16. Starke Gefühle

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"Wo bist du beim Frühstück gewesen?" fragte mich Cyrian mit einer undefinierbaren Miene, als Quinn und ich wie gewohnt zusammen beim Training erschienen. Levin und Legolas waren noch nicht da und so stand Cyrian alleine dort. "Ich habe verschlafen" erwiderte ich schulterzuckend und Cyrian nickte. "Heute steht Klettertraining an, oder?" fragte Quinn und ich war ihr innerlich dankbar, dass sie so unbefangen das Thema gewechselt hatte. "Ja, wenn uns Levin und das Prinzlein mal beehren würden, könnten wir auch anfangen" hörte ich Cyrian sagen und hob den Kopf. Warum war er so komisch drauf? Irritiert verzog ich das Gesicht, ebenso wie Quinn neben mir. Nicht mal zwei Wimpernschläge später erschienen Levin und Legolas in unserem Sichtfeld und ich spürte die Wärme, welche mich immer erfasste, wenn ich Legolas ansah. Er sah wirklich gut aus und strahlte über das ganze Gesicht. Ob er den Morgen wohl auch so genossen hatte wie ich?
"Hey, es tut uns leid, dass wir uns verspätet haben. Ich musste noch kurz etwas erledigen und Legolas hat mich begleitet" erklärte Levin, als sie bei uns angekommen waren, doch Quinn und ich waren ihnen nicht böse. Cyrian, welcher sich eben noch beschwert hatte, nickte bloß wortlos und gemeinsam gingen wir ein Stück in den Wald. Verstohlen warf ich Legolas einen Blick zu, welchen er sofort erwiderte. Als er zwinkerte, begann mein Herz in meiner Brust zu rasen. "Die vierte Disziplin wäre das Klettern" wiederholte Cyrian, als wir vor einem relativ hohen Baum stehen blieben. "Wie stellt sich dein Vater diese Disziplin vor?" fragte Levin Legolas und nun lagen alle Blicke auf den Elben. "Ich glaube es wird eine Art Wettstreit. Wer am schnellsten oben ist, gewinnt" erwiderte er nach ein paar Sekunden und ich zog verwirrt die Augen zusammen. "Dreißig Teilnehmer sollen gleichzeitig auf Bäume klettern?" rutschte es mir auch schon über die Lippen und nun richteten sich Legolas Augen auf mich. Ein Schmunzeln lag auf seinen wirklich anziehend wirkenden Lippen und beinahe hätte ich seine Antwort nicht mitbekommen: "Die Teilnehmer werden in Gruppen eingeteilt. Vielleicht sogar die Gruppen vom Training. Der Erstplatzierte jeder Gruppe tritt am Ende gegen die anderen Erstplatzierten aus den anderen Gruppen an. Und daraus entscheidet sich wiederrum der Sieger". Ich nickte verstehend und verschränkte die Arme. "Dann trainieren wir jetzt auf Schnelligkeit?" fragte Quinn nochmal und er nickte. Wir begannen damit, dass jeder einzelnd und nacheinander einmal den Baum hinauf klettern sollte und das am besten so schnell wie möglich. Alle stellten sich ganz passabel an, aber das hatten Elben auch so an sich. Egal ob wir nun liefen, kletterten oder schwammen, alles sah elegant und leicht aus. Ich schwang mich schwungvoll von Ast zu Ast und kletterte flink den Baum hinauf. Als wir alle zweimal dran waren, suchten wir uns fünf Bäume, welche ungefähr gleich hoch waren und nah beieinander lagen. Dann trainierten wir auf Schnelligkeit. Unsere Gruppe war ziemlich ausgeglichen. Legolas war allen voran immer einen ticken schneller. Ich denke aber, dass es an seiner Übung lag, schließlich war er über mehrere Jahre hinweg auf Reisen gewesen. Erst der Erebor und dann der Ringkrieg.
"Gibt es noch höhere Bäume hier?" fragte ich und Levin warf den Kopf in den Nacken. Er blinzelte gegen die Sonne und zuckte mit den Schultern. "Wir können welche suchen gehen, am besten teilen wir uns auf" schlug er vor und mein Blick fiel sofort auf den blonden Elben, welcher mit einer konzentrierten Miene Levin musterte. Er schien in Gedanken. "Jeder geht für sich los und wer mehrere große Bäume findet, ruft die Anderen" fügte der Elb noch hinzu und ich nickte wie automatisch. Legolas warf mir einen Blick zu, welchen ich nicht ganz deuten konnte. Dann verteilten wir uns alle in verschiedene Himmelsrichtungen und ich ging los. Es würde schwierig werden, fünf gleich große Bäume in einer derartigen Größe zu finden. Ich seufzte leicht und ließ meinen Blick aufmerksam umher schweifen. Von oben könnte man doch viel besser größere Bäume ausmachen, oder nicht?
Ich blieb stehen und überlegte kurz, doch meine Entscheidung war bereits gefallen. Flink ergriff ich die Äste eines relativ großen Baumes und kletterte an ihnen den Baum empor. In den Wipfeln blieb ich schließlich sitzen und ließ meinen Blick erneut umher schweifen. Die Aussicht war wirklich traumhaft schön. Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ ihre Sonnenstrahlen auf die Baumkronen fallen. Die Blätter leuchteten in allen Farben und streckten sich der Sonne entgegen. Vögel flogen hier und da vorüber und ich strich verträumt eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. Von hier oben aus konnte ich drei gleich große Bäume erkennen, welche etwas größer als die Anderen waren und sich nicht weit entfernt von mir aus der Erde erhoben. Zufrieden begann ich wieder den Baum hinunter zu klettern. Auf halbem Wege vernahmen meine Ohren ein Geräusch und ich hielt inne. Mein Blick fiel nach unten auf den Waldboden, wo ich doch tatsächlich Legolas stehen sehen konnte, welcher sich suchend umsah. Suchte er mich etwa? Mein Herz begann zu flattern und ich vergaß gänzlich mich richtig festzuhalten und zu schauen, wohin ich trat. Da brach auf einmal ein dünner Ast unter meinen Füßen und ich rutschte mit einem erschrockenen Aufschrei ab. Äste schlugen mir unsanft ins Gesicht und ich schürfte mir die nackten Unterarme auf. So schnell ich abgestürzt war, so schnell war ich auch gelandet. Aber nicht wie gedacht auf dem Waldboden, sondern ich fiel geradewegs in Legolas Arme, welcher unter meinem Schwung nach hinten stolperte und schließlich der Länge nach mit mir ins Gras fiel. Ich stoß erschrocken die Luft aus und rappelte mich dann leicht auf. Ich lag auf Legolas und verzog entschuldigend das Gesicht, als er seine Augen ächzend öffnete. "Mit so einer stürmischen Begrüßung hatte ich nicht gerechnet" brachte er hervor und rieb sich den Hinterkopf. Meine Wangen wurden rot und ich biss mir auf die Lippe. Warum musste ich auch immer so tollpatschig sein in seiner Nähe. "Es tut mir leid" sagte ich und Legolas sah mir nun das erste Mal richtig in die Augen. Er schien etwas benommen vom Sturz, fasste sich jedoch relativ schnell wieder und verzog besorgt das Gesicht, als er meines musterte. "Du bist verletzt" meinte er auf meinen fragenden Blick hin. "Wie schaffst du das bloß immer" murmelte der Elb unter mir mit einem konzentrierten Blick und ich stockte, als er seine Hand hob und mir zärtlich, ja beinahe vorsichtig, als wäre ich aus Porzellan, über die Wange fuhr. Mein Herz klopfte stärker gegen meinen Brustkorb und ich war mir ziemlich sicher, dass Legolas es durch seine Brust hindurch wahrnehmen konnte. Er wusste, was er mit seinen Berührungen bei mir auslöste und es schien ihm zu gefallen. Ich konnte bei Eru nichts gegen diese Gefühle tun und wollte dies auch nicht. Ich genoss es, wie mein Körper auf Legolas reagierte und welche Gefühle er in mir auslöste. Wenn er jetzt schon durch solche kleinen Berührungen so etwas in mir auslöste, welche Gefühle würden mich dann überrollen, wenn er mir wirklich näher kam und mich an anderen Stellen berührte?
Vor Scham über meine Gedanken wurden meine Wangen noch röter und Legolas lächelte selig, als er dies bemerkte. "Ich liebe deine roten Wangen" flüsterte er und meine Augen flatterten kurz. Egal was er jetzt tun würde, ich würde alles mit mir geschehen lassen.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt