7. Nachtschicht Teil 2

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Im Laufe der Nacht kam es wie von mir persönlich vorhergesehen dazu, dass mir irgendwann die Augen zufielen und ich sitzend gegen die Mauer gelehnt eindöste. Ich konnte so etwas manchmal einfach nicht verhindern und tat auch nichts aktiv gegen meine Müdigkeit. Ich war gerade dabei in einen festen Schlaf zu fallen, wodurch ich die Schritte, welche auf mich zukamen, nicht wahrnahm. "So sieht also eine Nachtwache bei euch aus" ertönte eine belustigte Stimme, welche mich sofort aus dem Schlaf riss. Ich schreckte auf und - stoß mir schmerzhaft den Kopf an den Zinnen der Mauer. "Autsch" jaulte ich sofort und kniff die Augen zusammen, während ich mir immernoch etwas benommen von der Müdigkeit die Stirn rieb. Ich spürte wie sich jemand vor mich kniete und sanft mein Handgelenk ergriff. "Es tut mir leid, ich wollte euch nicht erschrecken. Zumindest war dabei nicht geplant, dass ihr euch verletzt" murmelte die gleiche Stimme schuldbewusst und nun fiel mir auch endlich mal auf, dass Legolas so nah vor mir kniete und sich mit einem konzentrieren Blick meine Stirn ansah. Mein Atem stockte, als er mir schließlich in die Augen sah. "Kommt mit" sagte er dann und ich verzog das Gesicht zu einer fragenden Miene. "Wieso?". Legolas packte jedoch gleichzeitig meine Hände und zog mich mit einer sanften und dennoch flinken Bewegung auf die Füße. "Ihr blutet etwas" erwiderte der Prinz dann und fasste wieder nach meiner Hand. Still ließ ich dies zu und wie von alleine setzten sich meine Füße in Bewegung, als Legolas Richtung Schloss ging. Mich sanft hinter sich her ziehend. "Was macht ihr eigentlich um diese Zeit noch hier draußen?" fragte ich ihn dann nach ein paar Minuten des Schweigens. Seine Hand fühlte sich fantastisch in meiner Hand an und ich spürte die Wärme, welche von ihm ausging. Seine weiche Haut kitzelte meine und am liebsten hätte ich nie wieder losgelassen.
"Ich konnte nicht schlafen und bin etwas spazieren gewesen. Dann habe ich euch gesehen" antwortete der Elb und ich nickte bloß. Mittlerweile gingen wir durch die Gänge des Schlosses und ich fragte mich, warum ich mir ausgerechnet jetzt den Kopf anschlagen musste. "Die Krankenzimmer sind nachts geschlossen, ist es in Ordnung wenn ich euch rauf in meine Gemächer bringe? Dort habe ich selbst ein Notfallset aufbewahrt" fragte mich Legolas auf einmal, blieb dabei stehen und drehte sich mit einem fragenden Blick zu mir herum. Mein Herz raste. Wortlos nickte ich und öffnete die Lippen. Wenn ich Aurelia erzählen würde, dass mich der Prinz in seine Gemächer gebracht hatte, würde sie sofort anderes denken. Bei diesem Gedanken musste ich leicht schmunzeln. Legolas sah dies allerdings nicht mehr, da er sich bereits wieder rumgedreht hatte und mich weiter hinter sich herzog. Während wir durch das Schloss gingen und dann unzählige Treppen empor stiegen, sagte keiner von uns beiden etwas. Doch es herrschte eine angenehme Atmosphäre zwischen uns, einzig und allein mein Kopf pochte noch etwas von dem Zusammenstoß mit der Mauer. Doch die Schmerzen wurden größtenteils von dem Gefühl von Legolas Hand in meiner abgelöst. Nach ein paar Minuten erreichten wir schließlich das Ende der Treppe und so wie es aussah befanden wir uns nun auf der allerhöchsten Ebene des Schlosses. Ein Gang eröffnete sich vor uns, links waren einige Fenster eingebaut, durch die das helle Mondlicht fiel. Rechts befanden sich vier Türen, welche aus hellem Eichenholz waren. "Hier liegt auch das Gemach meines Vaters, also sollten wir leise sein" flüsterte Legolas und deutete mir an ihm weiter zu folgen. Wir gingen auf die letzte Tür des Ganges zu und blieben schließlich vor ihr stehen. Nun vollkommen neugierig auf Legolas Einrichtung schob ich mich leicht an dem Elben vorbei, als dieser die Tür öffnete und in das Zimmer eintrat. Es war ziemlich groß und geräumig, Fenster erhellten das Zimmer und mein Blick fiel als erstes auf das große Himmelbett, welches geradeaus an der Wand stand und ins Zimmer hinein ragte. Vor dem Bett stand eine längliche, dunkelbraune Truhe und links und rechts vom Bett standen kleine Tische, welche aus Ästen, passend zum Waldlandreich, gebaut waren. Das Bett war ebenfalls mit kleinen Ästen und Blättern verziert, ebenso wie die große Kommode rechts an der Wand. Links stand ein Schreibtisch, auf welchem leere Pergamentrollen lagen. Der Tisch hatte dasselbe braun wie die restlichen Möbel. An den Wänden hingen verschiedene kunstvolle Gemälde. Ein dunkelgrüner Teppich war auf dem Boden ausgerollt und allgemein wirkte das Zimmer auf mich sehr gemütlich und einladend. Zwei Türen befanden sich noch auf der rechten Seite und fragend zog ich die Augenbrauen zusammen. "Was liegt hinter diesen Türen?" fragte ich also, für einen Moment vergessend, warum wir eigentlich hier waren. Legolas lachte leise und sah mich von der Seite aus an. "Hinter der Tür liegt mein Bad und hinter dieser Tür mein Kleiderschrank und meine Waffenkammer" antwortete er dann und staunend ließ ich meinen Blick nochmal durch das Zimmer gleiten. "Setzt euch ruhig, ich hole nur eben das Notfallset" sagte der Elb dann und ich ließ mich vorsichtig auf die Truhe vor seinem Bett nieder. Dort lag nämlich so etwas wie ein Sitzkissen. Ich beobachtete Legolas dabei, wie er eine Kerze anzündete und dann kurz hinter der Tür zu seinem Kleiderschrank und der Waffenkammer verschwand. Nach einigen Sekunden war er auch schon wieder da und legte eine kleine Kiste neben mir ab, in welcher er dann kurz rumwühlte. "Das könnte jetzt etwas brennen" meinte er und schaute mir kurz in die Augen, ehe er seinen Blick wieder auf meine Stirn richtete und dann mit einem Tuch vorsichtig und unglaublich sanft auf meine Wunde tupfte. Es brannte wirklich etwas, doch es war auszuhalten. Da ich nicht wusste, wo ich hinschauen sollte, aufgrund von Legolas unmittelbarer Nähe, schloss ich die Augen und ließ alles über mich ergehen. Seine Berührungen fühlten sich gut an und ich genoss es beinahe zu sehr, wie er mit seinen Fingern über meine Haut fuhr. "Die Wunde ist relativ schmal und blutet auch nicht mehr. Ihr habt euch nur ordentlich die Haut aufgeratscht. Ich habe die Wunde jetzt gereinigt und etwas von einer speziellen Salbe draufgetan" erklärte mir Legolas schließlich nach ein paar Minuten und ich nickte dankend. Er ließ von mir ab und schloss das Kästen neben mir mit einem zufriedenen Blick auf mich. Dann blitzte jedoch Schuld in seinen blauen Augen auf. "Es tut mir leid, dass ihr wegen mir jetzt die Wache unterbrechen musstet und euch verletzt habt" fuhr der Elb dann fort und ich schmunzelte leicht. "Ach, ich habe sowieso gerade nicht das getan, was man von einer Wache in der Nachtschicht erwarten würde" erwiderte ich und nun bildete sich auch ein Grinsen auf Legolas Lippen. "Naja, ich kann eure Müdigkeit aber verstehen. Ich stelle mir die Nachtwache ziemlich langweilig vor" sagte er dann und ich nickte zustimmend. "Ihr wart heute gut beim Training" ich hob den Kopf und sah Legolas mit einem frechen Grinsen auf den Lippen an. "Ich sagte doch, dass ihr es gegen mich schwer haben werdet". Legolas erwiderte mein Lächeln und für eine unbestimmte Zeit sahen wir uns einfach nur still in die Augen. Er hatte wirklich schöne Augen. Dieses Blau wirkte beinahe magisch und gleichzeitig so tief und unnahbar, wie die Weite des Ozeans. Als ich drohte, in seinen Augen vollkommen zu versinken, wendete ich den Blick ab und strich mir verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hinter mein Ohr. "Ich muss jetzt auch wieder gehen. Die Wache ruft und ich darf nicht zu lange weg sein. Aber danke, dass ihr mich verarztet habt" sagte ich und erhob mich, Legolas Blick immer noch auf mir spürend. "Findet ihr den Weg zurück?" fragte er mich dann und öffnete mir die Tür von seinem Gemach hinaus auf den Gang. Ich nickte und warf ihm noch einen letzten Blick zu. "Gute Nacht Legolas" hauchte ich leise und drehte dem Elben meinen Rücken zu.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt