Kapitel 21

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Issy

Ich bin umhüllt von einer Dunkelheit, die mir den Verstand raubt. Jede Sekunde, in der ich nicht einmal meine Hand vor meinen Augen sehen kann, nimmt mir etwas von mir selbst. Zwar nur ein kleines bisschen, aber mit der Zeit summiert es sich und ich werde bald verrückt. Dann kann ich mich zu den Typen im fünften Stock gesellen. Irgendwann habe ich mal in einem Film gehört, dass Leute die denken sie seien verrückt, es nicht sind. Denn Verrückte denken sie seien normal. Soll ich nun, viel auf dieses in einer Schnulze vorkommende Zitat legen? Es wäre wirklich für mich das beste wenn ich nicht durchdrehe. Aber es geschieht! Ich höre fast nichts. Manchmal ein Knacken oder Knirschen in den Wänden. Diese Geräusche durchbrechen nicht nur eine endloswirkende Wand aus Stille, sie fordern auch meine Nerven. Niemals hätte ich gemerkt wie sehr ich zittere, wenn ich meine Hände nicht aneinander gepresst hätte. Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Mir ist nicht kalt. Im Gegenteil mir steigt die Hitze ins Gesicht. Ich spüre wie mir ein Schweißtropfen den Nacken hinunter rinnt. Ich erschaudere bei dem Gefühl. Meine Wangen glühen und meine Hände fühlen sich so heiß an, dass ich befürchte ich könne mich an ihnen verbrennen. Mein ganzer Körper kribbelt. Ich kratze mich, doch es macht es nur schlimmer. Ich habe Angstzustände. Bei der kleinsten Bewegung oder dem leisesten Geräusch zuckt mein Körper zusammen. Ich bin nicht für solche Situationen geschaffen. Dann passiert auch noch gerade, das, was ich eigentlich so gut wie, vermeiden wollte. Meine Panikattacke. Ich erinnere mich nur ungern an die Angst und den Luftmangel, kurz nachdem wir feststellten, dass wir eingesperrt sind. Das kann ich jetzt nicht brauchen. Doch es ist zu spät. Mein Brustkorb, fühlt sich mit jedem Atemzug eingezwängter an. Ich habe nicht genug Platz. Meine Atmung wird schneller und schneller, ich nehme somit auch immer weniger Sauerstoff zu mir. Bald wandelt sich mein Atmen in ein tierähnliches Hecheln. Ich liege schon halb auf den Boden. Viel Bewegung kann ich mir aus zwei Gründen nicht leisten. Erstens verbraucht es Sauerstoff, den ich im Moment schon nachsehne. Nur ein kräftiger und intensiver Atemzug, und es würde mir schon besser gehen. Das kann ich aber nicht. Zweitens liegt mit jeder Bewegung das Gewicht der Metallkette auf meinem Handgelenk. Ich habe das Gefühl, dass es bald nachgibt und in sich zusammenbricht. Meine Füße kann ich bewegen, doch da spielt mir meine alte Wunde, die ich schon ganz vergessen hatte einen Streich. Sie juckt und ich kann nicht kratzen, denn es macht es nur schlimmer. Ich bilde mir ein, dass ein Jucken gut ist, das es bedeutet, dass die Wunde verheilt. Sonst könnte ich das alles hier nicht annähernd aushalten. Es muss einen winzigen und schwachen Lichtblick, in dieser Gefangenschaft geben.
>> Es muss! << brülle ich in den seelenlosen Raum. Ich schrecke zu gleich, wie laut meine Worte sind. Dann überkommt mich so urplötzlich die Übelkeit. Ich richte mich langsam und bedacht auf, wo ist die Toilette? Ich taste vorsichtig mit meiner nicht angeketteten Hand mein Umfeld ab. Bis ich endlich das erlösende kalte Keramik ertaste. Ich taste weiter und kann den Deckel öffnen. Dann bricht es aus mir aus. Ich kann irgendwann aufhören. Was bleibt ist der Geschmack nach Kotze. Ich kann ihn nicht wegbekommen. Wo sollte ich Wasser herbekommen? Allein der bittere Nachgeschmack, könnte mich erneut zu einem Übergeben zwingen. Letztendlich, kommt mein verstörtes Bewusstsein auf die niederschmetternde Einsicht. Ich bin verrückt.  Alles wird vorbei gehen. Es wird der Moment kommen, da werde ich von den Qualen erlöst. Da ich schon Erfahrung habe, dass ich selber zu dumm bin, mich umzubringen. Wird es wohl tatsächlich, Katrin sein. Soll sie doch. Was lohnt es sich noch zu leben? Was hält mich noch hier? Gar nichts. Ich bin verwirrt. War da nicht etwas für das ich sterben würde? Ich verliere den Verstand! Ich kann mich nicht erinnern. Ich kann nicht. Was passiert nur mit mir? Wieso kann sich mein Gehirn solche extrem wichtigen Sachen nicht merken? Die Tür geht mit einem Ruck auf. Ich presse meinen Rücken an die Wand. Meine Augen brennen, das Licht wirkt tausendmal so stark als es in Wirklichkeit sein kann. Der Mann, namens Chris, kommt auf mich zu und geht vor mir in die Hocke. Ich spüre auf meinem ganzen Körper das hastige Pumpen meines Herzens. Er packt mein Kinn, eine Geste die er zu mögen scheint.
>> Du siehst schrecklich aus. Geh Duschen! Ich mache dir die Kette ab, wenn du irgendetwas aufführst, muss ich dir das nächste Mal beim Duschen helfen! Hast du mich verstanden, Sonnenschein? <<
>> Ja. << krächze ich. Er nimmt mir die Metallkette von meinem Handgelenk. Es pocht, es brennt und juckt. Alles zusammen. Dann geht er. Ich drehe das Wasser auf. Ziehe langsam meine Sachen aus und lege sie so hin, dass ich mich schnell wieder anziehen kann. Ich setzte mich in die rostige Badewanne und lasse das kühle Wasser auf meine Haut prasseln. Es hat nicht nur eine beruhigende Wirkung auf meine Haut, es kühlt mich auch ab. Vorsichtig schöpfe ich mit der Hand Wasser über mein Handgelenk es tut weh! Dann begutachte ich meine Wunde. Es hat sich eine Kruste gebildet. Es heilt wirklich. Ich verspüre auch kein Jucken mehr. Dann spüle ich mir den Mund aus. Solange bis kein bisschen des widerlichen Nachgeschmackes bleibt. Danach trinke ich so viel ich kann. Das eiskalte Wasser füllt meinen hungrigen Magen. JAMIE! DANIEL! Wie konnte mir ihre Namen entgehen? Wie ist das möglich? Ich liebe sie beide über alles. Wie kann das nur passieren. Ich habe keine Erklärung. Ich trockne mich ab und ziehe mir die Sachen an. Dann gehe ich zu der Tür und verharre dort. Er wird… Nein. Ich habe es verdrängt er wird den Wunsch von Katrin erfüllen. Er wird mich anfassen, gegen meinen Willen. Ich weiche einen Schritt zurück. Er wird mir etwas antun! Was mache ich denn? Ohne auch nur im geringsten Nachzudenken, öffne ich die Tür langsam. Er blickt auf und lächelt. DU bist selbst schuld! Wieso gehst du auch hinein? Der wahre Beweis, dass ich verrückt werde. Ich kaue auf meiner Lippe herum. Er hat eine Dosensuppe warm gemacht. Er zeigt auf den Stuhl. Zögernd und langsam setzte ich mich hin. Ich muss den Raum genau betrachten! Es gibt unzählige Bildschirme die noch mehr Bilder von den Fluren und Zimmer zeigen. Ich starre auf die Suppe. Chris, ich nenne ihn jetzt einfach ohne Zögern so. Chris sitzt mir gegenüber und löffelt seine Suppe bereits leer. Er schaut mir direkt in die Augen.
>> Hör zu du solltest was essen, wenn du nicht total durchdrehen willst. << Ist das ein Witz? Ich drehe doch schon vollkommen durch. Dennoch beginne ich zu löffeln. Meine Beine presse ich gegeneinander. Ich fühle mich so sicherer. Als er fertig ist steht er auf und zucke geschockt zurück.
>> Du denkst ich fasse dich an? Nein, vergiss es. Ich hebe mich für Katrin auf. Um ehrlich zu sein, verstehe ich ihren Hass gegen dich nicht. Aber wenn ich durch das hier, Katrin näher komme ist es das wert. Du wirst merken, dass ich bei ihrer Anwesenheit anders mit dir umgehen werde. << Chris ist ok. Er wird mich nicht anfassen. Doch ich merke, dass er lügt. Naja, er wird mich nicht anfassen, aber seine Begründung ist Schwachsinn. Er verbirgt etwas. Ich bin erleichtert. Meine Hand zittert, wenn ich meine Suppe auslöffle, es geht immer einiges zurück in den Suppenteller. Mir macht es nichts aus, je länger ich fürs Essen brauche umso länger kann ich der Dunkelheit entfliehen. In der Dunkelheit, vergesse ich mich selbst. Und das schlimmste daran ist, ich vergesse, wen ich liebe.

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