Fast schon ein wenig traurig saß ich nach einer für mich unbestimmten Zeit wieder auf Arod. Der Ort gefiel mir unfassbar gut und ich hatte noch keine Lust wieder zurück ins Schloss zu reiten. Doch das Abendessen stand bevor und da wir dies nicht verpassen wollten, mussten wir nun wieder aufbrechen. Legolas schien mein Gemüt zu bemerken, da er mich von unten herauf anblickte und dann sanft nach meiner Hand griff. "Wir werden wieder kommen, das verspreche ich dir" sagte er und ich schenkte seinen Worten glauben. Als er sich ebenfalls wieder auf Arods Rücken geschwungen hatte, legte ich meine Arme wie von selbst um seine Hüfte und lehnte mich leicht gegen seinen Rücken. Es war für mich noch etwas ungewohnt, Legolas zu duzen, doch es gefiel mir. "Hast du heute Abend wieder Nachtschicht?" fragte Legolas neugierig, während Arod sich in Bewegung setzte und leicht anfing zu traben. Ich schüttelte den Kopf. Dann fiel mir ein, dass er mich ja gar nicht sehen konnte im Moment und beeilte mich zu antworten: "Nein, ich habe morgen nach dem Mittagessen erst wieder Dienst". Ich dachte daran, dass ich Cyrian versprochen hatte, mit ihm nach dem Abendessen noch einmal das Bogenschießen zu üben. Merkwürdigerweise kam mir dies nun völlig seltsam vor, jetzt wo ich so nah hinter Legolas saß. Aber es würde ja nur eine kleine Trainingseinheit werden. "Darf ich dir eine Frage stellen Rénee?" fragte Legolas mich plötzlich nach ein paar Minuten und ich hob den Kopf. Entspannt hatte ich gegen seinen Rücken gelehnt und die Gegend gemustert, doch die Art, wie er seine Frage formulierte, ließ mich aufmerksam werden. "Ja klar" erwiderte ich nun vorsichtig und Legolas schien sich seine Frage genau zurecht zu legen. "Was geschah mit deinen Eltern? Du meintest einmal zu mir, dass sie für meinen Vater gekämpft haben. Mehr hast du aber nicht gesagt". Ich stockte und presste die Lippen aufeinander. Warum sollte ich Legolas die Wahrheit vorenthalten? Zudem war es schon etwas mehr als sechzig Jahre her und meine Traurigkeit hatte ich gut verarbeiten können in der Zeit. "Sie sind in der Schlacht um den Erebor gefallen" antwortete ich also wahrheitsgemäß und spürte gleich darauf Legolas warme Fingerspitzen und wie sie über meine Hand strichen. "Das tut mir leid. Viele Elbenkrieger haben damals ihr Leben dort gelassen. Ich selbst war auch da, aber wo warst du?" ich hatte gewusst, dass die Frage noch folgen würde und so konnte ich sofort antworten: "Ich war zu der Zeit auf Reisen. Ich bereue es bis heute, nicht ebenfalls dort gewesen zu sein. Dann hätte ich vielleicht meinen Eltern helfen können". Meine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser. "Oder du wärst ebenfalls gefallen und das hätten sich deine Eltern niemals verzeihen können" erwiderte Legolas mit fester Stimme und ich horchte auf. "Dann hätten wir beide uns vielleicht auch schon kennen gelernt" lächelte ich dann, die trüben Gedanken fort treiben wollend. Legolas drehte ich für einen Augenblick zu mir herum, nur um mir ein schelmisches Grinsen zu schenken. "Du wärst schon damals hin und weg von mir gewesen" ich lachte auf und schlug dem Elben spielerisch auf die Schulter. "Das denkst auch nur du!". Legolas erwiderte mein Lachen und Arod schnaubte aufgrund unserer Vergnügheit auf und peitschte seinen Schweif hin und her. "Naja, ich denke aber früher hättest du mich nicht wahrgenommen. Ich war zu dieser Zeit noch unscheinbarer als es heute der Fall ist. Noch nie stach ich durch mein Aussehen besonders heraus, doch heute erkennt man mich an meinen Kampfkünsten und - nicht zu vergessen - an meiner Tollpatschigkeit" fügte ich irgendwann gedankenverloren hinzu und erwartete eigentlich keine Antwort von Legolas. Doch dieser drehte sich zu mir herum und sah mich ernst aus seinen blauen Augen heraus an. "Du magst keine blauen oder grünen Augen haben und auch keine rotes oder blondes Haar, aber ich habe selten so ein atemberaubendes Antlitz gesehen, welches ebenfalls das Innere so perfekt widerspiegelt" hauchte der Elb vor mir beinahe und meine Lippen öffneten sich vor erstaunen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, doch ich kam auch gar nicht mehr dazu, da wir bereits an den Ställen angekommen waren und Arod stehen blieb. Meine Augen lösten sich von Legolas und mein Blick fiel auf eine blonde Person, welche mit verschränkten Armen und einem wissenden Blick bei den Ställen an einer Laterne lehnte. Ich verzog das Gesicht und ein "Och nö" verließ meine Lippen. Irritiert folgte Legolas meinen Blick und zog die Augenbrauen zusammen. "Hier treibst du dich also rum" rief Aurelia grinsend und war mit wenigen Schritten bei uns. "Ich habe dich überall gesucht" fügte sie tadelnd hinzu und ich verdrehte die Augen. "Ich habe dir doch gesagt, dass ich nach dem Essen etwas vorhabe" erwiderte ich und sie schnaubte. "Ich dachte das wäre nur erfunden, damit Cyrian dich endlich in Ruhe lässt". Legolas drehte sich halb zu mir um und sah mich mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck an. "Cyrian? Ist das nicht der Elb aus unserer Gruppe?" fragte er dann und bevor ich antworten konnte, plapperte Aurelia bereits los. "Ja genau. Cyrian steht schon seit langem auf Rénee und versucht sie schon seit einer halben Ewigkeit auszuführen, aber-" "ich habe kein Interesse" vollendete ich ihren Satz und Legolas grinste leicht. "Also wenn er dich weiterhin belästigt, kann ich gerne mal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden" lachte er und stieg elegant von Arod. Ich schüttelte ebenfalls lachend den Kopf und ließ mir von Legolas runter helfen. "Nein, alles gut" erwiderte ich und Legolas zuckte mit den Schultern. Währenddessen sah Aurelia zwischen uns hin und her und ich wurde aus irgend einem Grund plötzlich rot. "Ach übrigens, dass ist meine beste Freundin und Zimmergenossin Aurelia" stellte ich die blondhaarige Elbin Legolas vor, um meine roten Wangen zu überspielen. Er nickte ihr mit einem charmanten Lächeln zu und drehte sich dann zu mir: "Der Ausritt hat mir sehr gut gefallen. Wenn du möchtest, wiederholen wir das" grinste er und verabschiedete sich von uns, nur um Arod wieder in den großen Stall zu führen. Als Legolas außer Reichweite war, fasste mich Aurelia bei den Schultern und schüttelte mich leicht. "Von wegen ich will nur, dass du dich an ihn ranmachst!" lachte sie und zog mich unerbittlich hinter sich her ins Schloss hinein. "Es gibt jetzt Abendessen, sollten wir nicht-" fing ich an, doch sie unterbrach mich mit einem kurzen, strengen Blick. "Das Abendessen kann warten, du hast mir einiges zu erzählen". Ein Schmunzeln breitete sich auf meinen Lippen aus und ich ließ mich ohne Widerstände zu unserem Zimmer ziehen. Aurelia war schon immer eine neugierige und wissensbedürftigte Elbin gewesen, die auch mal gerne ihre Nase in andere Angelegenheiten steckte. Doch ich mochte diese Eigenschaft an ihr eigentlich ganz gerne. Sie hörte immer zu, wollte jedes Detail wissen und konnte am Ende immer noch etwas ratschlaggebendes sagen. Ich bezweifelte nur, dass sie mich ab jetzt nicht ständig damit nerven würde.
"Ich wusste ja bereits, dass dein erster Eindruck den Prinzen umgehauen hat, aber das ihr jetzt schon beim 'Du' seid hätte ich nicht gedacht" grinste sie und ich seufzte auf. Das konnte ein langer Abend ohne Abendessen werden.
DU LIEST GERADE
Rénee | Legolas
FanfictionRénee verbrachte den gesamten Ringkrieg im Düsterwald und wurde dort zu einer Grenz-und Palastwache ausgebildet. Sie steht unter Thranduils Obhut und konnte sich als eine seiner besten Wachen beweisen. Doch dann kehrt Thranduils Sohn, der Prinz des...