Kapitel 31

3.7K 230 1
                                    

Issy

Wie kann ich mir sicher sein, dass was mir Manuel gezeigt hat, wahr ist? Überhaupt nicht, aber ich habe das nagende Gefühl, dass es stimmt. Das ich ganz innen drinnen eine Psychopatin bin, nur wieso merke ich es jetzt nicht? Jetzt bin ich doch normal. Sollte ich nicht froh sein? Keine Stimmen wie in meiner Vergangenheit, keine Taten die unmenschlich sind. Doch eines bleibt für immer, ich trage die Schuld an dem Tod meines Bruders. Kann ich das denn einfach so hinnehmen? Muss ich ja in gewisser Weise, was soll ich sonst machen? Versuchen, diese sogenannte Mauer, niederzureißen, damit ich wieder verrückt werde? Sicherlich nicht. Ich werde einfach damit leben, dass ich eine dunkle Vergangenheit habe. Manu steht plötzlich vor mir. Er will mir etwas neues zeigen.

>> Guten Tag! << ich zucke auf. Drehe mich um, ich krame mein Geld heraus und gebe es dem Kassierer. Er nimmt es an und ich schnappe mir die Kaugummis und einen Schokoriegel. Blicke verstört auf, als jemand meinen Namen ruft.
>> Issabell Kandrick, bleib mal stehen. << Ich tue wie er es sagt. Blicke in seine dunklen Augen.
>> Ich wollte dich fragen ob du mit mir ausgehen willst. << fragt er selbstbewusst, seine Freunde im Hintergrund lauschen genau. Ich lache los, ohne Halt und ohne Ende. Er schaut mich verstört an.
>> Ist das nicht echt tief, für dich? Ich meine du musst mich, die Verrückte um ein Date fragen?  Wenn das eine Wette sein soll, hast du sie verloren. Sorry. << quetsche ich noch immer lachend hervor. Er packt mich grob am Arm. Ich kaue gerade den neuen Kaugummi. Sein Blick ist ernst.
>> Was ist? << frage ich.
>> Du bist unhöflich zu mir. <<
>> Ich bin verrückt. Kann man da Höflichkeit erwarten? << strahle ich ihn an.
>> Ich glaube dir nicht dass du verrückt bist, du tust nur so, ich kann mir nicht vorstellen weshalb, aber ich bin mir ziemlich sicher. << Wow.
>> Wow. Kannst du das mal in eine Kamera sagen? Aber mal ernsthaft Schizophrenie kennst du oder etwa nicht? << frage ich beunruhigt.
>> Verkauf mich nicht für blöd! Du redest ja normal mit mir! Wieso solltest du verrückt sein? <<

>Trete ihn. Verprügle ihn! < brüllen die Stimmen im Chor. Ich gebe nach.
>> Deswegen! << sage ich leise und gebe ihm einen heftigen Tritt zwischen die Beine, er krümmt sich vor Schmerzen. Ich schlendere gelassen davon, während ich meinen Schokoriegel gemütlich esse. Er schimpft mich und nennt mich Hure. Soll er doch! Es gab eine Zeit da machten mir die Stimmen regelrecht Angst, aber mit der Zeit lernst du mit ihnen umzugehen. Man beginnt sogar, sie zu schätzen, man ist niemals einsam und fühlt sich nicht allein gelassen, da sind immer die Stimmen im Hintergrund. Vielleicht ist es einfach ein Grund für Schizophrene etwas positives in ihrer Misslichen Lage herauszufischen. Oft habe ich mich gefragt, weshalb diese Stimmen angefangen haben mich zu quälen, weshalb sie genau mich ausgesucht haben. Eine mögliche Antwort wäre, weil ich schwach bin, dass kann es aber nicht sein, denn viele wären schon daran zerbrochen wo ich wieder aufgestanden bin. Nun ja. Man kann sie halt die Verrücktheit nicht zusammen mit einem neuen Videospiel unter dem Weihnachtsbaum wünschen, so einfach ist es. Und wird es auch immer bleiben.

 

Ein paarmal blinzle ich. Um diese widerliche Vision, oder was es sein mag zu verdrängen, aber auch weil mir der schon sehr dunkle Raum, plötzlich sehr hell vorkommt. Ich bin nicht verrückt. Ich habe keine Menschen umgebracht. Ich bin ein normaler Mensch. Ich bin normal und werde es auch immer bleiben. Es ist unvorstellbar. Ich bekomme eine Vergangenheit vorgespielt die ich nicht einmal annähernd so in Erinnerung habe, von meinem toten Bruder! Ich meine Hallo? Wenn ich damals nicht verrückt war, dann doch spätestens jetzt? Ich fühle mich so, wie jemand der einen Autounfall hat und Passagen aus seinem Leben vergessen hat und sie dann von Menschen gesagt bekommt. Man kann es nicht glauben, aber irgendwie hat man im Hinterkopf drinnen, es könnte wahr sein. Nur das Problem ist, mir zeigt nicht irgendein willkürlicher Mensch meine Vergangenheit sondern mein Bruder, der eigentlich ein paar Meter unter der Erde liegen sollte. Er verschwindet und kommt wie er will. Das ist nur ein weiteres Anzeichen dafür, dass ich durchdrehe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht verrückt bin, und es auch nie war. Ich wurde misshandelt und geschlagen und habe Manuel „Zu Recht“ gestoßen, insofern man eine Person zu recht stoßen kann. Ich taste mit meiner Hand auf meinen Rücken, fahre die einzelnen narben nach die ich erreichen kann, was mag jene Nacht passiert sein? Wenn es nicht Manuel war, wer dann? Ich selbst oder wollte mir jemand eines auswischen, vielleicht dieser Junge aus der vorherigen Vision. Kann das denn sein? Ich habe keine Ahnung, ich äußere die Frage lieber nicht vielleicht kommt dann Manuel und will es mir zeigen. Er kann mir zeigen was er will, aber ich habe beschlossen ihm kein Wort, oder Bild zu glauben, was er mir zeigt. Es ist unmöglich, dass ich irre bin, ein verrückter Mensch kann sich doch nicht selbst heilen, indem er eine „Mauer“ aufzieht? Das ist doch vollkommener Blödsinn! Ich werde hier rauskommen und Daniel finden, das Erste was ich machen werde, ist ihm meine trockenen Lippen auf seinen Mund pressen, ob er will oder nicht. Da muss er durch. Ich muss lächeln bei den Gedanken an ihn, wie er mich das erste Mal geküsst hat und sein intensiver Blick. Zum dahinschmelzen. Wieso denke ich nicht öfters an ihn? Es würde so viel, und so schnell einiges erträglicher machen. Ich schließe meine Augen mit zwei Versprechungen.
1. So oft es geht an Daniel zu denken.
2. Ihm zeigen, dass ich lebe und ich habe auch schon eine Idee wie.

Stockwerk 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt