58. Ein Druckmittel

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"Beantwortet endlich meine Frage!" donnerte der Anführer, welcher nun vor mir an einem breiten Tisch saß. Eine samtrote Tischdecke lag darauf und eine hölzerne Truhe stand rechts auf dem Tisch. Die beiden Männer hatten mich in das Zelt des Anführers getragen und mich schließlich auf einem Stuhl gefesselt. Mittlerweile fühlte sich meine linke Gesichtshälfte fast vollständig taub an. Der Schlag hatte gesessen.
Das Gefühl in meiner Magengegend hatte dafür nachgelassen. "Wenn ihr König Elessar meint, ich bin nicht seine Elbe! Er ist bloß ein guter Freund!" zischte ich und sah den Mann herausfordernd an. Ich wollte jetzt nach der Bloßstellung keine Schwäche zeigen, auch wenn ich mehr als nur Angst hatte. Der schwarzhaarige Mann schien nachzudenken. "Wir werden ja sehen, ob dies so ist" erwiderte er dann und langsam dämmerte mir, warum ich entführt wurde. "Ich bin euer Druckmittel, hab ich recht?" fragte ich mit gedämpfter Stimme und der Mann grinste leicht. "Ihr seid ein schlaues Köpfchen. Auch wenn König Elessar euch nicht zugetan ist, wird es jemand Anderes sein. Mit euch ist der Sieg unser" sagte er dann laut und erhob sich. "Wachen!" ich zuckte kurz zusammen bei dem Klang seiner Stimme und hinter mir ertönten Schritte. "Sagt den Anderen das wir Richtung Minas Tirith marschieren. Ich habe ein Treffen mit König Elessar" sagte der Anführer und mich überkam ein komisches Gefühl, während er so siegessicher grinste. Er kam um den Tisch herum, löste meine Fesseln und zog mich erbarmungslos hinter sich her aus dem Zelt. Auf dem Platz herrschte bereits Chaos und überall liefen Krieger herum, welche sich bewaffneten oder die letzten Rüstungsteile anzogen. "Fesselt unseren Gast, sie wird uns nach Minas Tirith begleiten!" rief der Anführer mit einer amüsierten Stimme und schubste mich zu einer Gruppe von Wachen, welche mich grinsend auffingen. Ich versuchte mich gegen die vielen Griffe zu wehren, doch als meine Hände hinter meinem Rücken erneut gefesselt wurden, war ich machtlos. Mir wurde eine Schlinge um den Hals gelegt, welche aus einem dünnen Seil bestand. Ängstlich schnappte ich nach Luft, als man diese stärker zu zog. Bei jeder noch so kleinen Bewegung schnürte mir die Schlinge nun die Luft ab und ich fühlte mich wie ein wildes Tier in Gefangenschaft. "Nehmt die Schlinge von meinem Hals, ihr-" setzte ich an, doch da wurde mir ein Tuch zwischen die Zähne gespannt und an meinem Hinterkopf zusammen gebunden. Ich quietschte erstickt, woraufhin die Männer nur lachten und von mir abließen. Meine Mundwinkel brannten und ich hatte Mühe den Mund überhaupt wieder zu schließen, so eng wurde das Tuch an meinem Hinterkopf gebunden. Immer mehr Männer in gold-silbernen Rüstungen, ausgestattet mit Helmen, Schildern und Speeren schritten an mir vorbei. Ich schätzte die genaue Anzahl auf fünfhundert Mann.
Ob mein Fehlen bereits jemanden aufgefallen war? Wahrscheinlich nicht. Legolas, Aragorn und Levin waren ganz vorne gewesen. Mir wurde schlecht, als ich daran dachte, dass Legolas mich gleich so sehen würde und ich als Druckmittel so einiges taugte. Zwar nicht wie von dem Anführer geplant, aber er wusste ja auch noch nicht, dass ich mit Aragorns engstem Freund eine Beziehung führte. Sie hatten doch tatsächlich gedacht, dass ich mit Aragorn etwas hätte. Wahrscheinlich hatte man uns beim zusammen stehen beobachtet, als er mich beseite gezogen hatte. Und dies wurde dann falsch interpretiert.
Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als sich die Schlinge um meinen Hals zu zog. Ein Röcheln verließ meine Kehle und ich setzte mich sofort in Bewegung. Mein Blick fiel auf die Streitmacht, welche in vierer Reihen das Lager verließen. Ich wurde von einem Krieger, welcher ziemlich mittig ging, an dem Seil der Schlinge mitgezogen. Jeden Fluchtplan verwarf ich gleich wieder. Erstens waren zu viele Ostlinge um mich herum, zweitens würde ich mich dadurch nur selbst ersticken und drittens hatte man mir vorher den Brustpanzer und meine Waffen abgenommen. Verteidigen konnte ich mich also auch nicht. Es war ausweglos.
Ich wusste nicht einmal mehr, wo wir genau waren. An der Grenze Mordors? Südlich von Minas Tirith oder doch eher östlich? Tausend Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Einzig allein die Schlinge um meinen Hals, welche sich gefährlich zu schnürte, wenn ich zu langsam ging, holte mich immer wieder aus meinen Gedanken. Ich fühlte mich so allein und schwach wie noch nie. Legolas hatte akzeptiert, dass ich ihm nach geritten war, doch ich versprach ihm auch, mich im Hintergrund zu halten und auf mich auf zu passen. Und jetzt wurde ich entführt und als Druckmittel verwendet. Wäre ich doch bloß in Thranduils Reich geblieben. Wie würde das Treffen gleich ablaufen? Was würde der Anführer mit mir erzwingen wollen? Ich sah mich um, als wir den Wald verließen und erkannte sofort die Pelennor Felder, welche sich vor uns erstreckten. Minas Tirith konnte man bereits erkennen und mein Herz begann in meiner Brust nervös zu klopfen. Wie war ich hier nur wieder herein geraten?
Gleichmäßig marschierten die Ostlinge über die Felder und ihre Schritte hallten mir besonders laut in den Ohren wieder. Die Stellen an meinem Hals, welche immer wieder von der Schlinge gequetscht wurden, fühlten sich bereits aufgeschürft und gereizt an. Mein Gesicht pochte und ich spürte bereits jetzt schon den Bluterguss auf meinem linken Wangenknochen. Als schließlich Minas Tirith nicht mehr weit von uns entfernt lag, kam auch langsam die Streitmacht Gondors, auf welcher Seite ich auch eigentlich stehen sollte, in Sicht. Ich erkannte bereits die Fahnen und Speere, welche in die Luft ragten und die Pferde, welche in der ersten Reihe standen. Ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit. So etwas wie Scham. Scham dafür, dass ich auf den Hinterhalt reingefallen war und nun zu einem Problem werden würde. Ich senkte den Kopf und wagte nicht mehr aufzublicken, bis die Ostlinge plötzlich zum stehen kamen. Ich hielt ebenfalls an und hob vorsichtig den Kopf. Soweit ich erkennen konnte trennten uns nur noch einige Meter von Gondors Armee. Es war still, auch auf Gondors Seite. Bis die Stimme des Anführers der Ostlinge über das Feld hallte: "König Elessar, wie ich sehe habt ihr es euch ebenfalls nicht nehmen lassen, mit einer Streitmacht im Rücken mir gegenüber zu treten!". Ich schluckte und versuchte den Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken. "Ich wusste, dass ihr es ebenfalls tun würdet Rhegar!" ertönte mit einem Mal die Stimme Aragorns, welche so verdammt nah klang. Ich konnte ihn allerdings nicht sehen, geschweige denn Legolas. Der Anführer, welcher sich nun als Rhegar entpuppt hatte, lachte laut auf. "Ihr rechnet mit einem Krieg, doch ich versuche diesem aus dem Weg zu gehen. Und wisst ihr auch wie ich mein Ziel erreichen werde? Es gibt ganz einfache Mittel, die einen Mann gefügig machen" rief Rhegar und der Mann, welcher mich hinter sich her gezogen hatte, packte mich auf einmal grob an meinem Arm. Ich zappelte, doch er zerrte mich durch die Reihen nach ganz vorne. "Ich schlage euch folgenden Handel vor; Ihr lasst mich und mein Volk in Frieden und sie wird nicht sterben" hörte ich Rhegar sagen, doch ich achtete gar nicht mehr auf ihn. Ich spürte alle Blicke auf mir, als mich der Mann neben Rhegar auf den Boden schmiss. Unsanft landete ich auf meinen Knien und schaute hoch. Sofort verharkte sich mein Blick mit dem von Aragorn, dessen Augen sich weiteten. Sein Blick schoss kaum merklich nach rechts zu Legolas, welcher einen Schritt vor getreten war. Blankes Entsetzen spiegelte sich in seinen blauen Augen. "Rénee!" Rhegar lachte. "Ich dachte erst sie gehört zu euch König Elessar, doch ein anderes Herz ist mir auch recht".

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt