49. Blinder Passagier

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"Du willst WAS?!" Aurelia sah mich aus großen, ungläubigen Augen an. Ich seufzte und verdrehte die Augen. "Ich will heimlich mit nach Gondor reiten. Ich weiß mich zu verteidigen Aurelia und ich möchte Legolas nicht alleine ziehen lassen. Bitte versteh das" sagte ich und wendete mich wieder meinem Beutel zu. "Legolas wird dir den Kopf abreißen, das ist dir doch hoffentlich bewusst" erwiderte sie nur und ich spürte ihre Anwesenheit hinter mir. Wieder seufzte ich und nickte dann.
Ich konnte mir nur allzu gut ausmalen, wie Legolas reagieren würde. Doch so sehr ich mir dies auch bewusst war, desto mehr verfestigte sich der Gedanke, heimlich mit nach Gondor zu reiten. Ich würde diese Ungewissheit einfach nicht ertragen können. Ständig würde ich darüber nachdenken, wann Legolas wieder zurückkehren oder ob er überhaupt zurück kommen würde. Verbissen stopfte ich ein paar wenige Sachen in den Beutel. "Ich weiß, dass ich dich nicht aufhalten kann. Wenn du dir einmal etwas in den Kopf gesetzt hast, dann ziehst du es auch durch. Das habe ich schon immer an dir bewundert Rè" ich drehte mich mit einem ehrlichen Lächeln zu meiner Freundin herum und nahm sie in den Arm. "Bitte pass gut auf dich auf und komm lebendig wieder zurück. Sonst töte ich dich ein weiteres Mal" fügte Aurelia noch hinzu. Ihre Stimme klang bedrückt, doch als ich mich von ihr löste und ihr in die Augen sah, konnte ich in ihnen etwas belustigtes erkennen. "Natürlich. Bitte sag keinem was von meinem Vorhaben. Wenn jemand nach mir fragt, sag, dass ich meinen Onkel Elrond in Bruchtal besuchen bin" sagte ich eindringlich und die blonde Elbin nickte. "Levin wird ebenfalls mit nach Gondor gehen, vielleicht bleibst du erstmal in seiner Nähe" schlug Aurelia wenig später vor, doch ich war mir unsicher.
Sollte ich mich Levin zeigen? Er würde mich nie verraten, doch nachher würde ich riskieren aufzufliegen.
Ich hatte mir bereits Kleidung für morgen früh auf den Tisch gelegt und legte nun sorgfältig meinen Waffengürtel, meinen Dolch, meinen Bogen inklusive Köcher und mein Kurzschwert daneben. "Wie gedenkst du nicht aufzufallen?" fragte Aurelia skeptisch, doch ich deutete nur auf meine Kleidung. Diese bestand aus einem langen Gewand und einem ebenso langen Umhang. Sie schien zu verstehen. "Du willst dich also die ganze Zeit verdeckt halten" ich nickte und sie warf mir einen zweifelnden Blick zu. Ich konnte ihre Sorgen verstehen, doch mich würde nichts mehr hier halten können. "Und was ist mit Molotov? Legolas hat ihn dir persönlich gekauft, also würde er ihn auch sofort erkennen. Und so viele schwarze Pferde gibt es hier nicht" fragte Aurelia weiter und ich stockte. Daran hatte ich gar nicht gedacht. "Mist" fluchte ich laut und auf Aurelias Lippen bildete sich daraufhin ein Grinsen. "Ich hab da so eine Idee" meinte sie dann und ich warf ihr einen Blick zu.

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, doch anhand der Farbe des Himmels konnte ich erkennen, dass sie bald aufgehen würde. Ich sprang förmlich aus meinem Bett und wäre beinahe gegen Aurelias Bett gelaufen, da es im Zimmer immernoch dunkel war. Im Bad wusch ich mein Gesicht und meinen Körper. Wer weiß wie lange ich dies nicht mehr tun könnte.
Es klopfte und ich sah auf. Aurelia stand noch etwas verschlafen im Türrahmen und erwiderte meinen Blick. "Soll ich dir die Haare machen?" fragte sie und ich nickte lächelnd. Sie war immer für mich da. Selbst jetzt, wo ich wahrscheinlich etwas verdammt kopfloses und unüberlegtes tat. Sie trat hinter mich und ich schaute ihr im Spiegel dabei zu, wie sie mir die Haarsträhnen vorne aus dem Gesicht flechtete und sie hinten zusammen band. "Soll ich deine Haare ganz zusammen binden, oder wirst du eine Kapuze tragen?" fragte sie schließlich und ich erwiderte sofort, dass ich eine Kapuze tragen würde. Wenig später verließ ich wieder das Bad und schlüpfte in meine Kleidung. Diese bestand aus einem hellgrünen Gewand, welches bis zum Boden reichte, einem grünen Umhang, welcher an den Seiten Schlitze für meine Arme besaß, eine enganliegende Hose in der gleichen Farbe und dunkelbraune Stiefel, welche bis zu meinen Knien reichten. Aurelia hielt mir plötzlich etwas dunkelgrünfarbiges entgegen und langsam griff ich danach. "Es könnte kalt werden" sagte sie und ich warf ihr einen dankenden Blick zu. Sie hatte mir ihre Armstulpen gegeben, welche mir bis zur Armbeuge reichten. Ich legte mir noch meinen braunen Waffengürtel um die Hüfte, welcher gut von dem Umhang versteckt wurde. Darin verstaute ich schließlich den Dolch und das elbische Kurzschwert. Meinen Köcher und den Bogen befestigte ich mit einem ledernen Band um meinen Oberkörper. "Hier" ertönte erneut die Stimme von Aurelia und ich drehte mich zu ihr um. Sie hielt mir meinen kleinen braunen Beutel entgegen, welchen ich an mir nahm. Wortlos fiel ich ihr ein weiteres Mal in die Arme. Es fühlte sich an wie ein Abschied, doch ich hatte nicht vor nicht wieder zurück zu kehren. Hoffentlich würde alles gut werden.
"Wirst du Legolas nicht noch verabschieden?" fragte sie mich mit einem prüfenden Blick, doch ich schüttelte den Kopf. "Wir haben uns gestern Abend bereits voneinander verabschiedet. Er denkt, ich schlafe noch" erwiderte ich und sie nickte verstehend. Ich sah mich nochmal im Zimmer um, doch ich schien nichts vergessen zu haben.
"Govado gin galu" (Möge Glück dich begleiten) sagte Aurelia mit einem schiefen Lächeln. In ihren Augen blitzte Traurigkeit auf. "Cuio vae" (Machs gut) erwiderte ich mit einem Lächeln und schloss dann leise die Tür.
Nun war ich allein. Der Gang lag dunkel und einsam vor mir. Mit einem Ruck zog ich mir meine große Kapuze über den Kopf und setzte mich in Bewegung. Je näher ich den großen Eingangstoren kam, desto stärker begann mein Herz nervös in meiner Brust zu klopfen. Immer mehr Elbenkrieger kamen mir entgegen und mit einem Mal war ich eine von vielen. Erleichtert stellte ich fest, dass mir niemand besonders Aufmerksamkeit schenkte und es weitere Elbinnen gab, die zu den hundert Kriegern dazu gehörten. Sie trugen alle ähnliche Kleidung wie ich. Mein Gesicht verzog sich, als mir plötzlich ein Gedanke kam. Warum hatte Thranduil mich nicht gefragt, ob ich mit nach Gondor reiten möchte? Vielleicht hatte Legolas es ihm persönlich verboten, da er mich in Sicherheit wissen wollte. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Er sagte doch immer, dass ich zu seinen besten Kriegern gehörte.
Ich konnte einige bekannte Gesichter unter den Elben ausmachen, doch Levin konnte ich in der Menge nicht erkennen. Auch von Legolas fehlte jede Spur. Leise seufzend ließ ich mich von der Masse zu den Ställen treiben und machte erst halt, als ich vor Molotovs Box stand. Sachte fuhr ich ihm mit meiner Hand über den Hals und tätschelte diesen kurz. Der schwarze Hengst schnaubte fröhlich und schaute mich aus seinen dunklen Augen an. "Es tut mir leid Molotov, aber du wirst hierbleiben müssen. Es wäre zu auffällig dich zu reiten. Taavi und Aurelia werden sich um dich kümmern. Bis bald" sagte ich leise und löste mich mit einem letzten Blick von ihm. Ich machte ein paar Schritte weiter nach links und hielt schließlich vor einer anderen Box. "Guten Morgen Faras" begrüßte ich das dunkelbraune Pferd mit einem schiefen Lächeln.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt