Kapitel 42

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Jamie

Er wird mich zurück lassen, er wird mich sitzen lassen, er wird einfach gehen ohne zurück zu blicken. Ich bin stark aber zu schwach um Issy zu finden. Dafür bin ich nicht stark genug. Aber ich könnte es schaffen, mit Daniel. Doch das sieht schlecht aus. Es sieht wirklich übel aus. Er sitzt auf den Boden und starrt diese dämliche Wand an, er starrt sie an ohne Pause. Er ignoriert mich, er ist nicht mehr hier, nicht geistig. Ich bin verzweifelt. Was soll ich nur tun? Wie schaffe ich es Daniel dazu zubringen Issy zu suchen und lebend hier raus zu bekommen? Ich setze mich vor ihn hin, ich versperre ihm die Sicht auf diese eintönige blasse Wand. Er reagiert leicht, aber das war es auch schon.
>> Daniel? <<
>> Was? << ich bin erstaunt, dass er mir antwortet das hätte ich nun wirklich nicht erwartet.
>> Wir müssen sie finden. <<
>> Du hast doch auch das selbe gesehen wie ich oder täusche ich mich da? <<
Genau. Issy und Gabriel. Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie liebt doch Daniel. Aber ich muss ihm zustimmen, sie hat verliebt ausgesehen. Sie hat ihn geküsst als wäre er Daniel. Ich verstehe es doch auch nicht, ich meine ich bin 14. Muss ich da die große Liebe verstehen können? Ich denke mal nein. Ich denke, es ist alles Blödsinn. Aus welchem Grund sollte sie so etwas tun?
>> Sie ist meine Schwester und du liebst sie ja auch. <<
>> Ich liebe sie, aber sie mich anscheinend nicht. Gabriel ist auch eine miese Sau. <<
>> Gabriel und Issy wollten das nicht. Ich glaube, dass sie gezwungen wurden. Ich glaube sie mussten das machen. Katrin hat schon ihre Gründe weshalb sie dir das zeigt. Du solltest es sehen, du solltest sie mit Gabriel sehen. Eifersucht und Hass sollst du empfinden und gerade jetzt lässt du sie haushoch gewinnen. << meine Stimme sprüht nur so voller Enthusiasmus.
>> Ich hoffe es so sehr, dass sie gezwungen wurden, aber sie hat so sehr gestrahlt bei dem Kuss, dass es schwer ist zu glauben. Ich muss mit ihr reden, doch wir finden sie nicht. Wir beide, wir fliehen von hier. Wir finden einen Weg aus dieser Hölle. Wir finden ihn. <<
>> Spinnst du? Ich lasse nicht meine Schwester hier alleine. Mit einer Verrückten. Kannst du vergessen. <<
>> Sie ist jetzt auch alleine und was kannst du dagegen tun? Nichts. Wenn wir fliehen, dann gehen wir zur Polizei die rennen das Gebäude ein und holen sie raus. Das ist unsere einzige Chance. Wir haben keine andere Wahl. Ich will Issy doch auch retten. Sie wird es mir erklären. Alles wird wieder. Mir fällt das auch nicht leicht, aber wir müssen gehen. Alleine. Damit wir Issy retten können und Gabriel. << seine Worte wirken wie ein Bann auf mich. Aber ich glaube er hat Recht, jetzt kann ich ihr auch nicht helfen, wenn wir in Freiheit sind, haben wir doch eine Chance. Keine große aber doch immerhin eine Chance. Welchen Plan? Wir brauchen einen Plan…
>> Wieviel wiegst du? << fragt er mich.
>> Was spielt mein Gewicht für eine Rolle für unseren Plan? <<
>> Sag einfach.<<
>> Ich schätze mal so 50 Kilo?! Warum? <<
>> Hast du die Lüftungsschächte gesehen? Vielleicht passt du da noch rein. Das wäre perfekt. <<
>> Da passt du auch rein, ich meine die sind hier riesig, weil es ein Hotel ist. <<
>> Aber muss nicht heißen, dass die Schächte uns beide tragen. <<
>> Doch. Eine andere Frage ist aber wie machen wir das, dass Katrin uns nicht sieht? <<
>> Die Kameras zerstören und beschädigen. <<
>> Das sind keine uralten Kameras die man so leicht hinunter hauen kann, das sind schon moderne kleinere. Wie willst du das anstellen?<<
>> Die Feuerlöscher. Wir müssen uns einige holen, dann müssen wir uns ein Stockwerk aussuchen, wo wir denken, dass man leicht ins Freie kommt über die Schächte, dann geht es los, wir sprühen das Zeug auf die Kameras, sie werden keine Bilder mehr weiterleiten können. Dann müssen wir uns beeilen, das blöde Schachgitter aufbekommen, und fliehen. <<
>> Das ist bis jetzt der beste Plan den wir hatten. Denn wir hatten bis jetzt keinen besseren. Lass es uns probieren. Hast du eine Ahnung wo wir sind? << ich bin guter Dinge.
>> Ehm, in einem Hotel?!<< antwortet er sarkastisch.
>> Ach wirklich? Ist mir gar nicht aufgefallen… Ich meine in welcher Gegend, wir sehen nicht hinaus. Wir könnten irgendwo sein ohne, dass wir es wüssten. << jetzt versteht er mich.
>> Wir werden es sehen, das soll unsere kleinste Sorge sein. <<
>> Ich denke mal wir sollten den zweiten Stock nehmen, wenn wir ab diesem Stockwerk alle Löscher nehmen, die wir finden, sind das einige. <<
>> Aber Moment mal. Die sind nicht klein, von denen kann jeder maximal vier tragen. << Das haben wir ja noch gar nicht bedacht. Stimmt. Wie könnten wir das lösen?
>> Wir nehmen alle Löscher die wir tragen können und gehen in den unteren Stock. Dort bunkern wir sie in einem Zimmer. Dann sammeln wir die nächsten und dann müssen wir halt öfters gehen. Hast du einen Schraubenzieher? Ich meine dieses Gitter wird nicht nur an der Wand hängen ohne Befestigung. <<
>> Ich habe ein Taschenmesser, das muss gehen. Ok. Lass uns beginnen, trennen wir uns? << fragt er.
>> Ich weiß nicht. Was ist wenn wir jemanden begegnen? Dann sieht es nicht gut aus und vor allem ist es nicht gerade das unauffälligste mit Feuerlöschern herum zu streunen. <<
>> Das ist unser erster brauchbarer Plan, wir nützen es. Sie wird sich vielleicht wundern, weshalb wir es machen. Aber Katrin wird sich nicht trauen zu uns zu kommen. Das garantiere ich dir. Das einzige Problem werden die Leute sein, ich habe keinen Überblick, wer noch lebt und wie viele nicht mehr, du? <<
>> Nein, keine Ahnung. Es ist aber glaube ich das beste nicht darüber nach zudenken, sondern einfach zu handeln. << erkläre ich. Er nickt.
>> Dann lass uns anfangen. << Wir nehmen uns unsere Rucksäcke. Im Flur sehen wir auch schon den ersten Feuerlöscher. Es geht recht schnell ihn zu entwenden. Ich trage den ersten. Wir gehen sehr schnell. Wir können uns es einfach nicht leisten in dieser Zeit, wo wir endlich einen Plan haben, erwischt zu werden. Ich denke an Issy. Meine Schwester. Sie ist hier irgendwo. Es ist so lächerlich, ich meine das ist ein einziges Gebäude und es ist ein Ding der Unmöglichkeit sie zu finden. Diese Absurdität ist hart hinzunehmen. Ich will sie suchen. Sie bedeutet mir so viel, wie kann ich sie nach allem was wir durch gemacht haben, hier alleine lassen? Mit Katrin? Ich habe noch nie so oft über sie und unsere Vergangenheit nachgedacht. Unsere Eltern… Unser Bruder. Unsere Schwägerin, ein wahrhaftiges Monster. Ich versuche mich seit dem ich weiß, dass Katrin, meine eigene Schwägerin, uns festhält und uns zu Sachen zwingt die weit über die Grenze der Menschlichkeit gehen, daran zu erinnern was mein erster Eindruck von ihr wahr. Damals. Hach. Das ist das erste Mal das ich dieses Wort > Damals < verwende, bisher war ich der festen Überzeugung, dass das nur ältere Leute sagen, wenn sie von der Vergangenheit reden. Doch anscheinend bin ich auch älter geworden, nicht dieses lächerliche Jahr, nicht mein erster Geburtstag den ich vergessen habe, der in einem Horror-Hotel stattfand. Sondern mein psychisches Alter, hat sich eindeutig verändert. Ich bin wirklich älter geworden, ich habe eine Sichtweise entwickelt, die mir noch vor ein paar Tagen oder auch Wochen nicht erdenklich gewesen wäre. Ich frage mich die ganze Zeit, wie sich mein Leben entwickelt hätte, wenn ich nicht hier gelandet wäre. Wenn ich weiter in dieser Idioten-Klasse sitzen würde, mich anpassen würde, damit ich in der Pause nicht wieder schikaniert werde. Sie können mich alle mal. Falls ich hier rauskomme werden sie so tun als wäre das alles nur Spaß gewesen, als hätte es nicht bedeutet. Doch mir hat es etwas bedeutet, ich habe jeden Tag gemerkt wie mir alles zu viel wird, wie das Gewicht auf den Schulter bis in das Undenkliche steigt. Bis zu dem Zeitpunkt wo die Schultern nachgeben und du am Boden bist und dann die Leute begreifen, was sie mit ihrem Verhalten verursachen. So dumm und kindisch das alles klingen mag, mein Leben war schon vorbei und durch das hier, bin ich erwacht mit einigen neuen Zielen. Erstens muss ich meine Schwester finden ich muss sie in den Arm nehmen, wie ich es das letzte Mal vor ein paar Jahren getan habe. Ich muss ihre Hand auf meinen Rücken spüren, wie sie in entspannenden Kreisen versucht mich zu beruhigen. Es half, aber nicht viel, doch jetzt wäre eine solche Umarmung Gold wert! Mehr als das. Wie habe ich mich von ihr distanziert von meiner eigenen Schwester, sie hat mich genauso gebraucht wie ich sie, doch sie war erwachsen, und das hat für mich bedeutet, dass sie keine Probleme haben kann. Wenn es Zeitreisen gäbe, würde ich in die Zeit zurückreisen und mich selber ohrfeigen, doch ich bin in der kalten Realität, in der eine ganz einfache Umarmung schon Luxus bedeutet. Jetzt bin ich noch entschlossener hier raus zu kommen um sie zu retten um meiner Schwester einmal zu helfen um ihr zu zeigen wie sehr ich sie liebe und wie kaputt ich ohne sie wäre. Doch eigentlich darf es mir nicht um eine banale Anerkennung gehen. Wieso versteht mein Verstand den Ernst der Lage nicht? Wieso muss sich mein Verstand dauernd zurück in den Kind-Modus zurückversetzen. Ich will es nicht und ich kann es nicht brauchen. Ich folge Daniel ruhig und gelassen, lasse mir von meinen ganzen Gefühlschaos mal nichts anmerken wieso denn auch? So viel wir wissen haben wir dann auch zehn Minuten später alle auffindbaren Feuerlöscher. Es sind drei Stück. Wie gehen ein Stockwerk tiefer. In den sechsten Stock. Ich bete zu Gott, dass wir niemanden sehen, dass uns niemand sieht.

Stockwerk 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt