor mir und ich in der Mitte. Wir versuchen nicht zu laut zu sein, aber im Endeffekt können wir es nicht mehr hören, wie laut wir tatsächlich sind, es vermischt sich unser Keuchen mit Stöhnen. Nun wird mir der Sinn, von Schulturnen klar. Hätte ich nicht so oft geschwänzt. Ich weiß nicht wie lange ich schon laufe, aber mein Körper beschwert sich seit rund 200 Metern. Wo bleibt denn dieses Adrenalin? Jetzt wäre ein Super Zeitpunkt, es einzusetzen. So als kleinen Bonus. Ich laufe ja gerade um mein Leben. Ich sehe das bald wieder eine Abzweigung kommt. Wir biegen nach rechts ab. Ich sehe wie er aus meinem Blickfeld verschwindet, Daniel. Wie sein Oberkörper sich einfach nach vorne klappt. Ich schaue nach unten um zu wissen, was los ist, da falle ich auch schon. Direkt auf Daniel hinauf. Der sich gerade wieder aufrichten wollte, und jetzt mein volles Gewicht in den Rücken bekommt, sodass sein Gesicht mit voller Wucht zurück zu den Boden befördert wird. Das muss so weh getan haben, ich will mich aufrichten, aber dank Gabriel werde auch ich wieder hinunter gedrückt. Daniel und ich stöhnen gemeinsam auf. Obwohl Daniel eindeutig der Ärmere ist. Das Gewicht von zwei Leuten. Für Außenstehende und dieser Claire muss, das gerade sehr amüsant sein, nicht für uns. Es tut weh und wir hätten die andere Gruppe damit anlocken können. Gabriel scheint es nicht zu stören auf mir zu liegen. Ich drehe meinen Kopf auf die Seite, sodass ich ihn halbwegs ins Gesicht sehen kann. Mir fallen Haarsträhnen ins Gesicht – trotz des vielversprechenden- Zopfes, den ich mir gemacht hatte. Ich puste sie weg. Gabriel zeigt keine Regung, dass ich schon Angst bekomme, ihm sei etwas passiert. Ich stehe auf und schaue auf die beiden hinab. Ich weiche einige Schritte zurück, was mich erneut zum Stolpern bringt. Ich lande mit meinem Po auf dem harten Boden, eine Verbesserung zum ersten Sturz, aber ich kann auf ein drittes Mal eindeutig verzichten. Dann sehe ich worüber wir gestolpert sind. Daniel, Gabriel und ich sind alle über einen verdammten Körper gestolpert und ich jetzt über den Arm des Mannes. Ich schlage die Hand vor den Mund. Mir schießen die Tränen in die Augen. Wir sind über einen toten Menschen gestolpert. Ich drehe den Mann auf den Rücken, um sicher zu gehen, dass er nicht mehr lebt. Er lebt definitiv nicht mehr, ein breiter Schnitt ziert seine Halsschlagader. Ich verstehe es nicht. Sollte ich jetzt nicht verrückt herum schreien? Wie kann das sein, dass ich halbwegs die Fassung bewahre. Nun merke ich wie kalt und herzlos ich bin. Natürlich ist es schrecklich und ich bin auch geschockt. Dennoch, empfinde ich etwas so seltsames. Neid. Dieser arme Mann, muss sich nicht mehr sorgen. Er hat diesen so gefürchteten Tod hinter sich. Natürlich will ich leben, vor allem um Jamie zu helfen, aber es wäre so viel einfacher schon tot zu sein. Ich erinnere mich an mein Versprechen, solange ich lebe, zu kämpfen. Solange mein Herz noch schlägt, werde ich alles dafür tun, dass Jamie diesem Mann nicht in den Tod folgt. Ich bemerke, wie Daniel mit Gabriel diskutiert. Ich hatte mich doch überschätzt, meine Tränen fließen wieder. Dieser arme Mann konnte nichts dafür, von so einer Psychopatin gefangen genommen worden zu sein. Ich werde dieses Miststück umbringen. Aber Jamie´ s Leben hat Vorrang. Ich nehme die nächstbeste Tür und betrete ein älteres Schlafzimmer. Ich werde jetzt schlafen gehen. Mich ausruhen, morgen werden wir weiter sehen. Die Jungs treffen auch ein. Ich schau in das Badezimmer. Wo ich bei meinem Anblick erschrecke. Ich schau aus, als wäre ich aus dem Sumpf entflohen. Ich bete zu Gott, dass das Wasser nicht abgestellt worden ist. Tatsächlich es rinnt, sauberes Wasser sogar Warmwasser. Ich befeuchte ein Handtuch und wische mir mein komplett verronnenes Make-up weg. Dann merke ich den Blutfleck auf meinem T-Shirt. Ich streife das T-Shirt ab und halte es so unter das Wasser, das nicht das ganze T-Shirt nass wird. Dann rubble ich mit beiden Handflächen die blutige Stelle halbwegs sauber. Nach dem Auswringen, öffne ich meinen ohnehin schon kaputten Zopf und versuche meine Haare mit Hilfe meiner Finger zu entknoten. Während ich mir gerade versuche einen neuen Zopf zu machen, stürmt Daniel hinein. Ich bekomme einen riesigen Schrecken, und mir entwischt ein kleiner Aufschrei. Der sich dann in ein Lachen verwandelt. Ich hatte angenommen, das die andere Gruppe hier ist. Daniel wird rot und dreht sich rasant um. Ich streife mir wieder das feuchte T-Shirt über und sage ihm er könne wieder schauen. Ihm ist es peinlicher als mir, mich im BH gesehen zu haben. Ich gehe an ihm vorbei, zu dem Bett. Gabriel hat es sich schon bequem gemacht. Ich nehme ihm eine Decke weg und hole aus dem Schrank so ein Zusatzkissen. Dann mache ich es mir  auf dem Boden gemütlich. Als Daniel zurück ins Zimmer kommt ist er darüber empört.
>> Wieso solltest du auf dem Boden schlafen? << fragt er leicht genervt.
>> Weil ihr beide euch kennt und es für euch sicher angenehmer ist. <<
>> Sie hat Angst mit uns in einem Bett zu schlafen. << unterbricht Gabriel lachend. Er trifft damit vollkommen ins Schwarze. Das lasse ich mir aber nicht anmerken.
>> Du glaubst das wir drei in dem Bett Platz haben? << entgegne ich zweifelnd. Er macht eine Geste das ich ins Bett kommen soll. Ich seufze und ziehe die Decke hinter mir nach. Das letzte was ich machen werde, ist dieses selbstgerechte Arschloch gewinnen lassen. Ich werde es schon überleben. Es gibt schlimmeres zum Beispiel sterben. Ich hocke mich aufs andere Ende, damit mich nur einer von den beiden bedrängen kann. Daniel scheint nicht gerade davon begeistert zu sein, die Mitte zu haben. Was mir recht egal ist. Die beiden teilen sich wenigstens die Decke. Da wäre nämlich eindeutig meine Grenze gewesen. Wir schlafen, besser gesagt ich schlafe trotz der unangenehmen Situation recht schnell ein.

Es ist ein traumloser Schlaf der sehr kurz ist.

Ich spüre eine Bewegung, ein leichtes Ziehen über meinen Haaren. Ich öffne mein linkes Auge und sehe wie Daniel mit einer Haarsträhne von mir spielt. Denkt er wirklich das man davon nicht wach wird? Das ist ja nur in Filmen so, dass die Jungen mit einer Haarsträhne spielen, nur ist es nicht einmal mein Junge.
>> Gibt es irgendeinen besonderen Grund, für das was du machst? << räuspere ich mich. Er schreckt hoch, überrascht über meinem wachen Zustand. Ihm steht die Peinlichkeit ins Gesicht geschrieben. Ich wende mich ab und stehe auf. Gabriel dreht sich verschlafen zu uns um und fragt, was denn passiert sei. Daniel ist, dass so extrem peinlich. Muss ich das vor seinem Freund erwähnen? Nein.
>> Ich bin fast aus dem Bett im Schlaf gefallen und habe Daniel so aufgeweckt. << erkläre ich, dem ahnungslosen Gabriel. Daniel ist beruhigter. Ich muss das noch mit ihm klären. Ich bin hier nicht beim Bachelor, ich will überleben und nicht meinen Traummann finden. Ich schleiche müde ins Badezimmer und erstaunlicherweise folgt mir Daniel. Ich ziehe die Augenbrauen hoch als er die Tür hinter uns schließt. Was soll das werden?

>> Danke, das du dicht gehalten hast, er würde mich damit ewig aufziehen. << ja ich bin sehr sozial.
>> Bitte, aber lass es in Zukunft sein. << entgegne ich
>> Es ist extrem peinlich schon klar, ich kann es dir auch nicht wirklich erklären, wie ich auf eine so behämmerte Idee gekommen bin. <<
>> Jeder hat Hobbys, wenn es dir Spaß macht dich zu blamieren, nur zu.  << ich bin etwas zu unhöflich. Dennoch hat so etwas keinen Platz hier. Niemals! Wir müssen über unser Überleben kämpfen. Es macht es nur schlimmer, wenn ich es zulassen würde mich in diesen Typen zu verlieben. Ich lasse es am besten nicht zu. Er kommt auf einmal sehr nah. Ich strecke die Hand abrupt aus.
>> Hey, ich hab einen Freund! << es ist eine Lüge. Natürlich, aber er glaubt es. Er wirkt niedergeschmettert. Wir kennen uns seit, fast einem Tag, er kann sich doch nicht verliebt haben? In mich? Dabei verdränge ich die Verbindung zwischen uns, die ich seit der ersten Begegnung verspüre.

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