51. Missliche Situation

2.6K 140 7
                                    


Sanft fuhr ich Faras übers Fell und kraulte dann seine Ohren. Wir waren nun schon seit mehreren Tagen unterwegs und hatten zwischendurch nur kleinere Pausen gemacht. Levin, welcher seit unserem Aufeinandertreffen nur von meiner Seite wich, um nach vorne zu Legolas zu reiten und ihm als Freund und zweite Hand beiseite zu stehen, verriet mir, dass wir uns ranhalten mussten. Legolas wollte unbedingt morgen Minas Tirith erreichen. Mein Magen knurrte und ich packte ein Stück Lembas aus meinem Beutel. Ein weiteres Stück hielt ich Levin entgegen. Dieser lehnte jedoch dankend ab. Wir ritten ziemlich weit vorne und ich konnte sogar ab und zu Legolas hellblondes Haar erkennen, was mein Herz aufgeregt in meiner Brust hüpfen ließ. Ich vermisste ihn. Seine Nähe. Sein Lächeln. Einfach alles. Seufzend stemmte ich die Hände auf Faras Rücken und fragte mich, ob er mich genauso sehr vermisste. "Komm, ich glaube wir verschnellern wieder das Tempo" sagte Levin und deutete mir, ihm zu folgen. Ich trieb Faras stärker an und galoppierte hinter Levin und seinem Pferd her. Laurín hatte ich nur noch einmal kurz gesehen, er hatte sich bereits andere Gesellschaft gesucht und schien mich nicht aufsuchen zu wollen. Dies war auch gut so. Ich versuchte mit einer Hand meine Kapuze an Ort und Stelle zu halten, während ich mit der anderen Hand die Zügel hielt. Ich fixierte mich einzig und allein auf Levin vor mir und sah mich erst wieder um, als wir unser Tempo wieder verlangsamten. Wir hatten die Rauros Fälle erreicht. Dies hörte man zumindest lautstark an dem Rauschen des Wassers. Links in der Ferne konnte man bereits die Berge des Aschengebirges erkennen, welche Mordor umschlossen. "Wir machen hier eine Pause! Ruht euch aus und lasst eure Pferde grasen und trinken!" Ich zuckte leicht bei dem Klang seiner Stimme zusammen und hob vorsichtig den Kopf. Ich befeuchtete meine Lippen und verfolgte ihn mit meinen Augen. Levin und ich hatten viele Elben überholt während des galoppierens und waren somit auch näher an Legolas heran gekommen. Kurz warf ich Levin einen Blick zu, doch dieser schien keine Gefahr zu sehen. Er klopfte seinem Pferd auf den Hals und half mir von Faras hinunter. "Schmachte ihn nicht zu auffällig an. Elben bemerken alles, das weißt du doch" sagte er mit gesenkter Stimme und ich seufzte resigniert. Levin hatte recht. Ich würde noch auffliegen, weil ich Legolas so angaffte. Erschöpft ließ ich mich auf den Boden nieder und lehnte mich gegen einen Stein. "Ruhe dich etwas aus. Ich komme gleich wieder" hörte ich Levin noch sagen, bevor ich auch schon einnickte.
Levin weckte mich irgendwann und es ging weiter. Die Sonne ging unter und der Mond erhob sich, doch wir ritten weiter den Anduin entlang und ließen die Rauros Fälle weit hinter uns. Stattdessen rückte das Aschengebirge immer näher und irgendwann konnten meine Elbenaugen auch die weißen Gebirge erkennen, welche rechts von uns lagen und hinter welchen sich Gondor erstreckte. Zwischen den beiden Gebirgen lag Minas Tirith und ich konnte bereits jetzt die Aufregung verspüren. Es wurde wieder Tag und die Sonne schien unbarmherzig auf uns hinunter. Trotz der kälter werdenden Temperaturen wärmten die Sonnenstrahlen und ich verfluchte irgendwann die übergroße Kapuze auf meinem Kopf.
Am Nachmittag hielten wir noch einmal an, um Pause zu machen. Ich aß etwas und entfernte mich dann von den Anderen, um mich am Anduin waschen zu gehen. Levin schaute mir mit einem prüfenden Blick hinterher.
Am Flussufer angekommen ließ ich mich auf die Knie fallen und tauchte meine Hände in das kühle Wasser. Ich wusch mein Gesicht und streifte für einen Moment meine Kapuze ab. Ich schloss die Augen und genoss die Geräusche der Natur. Plötzlich plätscherte es nicht weit von mir entfernt laut und ein paar Wassertropfen landeten auf meiner Kleidung. Ich öffnete die Augen, hob den Blick und erstarrte.
Einige Meter vor mir stand ein großer Bär auf einem Stein mitten im Fluss und angelte mit seinen riesigen Pranken Fische aus diesem. Nervös begann mein Herz schneller zu klopfen und ich überlegte fieberhaft, was ich nun tun sollte. Ich durfte mich nicht zu ruckartig bewegen, denn sonst würde der Bär auf mich aufmerksam werden. Vorsichtig hob ich meine Knie an und ging in die Hocke, mein Blick lag durchgehend auf den Bären. Langsam versuchte ich rückwärts immer mehr Abstand zwischen mir und dem Bären zu bekommen und wagte dabei nicht auszuatmen. Plötzlich spürte ich hinter mir eine Präsenz und hielt inne. "Nicht anhalten. Macht weiter so, er darf uns nicht bemerken. Ich habe nicht vor, einen Bären zu töten" flüsterte eine mir nur allzu bekannte Stimme eindringlich und ich wagte nicht mich umzudrehen. Legolas schien hinter mir zu stehen, denn seine Stimme klang nicht weit entfernt. Ich schluckte und mir wurde unerträglich heiß. Auch das noch. Warum war niemanden sonst meine missliche Lage aufgefallen? Warum ausgerechnet Legolas?
Verbissen versuchte ich mich leise weiter vom Flussufer zu entfernen und vermied es dabei, einen Blick nach hinten zu werfen. Plötzlich schallte eine weitere, laute Stimme zu uns hinüber, die so verdammt nach Laurín klang: "Ein Bär!". Ich stoppte in meiner Bewegung und dann ging alles ganz schnell. Der Bär hob seinen Kopf, Legolas griff nach meinen Schultern und half mir somit zurück auf die Beine. Hinter uns schienen sich alle auf ihre Pferde zu schwingen, da Hufgetrampel erklang. Erst als der Bär ein markerschütterndes Brüllen ausstoß, erwachte ich aus meiner Starre und riss die Augen entsetzt auf. "Lauft!" rief Legolas und ich spürte, wie er von hinten nach meinem Arm griff. Ich sah noch wie sich der Bär in Bewegung setzte und rannte dann um mein Leben. Doch dann stolperte ich ungeschickt über meine eigenen Füße und fiel der Länge nach hin. Dabei riss ich versehentlich Legolas mit und landete halb auf ihn drauf. Mir entwich ein Keuchen und wie automatisch richtete sich mein Blick auf Legolas, welcher mich ebenfalls ansah. Ich konnte nichts sagen, nichts tun und mich auch nicht mehr bewegen. Ich war wie erstarrt. Legolas Augen weiteten sich und er schaute mich mit einer undefinierbaren Miene an. Dann, als hätte jemand wieder den Schalter umgelegt, erwachten wir aus unserer Trance und Legolas sprang auf. Er packte mich und zog mich hinter sich her. Meine Gedanken rasten, hinter uns ertönte das Schnaufen des Bären.
Mit entsetzen musste ich feststellen, dass Faras vor Angst mit den anderen Pferden geflohen sein musste. Legolas hielt vor Arod an, welcher nervös zappelte und warf mich fast schon auf seinen Rücken. Mir rauschte das Blut in den Ohren und mein Herz donnerte in meiner Brust. Legolas schwang sich hinter mich und sofort schoss Arod nach vorne. Vor Schreck klammerte ich mich in seiner Mähne fest und wagte nicht, einen Blick zurück zu werfen. Ich schaute nur geradeaus und fixierte Levin, welcher vor uns ritt.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt