Pov. Jannis
Als mir bis zur Mittagspause des nächsten Tages immer noch kein genialer Plan eingefallen war, wie ich ihn Julian versprochen hatte, begann ich mir langsam Sorgen zu machen.
Normalerweise kamen mir meine Ideen um einiges schneller und ganz von selbst.
Doch obwohl ich mir diesmal sowohl den ganzen gestrigen Abend, als auch die gesamten heutige Schulstunden über Gedanken gemacht hatte, war da nicht auch nur der Ansatz eines Planes in meinem Kopf.
Mittlerweile zog ich es schon fast in betracht, ihn einfach zu fragen. Ganz ohne Begründung, einfach als hätte ich plötzlich grosses Interesse daran alles über ihre Beziehung zueinander zu wissen.
Nachdenklich stocherte ich mit einer Gabel in meinem Mittagessen herum, während ich mit halbem Ohr zuhörte, worüber meine Mitschüler, mit denen ich an einem Tisch sass, redeten.
Bald darauf klingelte es auch schon, weshalb wir die Brotdosen, in denen sich unser Mittagessen befunden hatte, zusammenpackten und zurück in unser Klassenzimmer gingen.
Wahllos liess ich mich auf einen freinen Platz in der letzten Reihe sinken und legte meine Federmappe zusammen mit meinem Block auf den Tisch.
Nachdenklich begann ich schliesslich auf einem der Blätter herum zu kritzeln.
In Gedanken versunken bemerkte ich kaum, wie unsere Lehrerin die Doppelstunde Biologie begann.
Heute würden Jascha und ich, da Julian wie auch Kai lange Schule hatten, wie jeden Dienstag bei Familie Havertz abendessen.
Das heisst, heute wäre die wohl beste Möglichkeit persönlich mit Kai zu sprechen, sonst müsste ich es über WhatsApp machen.
Meistens kam Kai kurz bevor Jascha und ich nach dem Abendessen gingen, nach Hause.
Am besten wäre es also, wenn ich aus irgendeinem Grund noch kurz auf Jascha warten müsste und aus Langeweile mit Kai zu reden beginnen würde über anfänglichen Smaltalk kämen wir dann irgendwann auf das Thema Weihnachtsball, ganz zufällig natürlich.
Eine wirklich geniale Idee war das zwar nicht, aber wenigstens schonmal sowas wie ein Notfallplan, falls mir nichts besseres mehr einfallen sollte.
Nach einem Blick auf die Uhr und der Feststellung, dass der Unterricht nur noch eine knappe Halbestunde dauerte, wandte ich mich halbherzig wieder dem Unterricht zu.
Glücklicherweise, denn unsere Lehrerin hatte anscheinend auch festgestellt, dass ich die ganze Stunde lang nicht zugehört hatte und rief mich an die Tafel.
So konnte ich gerade noch einen kurzen Blick auf die Notizen meines Pultnachbars werfen und wusste so wenigstens über welches Thema wir gerade sprachen.
Trotzdem, wusste ich vorne an der Tafel schliesslich nicht wirklich, was ich tun musste.
So wurde der Rest der Stunde, die unsere Lehrerin nutzte, um mich vorne an der Tafel alle möglichen Zellbestandteile auf zu malen und zu beschriften, zu einer richtigen Qual und ich war unglaublich froh, als endlich der Klang der rettenden Klingel ertönte.
Beinahe fluchtartig verliess ich das Klassenzimmer und machte mich auf den Weg zum Haus der Familie Havertz.
Unterwegs kam ich in der Nähe von Jaschas Schule vorbei, weshalb ich mich dort mit ihm traf und wir schliesslich die letzten paar Minuten gemeinsam gingen.
Nach unserer Ankunft, wurden wir sofort von Kais Mutter begrüsst.
Wir betraten die Wohnung und machten eigentlich das Gleiche, wie jede Woche wenn wir hier waren.
Wir assen kurz etwas und begannen schliesslich am Küchentisch sitzend mit unseren Hausaufgaben.
Etwas später kamen auch noch Lea und Kais Vater nach Hause, woraufhin wir gemeinsam mit dem Abendessen begannen und wie mein Plan es vorgesehen hatte, kam Kai schliesslich, nach dem Abendessen, kurz bevor Jascha und ich gehen wollte, selbst nach Hause.
Von Lea und Kais Eltern hatten wir uns bereits verabschiedet und sie waren nicht mehr in der Nähe.
Das hiess, mein einziges "Problem" war jetzt noch Jascha, der bereits bereit um nach Hause zu gehen im Eingang stand.
„Musst du nicht noch auf Toilette Jascha?", fragte ich, in der Hoffnung, dass er dies tatsächlich tun würde, doch er sah mich nur, verwirrt über meine Frage an, und schüttelte den Kopf.
„Sicher?"
„Ja ich bin mir sicher, ich mu-"
„Jascha bitte, geh kurz auf Toilette, ich erklär dir später warum, okay?", zischte ich ihm zu.
Glücklicherweise sah er mich diesmal nur mit gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen an, zuckte mit den Schultern uns ging schliesslich tatsächlich auf Toilette.
Jetzt musste ich nur noch das Gespräch mit Kai beginnen und irgendwie in die richtige Richtung lenken.
„Und bei dir Jannis, alles gut?", begann glücklicherweise, da ich nicht unbedingt der einfalsreichste war, was Smaltalk betrifft, bereits Kai selbst das Gespräch.
Ich nickte. „Selbst auch?", diesmal nickte Kai.
Ich wusste, das Jascha nicht sonderlich lange weg sein würde, zumal er eigentlich gar nicht auf Toilette gemusst hatte, weshalb ich direkt das Thema wechselte.
„Freust du dich auch so auf euren Weihnachtball wie Julian?", fragte ich ironisch.
„Total!", grinste Kai.
„Hast du da eigentlich ein Date oder sowas?", fragte ich scheinbar bei läufig, bemerkte aber sogleich auch, dass ich vielleicht erst noch eine andere Frage hätte stellen können um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.
„Ich gehe mit Julian hin, hat er dir das nicht erzählt?", fragte Kai etwas erstaunt.
Doch ich ignorierte seine frage und sagte nur, etwas nachdenklich, was seine Antwort nun bedeutete: „Dann ist er also dein Date."
Nun wirkte auch Kai etwas nachdenklich: „ja, sozusagen."
Verwirrt sah ich ihn an, anscheinend hatte er sich die Frage im Gegensatz zu Julian nicht gestellt.
„Habt ihr das nicht besprochen?", fragte ich und nutzte dabei mein ganzes Schauspieltalent, von dem ich leider nicht besonders viel besass, um erstaunt zu klingen.
„Hat Julian nicht vielleicht mal irgendwas erwähnt, ob es ein Date ist?", fragte Kai verunsichert.
„Ich weiss nicht, ich glaube nicht...", da waren wir auch schon am Ende meiner Schauspielkünste und des Smaltalks, den ich gerade so beherrsche, angelangt.
„Also vielleicht schon, oder er weiss es auch nicht so genau.", beendete ich das gewirr aus Worten etwas kleinlaut.
Mittlerweile waren wir beide so verwirrt, dass keiner mehr etwas sagte und eine peinliche Stille entstand.
Glücklicherweise kam im nächsten Moment Jascha zurück.
„Dann gehen wir wohl mal.", murmelte ich, „tschüss Kai."
„Tschüss", erwiederte er und blieb immer noch leicht aus der Fassung gebracht und absolut konfus im Eingang stehen.
Schnell schloss ich die Tür hinter mir und stönte leise.
Ich hatte wohl gerade alles viel schlimmer gemacht als es vorher war.
Statt nun eine wirkliche Antwort für Julian zu haben, war Kai meinetwegen völlig verwirrt und ich hatte wohl gerade, obwohl es nur einige Sätze lang gedauert hatte, so ziemlich das unangenehmste Gespräch meines Lebens geführt.
„Und warum genau musste ich auf Toilette?", riss Jascha mich aus meinen Gedanken.
„Ich musste mit Kai kurz was... klären, sozusagen."
„Und was?"
„Nicht so wichtig, war etwas persönliches."
Jascha rollte mit den Augen, genau wie Julian es immer tat, stellte aber glücklicherweise keine weitere Fragen.
Wir waren mittlerweile schon fast zu Hause angekommen, und ich wusste, dass ich gleich mit Julian ein ähnlich unangenehmes Gespräch wie mit Kai eben wühren werden müsste.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm erklären sollte, dass ich sowohl keine Antwort auf seine Frage hatte, als auch Kai mit einem komischen Gespräch erst dazu gebracht hatte, dass er sich nun dieselbe Frage wie Julian stellte, Kai möglicherweise nun wusste, dass Julian mich quasi beauftragt hatte, das ganze herauszufinden und er ihn wohl bald darauf ansprechen würde.
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Danke fürs Lesen und schönes Wochenende. 💕
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Bravertz~Why is it so hard to say?
FanfictionWarum muss immer alles so kompliziert sein? Obwohl der 16 jährige Julian weiss, wie tolerant seine Familie und Freunde sind, ist ein Outing doch schwerer, als er es sich vorgestellt hatte. Ausserdem kommen, kaum hat er sein Outing hinter sich, auch...