Kapitel 4

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Daniel

Sie lügt! Sie muss mich gerade anlügen. Das kann doch nicht ihr Ernst sein? Habe ich mir das Alles wirklich eingebildet? Wie falsch kann ein Mensch mit Gefühlen liegen?  Verdammt falsch. Ich habe mich bereits mehrmals blamiert heute. Ich werde sie einfach nicht mehr so beachten wie zuvor. Das einzige was jetzt von Bedeutung ist, unser Leben zu retten. Ich blicke auf sie hinab. Sie ist unentschlossen. Ich seufze und drehe mich um. Im Gehen fahre ich mir durch meine Haare. Auf andere Gedanken kommen, Daniel, bekomm das Mädchen aus den Kopf und rette uns. Ich schnappe mir den Rucksack, den wir gestern achtlos auf den Boden geworfen haben. Gabriel folgt mir sofort, als ich das Zimmer verlasse.
>> Kann man noch beschissener Dreinschauen, als du gerade? << fragt er.
>> Schon, aber du hast anscheinend noch nicht in den Spiegel geschaut. << stelle ich fest.
>> Der war, echt flach, Daniel. Wirklich. Ist es wegen dem Mädchen, wie hieß sie noch mal? Issy? << Natürlich ist es deswegen Gabriel, er wurde wirklich ohne Taktgefühl geboren.
>> Was denkst du denn? << frage ich zurück. Ich kann mir ein Augenverdrehen nicht verkneifen. Er macht es mir nach.
>> Ist ok, Alter. Spielt die nicht in einem komplett anderem Level? <<
>> Was soll das denn bitte bedeuten? << erkundige ich mich entsetzt.
>> Ja keine Ahnung sie schaut mir so aus, als würde ihre Eltern Regenbögen scheißen. <<
Ich mag ihn wirklich, es ist ein treuer Freund, aber seine Wortwahl ist zum Kotzen. Sie ist geschmackslos. Ich gebe ihn einen Klapps auf den Hinterkopf. Ich muss ihm die Angewohnheit echt abgewöhnen.
>> Ich weiß nicht ob sie reich oder so ist. Woher soll ich, dass denn wissen? <<
>> Weiß ich doch auch nicht, wie ein armer Schlucker schaut sie, aber nicht aus. <<
>> Weil ich kein armer Schlucker bin! Du Idiot. Was ist so schlimm, wenn man reiche Eltern hat, die einem für jede Tätigkeit einen Diener zustellen? Und dich ins Internat stecken, wo du automatisch immer Einser schreibst, weil die Eltern doch so viel in die Schule investieren. << entgegnet Issy leicht aggressiv, ihre Stimme hallt hinter uns. Sie ist auf einmal da gewesen. Hoffentlich hat sie nicht alles gehört. Gabriel wirft mir einen Blick zu > Siehst du? Habe ich doch gesagt, Reiche Zicke <. Begriffsstutzigkeit ist neu bei ihm.
>> Gabriel, sie verarscht uns! << Seine Lippen bilden ein O. Issy lacht. Ein liebes Lachen. Nein, Daniel! Nicht an ihr liebes Lachen denken! Ich will ihr schon einen bösen Blick zuwerfen, damit sie still ist, aber sie verstummt von alleine. So plötzlich das ich mich umdrehe und fragen will, was los ist. Gabriel kommt mir zuvor und beginnt zu reden. Issy läuft zu ihm hin und hält ihm den Mund zu. Mit der anderen legt sie ihren Zeigefinger auf ihre Lippen. Wir sollten still sein. Wieso? Dann hören wir beide es auch. Schreie! Aber kein Gebrülle sondern Schmerzensschreie vermischt mit Flehen und Bitten. Ich und Gabriel starren uns beide an. Hier sind irgendwo Leute die gerade abschlachten. Sie haben ihre Menschlichkeit abgestellt. Das ist ein schlechtes Zeichen. Die Schreie kommen näher. Issy packt gerade die Messer aus. Sie nimmt sich selber zwei. Und lässt den Rucksack liegen, damit wir uns welche nehmen müssen. Sie läuft los, einfach weg von uns. Gabriel nimmt sich schnell ein Messer ich schultere den Rucksack und laufe mit einem Messer in der linken Hand, in die Richtung, in die  Issy gelaufen ist. Auf einmal wird ein Messer Millimeter neben uns in die Wand geschleudert. Hinter uns ist ein älterer Mann. Woher er um Himmels willen, Messer werfen kann, ist mir ein Rätsel. Wir laufen weiter, der Mann folgt uns, glücklicherweise leise. Wir brauchen nicht noch mehr, im Rücken. Wohin hat sich Issy verpisst. Die kann doch nicht einfach weglaufen, damit hat sie ihr Todesurteil unterschrieben. Gabriel und ich laufen so schnell es geht. Ich rufe ihm zu bei der nächsten Möglichkeit links abzubiegen. Wir nehmen die Kurve sehr scharf, in meinem Augenwinkel nehme ich aber eine Bewegung wahr, eine andere als das gehetzte und zackige Herum Gestampfe, des Typen hinter uns. Ich drehe meinen Kopf und sehe Issy. Sie steht rechts von der Kreuzung. Sie zeugt mir erneut still zu sein. Ich drehe wieder um und laufe weiter. Was hat sie vor? Ich blicke noch einmal zurück und bleibe genau in dem Moment stehen als der Mann um die Ecke läuft. Issy stellt ihm ein Bein. Er fliegt hin. Sie wirft sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Mann und drückt ihn hinunter. Dabei verliert sie ihr Messer. Nun laufen wir zurück zu Issy um ihr zu helfen. Sie drückt seinen Oberkörper hinunter. Ich sehe wie er nach dem Messer greift. Er nimmt es in die Hand und holt aus. Ich schreie Issy zu sie soll aufpassen. Aber es ist zu spät. Der Typ presst das Messer in ihre Leiste. Sie verpasst ihn mit ihrer Faust  einen Schlag ins Gesicht.  Sein Kopf wird auf die Seite geschleudert. Mir bleibt die Luft weg. Issy stöhnt auf und schreit den Mann an. Sie hält sich die Leiste.
>> Wir müssen ihn umbringen, Daniel! Wir haben keine andere Wahl! << presst sie aus ihren zusammengekniffenen Lippen hervor.  Sie hat Recht nur ich kann das einfach nicht. Sie merkt meine Unentschlossenheit und Gabriel kauert weinend auf den Boden neben uns. Sie nickt entschlossen.
>> Halt seinen Oberkörper fest. Zieh ihn hoch, so als würde er sitzen. << kommandiert sie mich. Ich mache es, so wie sie es gesagt hat. Sie hockt sich so hin, dass die bewusstlosen Beine des Mannes zwischen ihren sind. Sie umfasst weinend den Kopf und hebt ihn vorsichtig hoch. Sie flüstert.
>> Es tut mir leid, so sehr. Aber du hättest uns nicht angreifen dürfen. Niemand hat das hier verdient. Du wirst zu einen besseren Ort kommen. << wispert sie ihm ins Ohr. So laut, dass ich es gerade noch höre. Sie will ihm das Genick brechen. Das wird das schnellste sein. Das Beste. Wenn es eine gute Art jemanden zu töten überhaupt gäbe. Sie schaut mir direkt in die Augen, ihre Hände machen die schnelle Bewegung. Der Kopf des Mannes fällt nach hinten. Sie beginnt lautlos zu weinen. Ich habe Respekt vor ihr, sie hat den Mut, dazu. Ich bin eine feige Sau. Es ist in Ordnung, er hätte sonst uns getötet. Gabriel fängt sich wieder und ist wieder der Alte.
>> Wir müssen sofort weg! Ein neues Zimmer suchen und verbarrikadieren. Sofort! << er wird hibbelig. Ich stimme ihm zu und stütze Issy. Ihr muss die Wunde weh tun. Sie blutet noch immer leicht. Ich leite uns somit, zu einem etwas abgelegenen Zimmer aber nicht zu weit für Issy. Mittlerweile trage ich sie schon. Ich lege sie auf das Bett, wo sie sofort einschläft. Gabriel meint wir müssen uns die Wunde ansehen. Ich schiebe ihr T-Shirt nur so weit hinauf, wie es sein muss. Die Wunde ist Gott sei Dank nicht sehr tief. Gabriel zerschneidet den Bettbezug für einen Verband. Ich säubere die Wunde mit ein bisschen Wasser. Dann stützen wir Issy auf, ich halte ihre Schultern von vorne. Gabriel ist hinter ihr und beginnt mit den verwickeln, er hört aber sofort auf. Er beginnt zu stottern.
>> Ehm, Daniel du solltest dir das vielleicht mal anschauen. << ich lasse Issy vorsichtig wieder auf die Matratze nieder und erstarre bei dem Anblick von ihrem Rücken.
>> Das sind mindestens 100 Narben, Daniel. Woher hat sie die bitte? << wir starren beide auf ihren vernarbten Rücken. Die wurden ihr mit Gewalt zugefügt. Ich kann mir diesen perversen Anblick nicht länger anschauen. Wer würde das jemanden antun? Angesichts der jetzigen Lage eine harmlose Frage, aber ihr wurden die Narben vor ein paar Jahren zugefügt. Ich bekomme einen Hass auf dieses Arschloch! Wir beginnen ihr den Verband anzulegen. Ich hoffe er hilft. Ich muss sie später fragen, wie ihr das passiert ist. Es muss eine „vernünftige“ Erklärung geben, ich könnte das nicht verkraften, wäre ihr etwas so abartiges widerfahren. Meine Befürchtungen dürfen nicht wahr werden, dürfen sie nicht.

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