3. Der Prinz

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"Du hast WAS?!" fragte mich Aurelia mit offenem Mund und aufgerissenen Augen. Ich stöhnte gequält auf und ließ mich rücklings auf mein Bett fallen. Nachdem ich den Prinzen und seine fünf Gefolgselben zum Palast begleitet hatte, hatte ich mich drinnen unmittelbar mit den Worten: "Ich muss jetzt los" von dannen gemacht. Meine Schicht würde sowieso gleich beendet sein, da das Abendessen unmittelbar bevorstand. Legolas musste sich jetzt wahrscheinlich was weiß ich von mir denken, aber rückgängig machen konnte ich das alles auch nicht mehr. Ein Seufzen verließ meine Lippen, während Aurelia lachend den Kopf schüttelte. "Sowas kann auch nur dir passieren" sagte sie und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich rollte mit den Augen und erhob mich. Ich wusste was jetzt kam. "Und? Stimmt was alle sagen? Sieht er gut aus?" bombardierte sie mich auch schon mit Fragen über den Prinzen und ich hob mit einem unwissenden Grinsen meine Schultern. "Tja. Du wirst ihn ja gleich selbst sehen" erwiderte ich dann und Aurelia schürzte beleidigt die Lippen. Während sie sich im Bad frisch machte, starrte ich vor mich hin und dachte nach. Ich wusste nicht genau, wie ich mir Legolas vorgestellt hatte, doch sein Aussehen passte zu seinem Namen und seiner Herkunft. Er sah Thranduil wirklich ähnlich. Vor allem an den hellblonden Haaren hätte ich die Verwandtschaft ausmachen können, aber auf sowas hatte ich natürlich nicht geachtet. Viel zu eingenommen war ich von seinem Auftreten gewesen. Hier konnte kein männlicher Elb mehr mithalten. Legolas hatte bereits jetzt viel mehr erlebt, als manche Elben in ihren tausenden von Lebjahren. Ich kannte die Geschichten über die Zwerge und den Erebor. Legolas und Thranduil selbst hatten dort mitgewirkt. Ebenso meine Eltern. Ich war zu der Zeit auf Reisen und bereute es bis heute, nicht dort gewesen zu sein. Nicht zu vergessen war Legolas Teil der Ringgemeinschaft und hatte zum Großteil an der Rettung Mittelerdes mitgewirkt. Fasziniert rief ich mir sein Bild vor mein inneres Auge. Ja, sein Aussehen wurde alldem gerecht.
Die Tür zum Bad wurde beinahe aggressiv aufgerissen und Aurelia trat mit schnellen Schritten heraus. "Wir kommen wieder zu spät zum Essen" beschwerte sie sich und warf mir meine braunen Stiefel zu, welche mir bis zu den Knien reichten. "Los Los" rief sie noch hinterher und ich schlüpfte in meine Stiefel. Zusammen eilten wir zum Speisesaal. Fast alle Elben waren schon dort, doch wir schafften es wieder mal, nicht die Letzten zu sein. Leider waren nur noch zwei Plätze nebeneinder an Cyrians Tisch frei und Aurelia zerrte mich unerbittlich zu diesem. Schon von weitem lächelte mir der Elb zu. Zugegeben, ich mochte wie er mich umgarnte, doch irgendwann nervte es auch. Während des Essens herrschte im Speisesaal die gewohnte Lautstärke. Alle unterhielten sich an ihren Tischen, es wurde gelacht und hier und da ein paar Liebeleien ausgetauscht. "Habt ihr schon gehört welche Disziplinen es bei den Spielen geben wird?" fragte Taavi, ein Freund Cyrians, wenn ich mich nicht irrte. Ich hob interessiert den Kopf und auch die Anderen am Tisch lenkten ihre Aufmerksamkeit nun auf den blonden Elben. "Bogenschießen ist dabei, dann Schwertkampf, Weitwurf, Klettern und ein Parkour im Wald". Ich runzelte die Stirn. Die Disziplinen hörten sich gut an, nur Weitwurf würde für mich schwierig werden. "Ach man, Bogenschießen ist immer dabei" murrte Aurelia neben mir und ich legte ihr aufmunternd eine Hand auf die Schulter. Wenn sie eines nicht konnte, dann war es das Bogenschießen. Da war sie anders als die meisten Elben.
Plötzlich wurde es leiser um uns herum und ich hob verwirrt meinen Kopf. Erst dann bemerkte ich Thranduil, welcher vorne stand und die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte. Als es vollkommen leise war und alle Blicke auf den König lagen, hob dieser seine Stimme: "Meine Berater und ich haben uns dazu entschlossen, dass wir die dreißig Teilnehmer für die Sommerspiele in mehrere Gruppen aufteilen, damit jeder die Chance auf ein ausgeglichenes Training hat". Ein tuscheln ging durch die Reihen, jeder wollte mit seinen Freunden in einer Gruppe sein und man fragte sich, wie die Gruppen wohl aufgeteilt werden würden. Gespannt wechselte ich einen Blick mit Aurelia. "Und ich freue mich zu verkünden, dass mein Sohn Legolas heute angekommen ist" fuhr der König fort und ich spürte wie automatisch die Röte in meine Wangen schießen. "Da war ja was" flüsterte Aurelia leise mit einem Grinsen auf den Lippen. Ich trat ihr leicht unter dem Tisch gegen das Schienbein, doch ihr Grinsen blieb an Ort und Stelle. Es wurde geklatscht und als Legolas neben seinen Vater trat, wurde das Klatschen noch etwas lauter und gejubel brach aus. Ich konnte förmlich die vielen Elbinnen Herzen schneller schlagen hören, oder war es doch nur mein eigenes Herz, welches bei seinem Anblick zu flattern begann?
Jetzt wo Vater und Sohn nebeneinder standen, hätte ich mir am liebsten gegen die Stirn geklatscht, so sehr glichen sie sich doch. Als der Applaus abebbte, setzte Thranduil wieder zum Reden an. "Legolas wird nun die Namen der einzelnen Gruppen vorlesen und das Training, welches immer nach dem Frühstück stattfindet, wird dann bis zu den Spielen nur noch in der jeweiligen Gruppe ausgeführt. Ihr selbst könnt in eurer Gruppe bestimmen, was ihr üben wollt". Gebannt lag mein Blick die ganze Zeit über auf Legolas und mit einem Mal erwiderten seine blauen Augen meinen Blick. Mein Atem stockte leicht. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen wir einander an, dann wendete er sich ab, holte eine Pergamentrolle aus seinem Umhang und rollte diese langsam vor sich aus. Als seine Stimme ertönte war es, als würden alle einzig und allein seiner beruhigenden Stimme lauschen. Wie gefesselt hing ich an seinen Lippen. Er laß viele Namen vor, doch meiner war nicht darunter. Erst als Aurelias Name fiel, wendete ich meinen Blick von Legolas ab und sah meine Freundin enttäuscht an. Wir waren also nicht in einer Gruppe. Die Gruppen bestanden immer aus fünf Leuten, also gab es sechs verschiedene Gruppen. Wenn ich mich nicht verzählt hatte, waren wir nun schon bei der fünften Gruppe angekommen. Ich stützte mein Kinn auf meiner Hand ab und wartete darauf, dass mein Name fiel. Und dann endlich, während Legolas die fünfte Gruppe vorlas, fiel mein Name. "Rénee, Cyrian, Quinn, Levin und meine Wenigkeit" sagte seine Stimme laut und mein Herz setzte für einen Schlag aus. Ich war in einer Gruppe mit Legolas? Mit dem Prinzen hochpersönlich? Also meinen ersten Eindruck hatte ich auf jeden Fall schon einmal verkackt.
Während ich mich noch wunderte, bemerkte ich die vielen neidischen Blicke der anderen Elbinnen und den freudigen Blick Cyrians auf mir. "Wenn das mal kein Schicksal ist" flüsterte Aurelia verschwörerisch und wackelte mit den Augenbrauen. Ich seufzte leise und richtete meinen Blick wieder auf Legolas, welcher unbeirrt weiter die Namen der letzten Gruppe vorlas.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt