Kapitel 22

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Daniel

Ich schneide Gabriels Fesseln durch und schnappe mir meinen Rucksack, der achtlos neben die Tür geworfen wurde. Ich reiche Gabriel seinen. Wir sind startklar. Nur wann? Können wir sicher sein, dass wenn wir jetzt, hinausstürmen uns kein wütender Mob erwartet? Die Chance ist Fifty-Fifty. Wir haben schon so viel riskiert, da kommt es auf das nicht mehr an. Ich öffne ganz vorsichtig die Tür, niemand zu sehen. Wir gehen hinaus und ich schließe die Tür, man soll ja nicht gleich Verdacht schöpfen, sobald wir ein paar Meter entfernt sind, laufen wir los. Die Tür ist zu unserem Glück nicht verschlossen. Gabriel und ich hasten den ersten Halbstock hinauf, so dass man uns vom den sechsten Stock nicht sehen kann und vom siebten auch nicht. Hoffentlich schafft er es und er kommt. Sonst wird es echt kompliziert mit dem Finden und Suchen. Mein Zeitgefühl habe ich zusammen mit meiner Freiheit hier beim Eingang, wahrscheinlich aber eher dem Hintereingang abgegeben. Ich habe nicht nur keine Ahnung wie spät es sein könnte, ich weiß nicht einmal ob es Tag oder Nacht ist? Wie denn auch? Wenn alle Fenster, verbarrikadiert sind, verdunkelt, dass wir ja kein Tageslicht zu Gesicht bekommen. Ob wir in eine Art Halbschlaf gefallen sind? Ich schätze nicht, dennoch reißt uns das Geräusch von Schritten aus unserer Starre. Sie kommen von oben! Während ich noch versuche die Situation zu verstehen, steigt Gabriel schon den Treppen ohne einen Mucks hinunter. Wir sind guter Dinge, dass sie uns nicht gehört haben. Nur sie gehen weiter? Also gehen wir auch weiter, noch ein Stock tiefer. Gerade wollte ich einen Fuß auf die Treppe setzten, die in den dritten Stock führt da ertönt ein Grölen unter uns! Ist das euer Ernst? Es kommt jemand von oben und von unten! Wie sollen wir hier nur lebend hinauskommen? Der vierte Stock! Das Leichen Stockwerk. Wir müssen hinein, wenn wir nicht geschnappt werden wollen. Wir öffnen die Tür leise und schließen sie genauso. Wie beim letzten Mal, verschlägt es uns die Sprache. Der Geruch ist nicht einmal ansatzweise, so wie ich es in Erinnerung hatte. Es riecht nach Verwesung und Blut und Kotze. Ich dachte unser Samariter, räumt die Leichen weg? Sie kommen! Was machen wir den jetzt? Da kommt mir die widerlichste Idee, in der Geschichte aller Ideen! Fragt mich nicht woher ich die Idee habe, aber sie könnte uns helfen. Ich werfe meinen Rucksack in die Ecke. Augen zu und durch ich knöpfe mir zwei Leichen vor. Ich lege mich zwischen sie dann ziehe ich die rechte, eine Frau auf meinen Körper. Es ist abstoßend. Widerlich. Aber ich mache weiter. Dann folgt die linke Leiche, ebenfalls eine Frau. Sie hat die Ehre meine linke Körperhälfte zu bedecken. Ich drehe meinen Kopf zur Seite. Die Tür geht auf. Die Luft ist nicht nur, nicht vorhanden sondern auch toxisch. Jedenfalls fühlt es sich so an. Wie einhundert Bienenstiche in der Lunge. Ich höre Schritte. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob es sich um eine Person oder um zwei handelt, aber es spielt keine Rolle. Nach einer Ewigkeit, muss ich Luft holen. Vorsichtig, daran bedacht, keine zu starken Brusthebungen, zu machen, atme ich Stück für Stück ein. Dann endlich dreht die Person um, und geht! Das knallen der Tür, hallt in meinen Ohren nach. Ich wage es nicht mich zu bewegen, aber ich bin nicht gerade scharf darauf, mit Leichen länger als notwendig zu kuscheln. Gerne verzichte ich. Ich schiebe die beiden Frauen weg. Weg von mir. Dann knie ich mich hin und verzweifle für einen winzigen Moment. Was heißt winzig? Es brennen mir alle Sicherungen durch. Jede einzelne. Das Blut klebt auf meiner Kleidung. Ich blicke verstört auf sie hinab. Musste das sein? Wieso ist mir kein besserer Weg eingefallen, als mich mit geschändeten Leichen zu bedecken. Ein Keuchen hinter mir. Ich zucke zurück. Gabriel, er hat es mir gleich gemacht. Er kommt nicht mehr auf. Ein toter Mann mit mindestens 100 Kilogramm liegt ihm auf der Brust. Ich ziehe an dem Arm und kann Gabriel befreien. Das war so verdammt knapp, man sieht auch Gabriel den Schock an. Ich ziehe ihn zu mir und umarme ihn. Er beginnt zu schluchzen und ich steige mit ein. Der Druck und die Angst, jeden Moment das Zeitliche zu segnen, lässt einen nicht nur paranoid werden, sondern auch gestört. Hoffentlich hatte das Katrin alles bezweckt. Es ist mir noch immer ein Rätsel wie sie es geschafft hat, so viele Menschen, zu betäuben, zu kidnappen und hier einzuschmuggeln. Entweder es ist wahres „Können“ oder sie hat dafür hoch gezahlt. Bestechen, würde ihr typisch sehen, ob sie es in Kauf nimmt, dass jemand plaudert? Nein. Ob der Samariter bezahlt wird? Nein er handelt aus Angst. Er ist ihr treu gegenüber, da er bemerkt zu welch Gräueltaten Katrin fähig ist. Zu einigen und menschenentwürdigen, wie ich bei meinem eigenem Leib erfahren habe. Nicht nur ich. Viele Menschen teilen mein Schicksal. Einige wurden bereits erlöst, und mit erlöst verbinde ich den Tod. Wäre Issy nicht, wäre ich mehr als dankbar gewesen, wenn mich jemand umbringt. Aber ich habe sie getroffen, mich in sie verliebt und ihr versprochen hier mit ihrem Bruder zu entkommen. Weiters wird Katrin büßen. Dafür musste ich nicht einmal ein Versprechen abgeben. Das ist mein Wunsch, es ist mein Verlangen sie erbarmungslos zu töten. Ihr die Kehle durchzuschneiden. Ich sehe es vor mir, sie wird sich geschockt umdrehen. Sie wird mich erkennen und realisieren, dass es ihr Ende sein wird. Dann wird sie so tun, als gehörten wir in dasselbe Team. Ich werde sie zu Boden werfen und meine Tritte werden im ganzen Hotel nachhallen. Mit jedem Mal Ausholen, kommt der donnernde Aufprall meiner Schuhe auf ihren Körper zu und wird ihn erschüttern. Sie wird sich vor Schmerzen krümmen, sie wird flehen, dass ich endlich den letzten Schritt einleite. Den Tod. Darauf kann sie jedoch lange warten. Denn mir wird bewusst, dass es schlimmere Sachen gibt als den Tod. Sie kann sich die teuflische Seele aus ihrem verdammten Körper schreien. Sie kann weinen. Ich habe kein Erbarmen, werde ich ihr ins Ohr flüstern, dass müsse sie doch am besten verstehen. Die Einsicht begleitet von diesen Worten, werden ihr zu denken geben. Einen letzten Tritt werde ich mir vielleicht noch gönnen, bevor ich sie ankette und die Polizei rufe. Es war Notwehr, werde ich der Polizei sagen. Ich hätte keine andere Wahl gehabt. Das ist mein Plan und ich würde alles tun, damit es sich genau so abspielt. Wenn ich den Plan, Katrin zu vernichten, in genau diesen Schritten abhaken kann, ist es nicht nur eine Genugtuung, weiters ist es Gerechtigkeit, für die unschuldigen Menschen, die hier ihr Leben lassen mussten und es noch werden.

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