~{14}~

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„Kai", hörte ich Julian heiser flüstern.
Schockiert sah ich in sein schneeweisses Gesicht.
Seine Augen waren blutunterlaufen und gerötet, die Haare völlig durcheinander.
Er konnte sich kaum auf den Beinen halten und begann sich verzweifelt am Türgriff festzuklammern.
Als ich mich wieder gefasst hatte, griff ich schnell nach seiner Hand, sachte aber doch bestimmt zog ich ihn in mein Zimmer hinein und schloss die Tür hinter uns.
Um zu verhindern, dass er plötzlich noch umkippt, setzte ich mich aufs Bett und zog ihn fest in meine Arme.
Tränen traten in Julians Augen. Er sah aus als wollte er etwas sagen, als wollte er das alles erklären, doch bevor er auch nur ein Wort herausbrachte, drang ein heiseres Schluchzen aus seiner Kehle.
Immer mehr Tränen begannen über seine Wangen zu kullern, bevor er schliesslich weinend in meinen Armen zusammenbrach.
Das Herzzerreissende Schluchzen löste einen stechenden Schmerz in meiner Brust aus.
Es tat weh, ihn so verzweifelt zu sehen. Ich wollte ihm so gerne helfen, konnte im Moment aber nichts anderes tun als für ihn da zu sein.
Vorsichtig zog ich Julian näher an mich, woraufhin er sein Gesicht an meiner Schulter vergrub.
Sanft begann ich ihm durch das blonde Haar zu streichen und redete gleichzeitig unentwegt beruhigend auf ihn ein.
Immer wieder hörte ich Julian zwischen zwei Schluchzern verzweifelt nach Luft ringen. Vorsichtig hob ich sein Gesicht ein Stück von meiner Schulter weg, in der Hoffnung, er würde so besser Luft bekommen.
Tatsächlich funktionierte es und sein Atem normalisierte sich allmählich wieder.
Nach einiger Zeit hatte er sich auch sonst wieder einigermassen beruhigt.
Nur noch einzelne Tränen kullerten über seine Wangen.
Julian sass mittlerweile auf meinem Schoss, er hatte seinen Kopf an meine Brust gelehnt und wirkte ziemlich erschöpft.
Ich legte eine meiner Hände an seine Wange und steich ihm sanft die leicht verschwitzten Haarstränen aus dem Gesicht.
Langsam richtete Julian sich ein stückweit auf, um mir in die Augen sehen zu können.
Er öffnete den Mund, wollte zu sprechen beginnen, brachte aber keinen Ton raus.
„Wir ziehen weg.", brachte er nach einiger Zeit schliesslich heiser hinaus, woraufhin ich ihn erschrocken ansah.
„Was?"
Er nickte. „Mama hat ihren Job nicht verloren. Sie wurde aber an eine andere Stelle versetzt", seine Stimme zitterte während er sprach und brach schliesslich ab. Behutsam griff ich nach seiner Hand und drückte sie leicht.
„Auch mein Vater hat eine neue Stelle im selben Ort bekommen. Auch mit dem Vermieter der Wohnung, in die wir ziehen werden, ist schon alles geklärt. Finanziell wird dort alles viel besser funktionieren. Die Wohnung ist grösser und trotzdem etwas billiger. Meine Eltern werden mehr verdienen und hätten bessere Arbeitszeiten. Eigentlich würde alles besser werden."
Gegen Ende wurde er immer wie leiser, bis er schliesslich nur noch flüsterte: „Aber eben nur eigentlich. Ohne dich kann nichts schön sein."
„Wie weit...?"
„Knapp eineinhalb Stunden von hier... während der Weihnachtsferien ziehen wir um."
Es traf mich wie ein Schlag. Bis zu den Weihnachtferien war echt nichtmehr viel Zeit und ich wollte die Schule auf keinen Fall ohne ihn beenden.
Natürlich wusste ich, dass der Zusammenbruch, den Julian gerade hatte nur der erste Schock war. Trotzdem tat mir seine Verzweiflung im Herzen weh.
Wir mussten uns wohl oder übel an den Gedanken gewöhnen, bald nicht mehr gemeinsam zur Schule zu gehen, uns nichtmehr jeden Tag zu sehen, doch genau das wollte ich nicht.
Ich brauchte ihn genauso wie er mich, und zwar hier bei mir. Oder wenigstens in der Nähe. Jedenfalls nicht mehr als eine Stunde entfernt.
Immer noch hielt ich Julians Hand.
„Alles wird gut. Wir werden irgendeine Lösung finden. Niemals werden wir den Kontakt verlieren. Wir können Telefonieren uns besuchen...", begann ich mehr um mir selber Mut zu machen, aber richtig überzeugt klangen meine Worte nicht.
Julian, der schnell festgestellt hatte, dass diesmal ich den Tränen nahe war, richtete sich nun ganz auf. Diesmal war er es der mich in seine Arme zog.
Einige Zeit blieben wir so, fest aneinander gekuschelt sitzen.
„Willst du über Nacht bei uns bleiben?"
Julian nickte. Gemeinsam gingen wir ins Bad, wo wir uns nacheinander erstmal kaltes Wasser ins Gesicht klatschten. Tatsächlich fühlte ich mich danach schon um einiges besser und auch Julian sah wieder etwas gesünder aus.
Wir machten uns bettfertig und gingen schliesslich nur noch in Boxershorts zurück in mein Zimmer.
Julian legte sich bereits hin, während ich noch das Licht aus machte, bevor ich mich ebenfalls in mein Bett legte.
Sachte zog ich Julian an mich und begann ihm zärtlich durch die Haare zu streichen.
Zum Glück ging es ihm schon wieder etwas besser. Er schien sich vom ersten Schrecken erholt zu haben.
„Nichts kann uns voneinander trennen und eineinhalb Stunden Entfernung schon gar nicht.", flüsterte ich und küsste ihn liebevoll auf die Wange.
An meiner Halsbeuge spürte ich, wie Julian zu lächeln begann.
Ein wundervolles Gefühl breitete sich in mir aus und ich wünschte mir, alles würde für immer so bleiben.
Julian hier, ganz nah bei mir und wir Beiden Glücklich.
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Jetzt bin ich selbst irgendwie traurig, nachdem ich das geschrieben habe...🥺
Deswegen kann ich keine Dinge mit Sad End schreiben.
Ich hoffe ich habe jetzt nicht allen die Laune verdorben damit.
Zum Glück geht die Geschichte ja noch weiter. ☺️🤫

Bravertz~Why is it so hard to say?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt