19. Marlie

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Kurz nachdem mir Legolas den Namen der Schneiderin verraten hatte, war die kleine Frau auch schon wieder um die Ecke gebogen und griff nach meiner Hand. Ich musste mich etwas bücken, doch ich konnte nur über ihr Wesen breit lächeln. "Legolas, du gehst bitte wie gewohnt zum Herrenbereich. Du darfst das Kleid deiner Begleitung erst beim Ball sehen!" rief Marlie über ihre Schulter und ich warf einen Blick zurück. Legolas zwinkerte mir noch zu, ehe er sich nach links begab. Die Schneiderin führte mich in ein Nebenzimmer, welches wahrscheinlich zur Anprobe diente. "Stell dich da vorne auf den Hocker Liebes" wies sie mich an und ich tat wie es mir gehieße. Vorsichtig stellte ich mich auf den kleinen Hocker und schaute geradewegs in mein Spiegelbild. Der goldene, Oval-förmige Spiegel stand mir gegenüber und ich konnte in ihm erkennen, wie Marlie hinter mir herum wuselte und verschiedene Stoffe in ihre Arme nahm. Dann stand sie plötzlich wieder neben mir und schaute fragend zu mir empor. "So mein Kind, hast du denn schon eine Vorstellung, welche Farbe dein Kleid haben soll?" fragte sie mich und überrumpelt zog ich die Augenbrauen zusammen. Darüber hatte ich mir tatsächlich noch keine Gedanken gemacht. "Wenn du möchtest, kann ich dir ein paar Farben heraussuchen, welche zu deiner Haarfarbe und Augenfarbe passen" schlug Marlie schließlich vor und ich nickte dankend. "Also ich möchte auf jeden Fall, dass Akzente des Waldlandreiches in dem Kleid vorkommen. Und ich würde mir nichts zu schweres wünschen, da ich mich besser in leichteren, geschmeidigeren Stoffen bewegen kann" sagte ich nach ein paar Minuten und Marlie nickte eifrig. "Genau das habe ich mir bei dir auch vorgestellt Liebes. Wenn du dich für eine Farbe entschieden hast, wird Legolas Anzug ebenfalls darauf angestimmt werden" erklärte sie mir und ich sah auf. "Er muss sich also mit der Farbe zufrieden geben, welche ich mir ausgesucht habe?" fragte ich und runzelte die Stirn. Jetzt war ich leicht verunsichert, da ich nicht genau wusste, welche Farben Legolas schön fand und welche nicht. Marlie lachte herzhaft und drückte meine Hand. "Ach Liebes, mach dir darüber keine Gedanken. Legolas wird mir allem zufrieden sein, glaub mir. Ich kenne seinen Geschmack". Ich nickte, nun deutlich erleichtert und wartete, bis Marlie mir einzelnd ein paar Stoffe zeigte. Wir waren lange beschäftigt und ich fragte mich irgendwann, was Legolas wohl gerade machte und ob er immernoch wartete. Irgendwann stand das Grundkonzept. Ich hatte mich zusammen mit Marlie für ein bräunliches Gold entschieden und sie arbeitete ein passendes Kleid für mich aus. Während sie zeichnete, fragte sie mich einige Dinge und ich überdachte jedes Detail gründlich. Wir entschieden uns für ein seidigen Stoff, welcher geschmeidig fallen würde.
"Wow" entkam es meinen Lippen, als ich die Skizze von Marlie betrachtete. Das Kleid war wirklich genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Kleine Blätter, Blumen und die Farbe des Kleides erfüllten meinen Wunsch, Akzente des Waldlandreiches mit ein zu bringen. Es würde für das bloße Auge trägerlos erscheinen, doch ein durchsichtiger, hauchdünner Stoff aus Seide wird über den Schultern verlaufen.
Der Ausschnitt würde auch nicht zu tief werden. Marlie meinte zwar mittendrin, dass ich Legolas damit gehörig den Kopf verdrehen würde, doch ich hatte abgelehnt. Ich wollte, dass er die Augen auf meinen behielt und nicht anderweitig abgelenkt wurde. Ich war jetzt schon auf seinen Blick gespannt, wenn er mich in diesem Kleid sehen würde. "So jetzt kümmere ich mich mal um den ungeduldigen Elben. Du wirst umwerfenden aussehen Liebes, das versichere ich dir. Legolas werden die Augen aus dem Kopf fallen" gluckste sie und ich wurde rot. Zusammen verließen wir den Raum und ich stand kurz etwas verloren herum. "Legolas Anzug wird auch etwas Zeit in Anspruch nehmen, du kannst denke ich gehen. Aber denk daran, am ersten Tag der Sommerspiele kommst du abends nochmal her, um das Kleid anzuprobieren ja?" sagte die Schneiderin und ich nickte mit einem Lächeln. Etwas traurig darüber, Legolas nicht mehr gesehen zu haben, machte ich mich wieder auf den Weg zurück zu meinem Gemach.
Der Abend war ein voller Erfolg gewesen und ich verspürte endlose Glückseligkeit. Ob Legolas Vater von mir als Legolas Begleitung wusste? Nachdenklich schlenderte ich durch die Gänge. Ich würde Legolas morgen einfach fragen.
Etwas müder als sonst stand ich am nächsten Morgen auf und wusch mich im Bad. Dann ließ ich mir von Aurelia die Haare zu komplizierten Mustern nach hinten Flechten und zusammen verließen wir schließlich das Zimmer. "Ich beneide dich so, du wirst jede Elbin in diesem Schloss in den Schatten stellen mit dem Kleid. Ich werde es zwar auch erst beim Sternenball zu Gesicht bekommen, aber ich kann mir glaube ich grob vorstellen, wie es deinen Erzählungen nach aussehen wird" sagte die blonde Elbin, als wir den Speisesaal betraten. Ich wollte gerade etwas erwidern, als sich auf einmal Cyrian in meinen Weg stellte. Leicht verunsichert sah er mich an und Aurelia neben mir warf mir einen kurzen, fragenden Blick zu. Als ich nickte, ging sie weiter. Nicht ohne Cyrian noch einmal prüfend anzusehen. Ich grinste innerlich über ihr Verhalten, versuchte aber äußerlich den neutralen Gesichtsausdruck aufrecht zu erhalten. "Hey, können wir kurz reden?" fragte mich der Elb und kratzte sich schüchtern am Nacken. Ich presste die Lippen aufeinander und nickte. Nebeneinander verließen wir wieder den Speisesaal. "Was gibt es?" fragte ich gerade heraus, als wir an einer Ecke stehen blieben. Hier war es ruhig und Cyrian schien nervös auszuatmen. "Ich wollte mich entschuldigen" sagte er dann und ich hob eine Augenbraue. "Ich weiß auch nicht, aber in dem Moment vorgestern sind mir einfach die Sicherungen durchgebrannt. Ich weiß ja auch, dass du meine Gefühle nicht erwiderst, aber dich mit ihm zu sehen hat mir einen Stich verpasst" erklärte er weiter und meine Miene lockerte sich. Er schien es ernst zu meinen. "Cyrian, ich bin dir nicht böse" sagte ich schließlich und er atmete erleichtert auf. "Aber lass Legolas aus dem Spiel, in Ordnung?" fragte ich und er nickte mit einem seufzer. Gemeinsam gingen wir wieder in den Speisesaal und ich ließ mich wie gewohnt neben Aurelia auf einen Stuhl fallen. "Und?" fragte sie mich sofort und ich schnappte mir etwas zu Essen. "Er hat sich entschuldigt" antwortete ich und sie nickte leicht. "Hoffentlich lässt er dich jetzt in Ruhe" lachte sie und ich grinste. "Bestimmt". "Okay, aber jetzt wieder zurück zum Sternenball; Ich freue mich darauf die Reaktionen der Elbinnen zu sehen, die im stillen darauf hoffen, dass Legolas sie für den Ball fragt, wenn du mit deinem Kleid an seiner Seite den Saal betrittst" sagte sie und ich hob den Kopf. "Oh man, ich werde jetzt schon nervös, wenn ich daran denke. Bestimmt blamiere ich mich oder falle über mein Kleid" erwiderte ich und Aurelia verdrehte grinsend die Augen. "Ach Quatsch. Du wirst fantastisch aussehen und den Abend über an Legolas Seite wunderbar aufgehoben sein". Ich schob mir etwas zu Essen in den Mund und dachte nach. Hoffentlich würde Aurelia recht behalten. "Was ist eigentlich mit dir?" fragte ich dann und sie wurde leicht rot. "Taavi hat mich eben gefragt, als du mit Cyrian draußen warst" gab sie zu und meine Augen wurden groß. "Und das sagst du mir erst jetzt?" beschwerte ich mich und knuffte ihr liebevoll in die Seite.
Es freute mich, dass meine Freundin ebenfalls jemanden gefunden hatte.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt