2. Fehlalarm

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Gedankenverloren striff ich zwischen den großen Bäumen des Waldes hindurch. Der Wald wirkte auf mich immer beruhigend und zu friedlich, als dass tatsächlich etwas gefährliches im Unterholz lauern könnte. Ich befand mich just in diesem Moment auf meiner täglichen Grenzwachen-Schicht. Noch nie war etwas geschehen, doch der König verlangte trotz allem die stetige Kontrolle seines Reiches. Ich konnte seine Unruhen aber verstehen, auch wenn Sauron besiegt war. Böses würde immer existieren. Meine Augen glitten hoch in die Baumkronen und verfolgten einen Schwarm kleiner Vögel, welche eine wunderschöne Melodie zum besten gaben. Ich empfand den Wald überhaupt nicht als Düster. Doch der Name wurde ihm gegeben, als es hier noch von Spinnen wimmelte. Bei dem Gedanken an diese großen, ekeligen Viecher fuhr es mir eiskalt den Rücken hinunter. Die Vorstellung allein brachte mich zum zittern. Bei Eru sei dank hatte ich noch nie mit einer Spinne kämpfen müssen.
Meinen Blick wieder nach vorne richtend setzte ich meinen Weg fort. Mein Bogen lag sicher auf meinem Rücken und mein Dolch steckte in meinem Gürtel. Wahrscheinlich würde ich aber beides nie wirklich gegen Feinde einsetzen können hier im Waldlandreich. Was sollte schon großartiges passieren?
Die anderen Wachen hatten sich ebenfalls wie gewohnt aufgeteilt. Aurelia würde die heutige Nachtschicht machen müssen, was mir unwillkürlich ein Grinsen auf die Lippen zauberte. Ich konnte währenddessen schlafen und musste nicht die Nacht durchmachen.
Plötzlich knackte links von mir einige Meter entfernt ein Ast. Ich hielt sofort inne und lauschte. Schon oft hatten sich Waldtiere als falsche 'Eindringlinge' herausgestellt und die Sorgen waren meist umsonst. Doch dieses Mal vernahm ich eindeutig leichtfüßige Schritte auf dem Waldboden. Ich griff nach meinem Bogen und schlug die Richtung ein, aus der das Geräusch gekommen war. Leise und geduckt, fast wie ein Raubtier, schlich ich mich durch die Büsche hindurch und stockte, als ich einige Schritte von mir entfernt jemanden mit dem Rücken zu mir stehen sah. Mein Herz begann sofort in meiner Brust schneller zu klopfen und ich zog die Augenbrauen zusammen. So etwas war mir bei meiner Wache noch nie passiert und rastlos huschten meine Augen wachsam umher, bis ich schließlich wieder den Elb, ich konnte seine spitz zulaufenden Ohren unter seinem mittellangen blondem Haar erkennen, ins Visier nahm. Er war also ein Elb. Also eigentlich kein gefährliches Wesen. Ich schluckte und dachte konzentriert nach. Doch schneller noch, als ich wirklich zuende denken konnte, hatte ich mich schon lautlos erhoben und war mit einem Satz hinter den Elben gesprungen, hatte meinen Bogen gezückt und richtete nun drohend einen Pfeil auf ihn. Bevor ich mich irgendwie hätte äußern können, hatte sich der fremde Elb bereits umgedreht und perplex fiel mein Blick auf den Bogen, welcher nun ebenfalls von ihm aus auf mich gerichtet wurde. So standen wir nun da, einen Pfeil auf den jeweils anderen gerichtet. Ich presste die Lippen aufeinander und hob den Blick. Beinahe vergaß ich, die Spannung der Sehne aufrecht zu halten, so überwältigt war ich von dem Anblick, welcher sich mir bot. Ich hatte noch nie einen so schönen Elben gesehen. Auch wenn sein Blick im Moment ziemlich feindselig war, ich kam nicht drum herum seine Gesichtszüge, die hohen Wangenknochen, die unergründlich blauen Augen und die geschwungenen Lippen zu mustern. Als ich realisierte, dass ich meinen Gegenüber mehr verträumt statt böse anstarrte, verstärkte ich meinen Griff um den Bogen und spannte die Sehne wieder bis zum Anschlag. "Nehmt den Bogen runter!" zischte ich mit Nachdruck in der Stimme, woraufhin mein Gegenüber nur die Augenbraue anhob. "Das Gleiche könnte ich von euch verlangen. Ihr habt zuerst mit einem Bogen auf mich gezielt" erwiderte der Elb dann und ich musste wieder völlig gefangen von seiner Aura den Klang seiner Stimme bewundern. Er brachte mich aus dem Konzept und das durfte mir als Grenzwache nicht passieren. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und hob mein Kinn leicht an. Ich musste mich konzentrieren. "Ich bin eine Grenzwache und habe das Recht, Fremden einen Pfeil ins Gesicht zu halten" antwortete ich ruhig und versuchte meiner Stimme etwas selbstbewusstes zu verleihen. Es schien zu klappen, denn plötzlich senkte der Elb vor mir seinen Bogen und lockerte seine Körperhaltung. Auch seine Miene veränderte sich. Neutral sahen seine blauen Augen mir jetzt entgegen. Sah ich das richtig oder lag da etwas belustigtes in seinen Augen?
"Ihr seid also eine Grenzwache meines Vaters" ertönte wieder seine schöne Stimme und ich verstand beinahe seine gesprochenen Worte nicht. Verwirrt legte ich den Kopf leicht schief. "Ihr seid der Prinz?" fragte ich perplex und der Elb vor mir nickte beinahe ein wenig verletzt von meiner Reaktion. Nun verzogen sich meine Lippen zu einem amüsierten Grinsen. Dann lachte ich schließlich auf. "Pff, das glaube ich euch nicht. König Thranduil hat erst heute morgen, vor ein paar Stunden, die Ansprache gehalten und den Prinzen angekündigt. Außerdem, warum seid ihr dann allein unterwegs, wenn ihr doch der Prinz seid?" fragte ich höhnisch und nun war es der Elb vor mir, welcher ein Grinsen auf den Lippen trug. Ein unwiderstehliches Grinsen, wenn man das mal so nebenbei anmerken durfte. Plötzlich spürte ich mehrere Präsenzen hinter mir und drehte mich mit einer flinken Bewegungen um. Hinter mir standen fünf weitere Elben, alle steckten in Rüstungen und hielten unentwegt Pfeile auf mich gerichtet. Seufzend ließ ich meinen Bogen sinken. Ich saß doch tatsächlich in der Falle.
Genau in diesem Moment fiel mir dann auch mal endlich auf, dass ich vor mir tatsächlich den Sohn Thranduils, sprich den Prinzen, stehen hatte. Ich spürte wie meine Wangen heiß wurden, während ich mich wortlos wieder dem Prinzen zuwandte. Er trug immernoch ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen und zwinkerte mir kurz zu, als ich seinem Blick begegnete. Eru, war das peinlich! Warum musste so etwas ausgerechnet immer mir passieren? Allerdings hatte ich nur meine Arbeit gemacht. Wie konnte ich wissen, den Prinzen höchstpersönlich vor mir zu haben?
"Es...tut mir außerordentlich leid" sagte ich und strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Verlegen beobachtete ich, wie der Prinz seine Hand hob und daraufhin die Wachen hinter mir die Bögen ebenfalls sinken ließen. "Ihr macht eure Arbeit sehr gut. Wäre ich nicht selbst ein Elb, hätte ich euren Anschleichungsversuch nicht wahrgenommen" sagte der Prinz und ich verschränkte die Arme. So so, er war mir also nicht böse. Immerhin begrüßte man so einen Prinzen ganz sicher nicht. "Wie heißt ihr?" fragte der Elb fast sofort danach und ich legte meinen Bogen wieder auf meinem Rücken ab. "Rénee" erwiderte ich und er nickte, seinen Blick dabei nicht von mir nehmend. "Mein Name ist Legolas. Mir scheint, als kanntet ihr mich vorher nicht". Ich schüttelte den Kopf. "Ich wusste von euch, das schon. Aber gesehen habe ich euch noch nie zuvor" erklärte ich und Legolas nickte langsam. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. "Also, ich würde jetzt gerne nach Hause. Wollt ihr mich denn direkt begleiten? Nachher werde ich noch öfter auf dem Weg von den eigenen Grenzwachen bedroht und anschließend ausgelacht". Bei seinen Worten stieg mir die Schamesröte ins Gesicht und ich nickte hektisch.

Das konnte ja heiter werden.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt