57. Der Anführer

2.4K 135 15
                                    

Legolas •

Geduldig wartete ich darauf, dass Aragorn wieder zurückkehrte. Als er mir seine Hand von hinten auf die Schulter legte, drehte ich mich zu ihm herum. "Sie steht in der letzten Reihe, dort ist sie am sichersten. Sollte es zu einer Schlacht kommen, wird es dauern, bis die Ostlinge ganz hinten ankommen. Wenn es überhaupt dazu kommt und wir sie nicht schon vorher in den Griff bekommen" sagte Aragorn und ich nickte dankend. "Danke mellon" (Freund) Aragorn drückte kurz meine Schulter und ließ mich dann los. "Mach dir keine Gedanken. Rénee weiß was sie tut und wie sie sich zu verteidigen hat" fügte er noch hinzu und ich schenkte ihm ein kurzes, aber ehrliches Lächeln. Mein Blick richtete sich gen Minas Tirith, doch ich konnte die letzte Reihe der Streitmacht von hier aus nicht sehen. Doch der Gedanke, dass Rénee dort hinten zusammen mit anderen Kriegern stand, beruhigte mich enorm.

• Rénee •

Mein Kopf brummte schmerzhaft. Stöhnend hob ich den Kopf und presste die Lippen aufeinander.
Meine Sicht war noch immer etwas verschwommen, doch sie besserte sich immer mehr, bis ich wieder einigermaßen klar sehen konnte. Ich saß auf einem Bett in einem runden, großen Zelt. Hier standen noch einige andere Möbelstücke herum und verschiedene Waffen lagen auf einem Tisch. Von draußen ertönten Stimmen und andere Geräusche, doch etwas anderes verlangte meine Aufmerksamkeit. Mein Herz begann in meiner Brust zu rasen und hektisch versuchte ich die Fesseln um meine Handgelenke zu lösen. Ich war mit einem dicken Seil an dem Bettpfosten gefesselt worden und bemerkte auch jetzt die Fesseln an meinen Knöcheln. Angst machte sich in mir breit und das Dröhnen meines Kopfes machte das Ganze nicht gerade besser. Wie war ich hier gelandet und wer hatte mich entführt?
Ich zappelte wie ein Fisch auf dem trockenen und sah mich dabei hektisch im Zelt um. Als plötzlich Schritte ertönten, die immer näher kamen, hielt ich angespannt in meiner Bewegung inne und fixierte den Zelteingang. Durch diesen traten zwei große Männer, welche in gold-silbernen Rüstungen steckten. Meine Augen wurden groß. Diese Rüstungen kannte ich von Legolas Erzählungen. "Oh sieh mal, die Kleine ist wach" sagte der eine Mann mit einem dreckigen Grinsen, während der Andere näher auf mich zu trat. Sofort versuchte ich mich von ihm zu entfernen, die Fesseln hielten mich jedoch an Ort und Stelle. Der Mann lachte laut auf und deutete dem Anderen ihm zu helfen. "Wir bringen dich jetzt zu unserem Anführer" grinste er dann und packte mich. Ich schrie auf und trat aus, doch der Mann hatte einen starken Griff und quetschte schmerzhaft meinen Oberarm. Ich keuchte auf und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Was wollt ihr von mir?!" sagte ich gepresst und konnte ein leichtes Zittern in meiner Stimme nicht verhindern. Der Mann, der meine Fesseln vom Bettpfosten löste, grinste breit. "Das wirst du gleich erfahren" antwortete er dann und packte mich ebenfalls an meinem anderen Arm. Sie zogen mich vom Bett runter und ich landete unsanft auf meinen Knien. "Steh auf!" brummte der Eine und zog mich schmerzhaft an meinem Arm wieder auf die Beine. Meine Füße, welche immernoch gefesselt waren, schliffen über den Boden, als sie sich in Bewegung setzten. Kurz blendete mich die Sonne, als wir hinaus traten, doch dann konnte ich meine Umgebung mustern. Ich befand mich auf einem riesigen Kriegszeltplatz. Überall standen runde, rote Zelte und Karren mit Waffen und Rüstungsteilen standen herum. Um uns herum befanden sich hochgewachsene Bäume, welche den Ostlingen und ihrem Lager Schutz boten. Ich war mir mittlerweile ziemlich sicher, dass ich mich in dem Lager unserer Feinde befand und von ihnen entführt wurde.
Die beiden Männer schliffen mich quer über den Platz, wobei alle, an denen wir vorbei kamen, mich mit einem amüsierten Blick musterten. Dann blieben wir plötzlich vor einem großen Zelt stehen, welches beim näheren Betrachten viel pompöser aussah, als die anderen Zelte. Ich schluckte und versuchte mich zu beruhigen. Einer der beiden Männer bückte sich und löste meine Fußfesseln, doch die an meinen Handgelenken blieb. Ich reckte das Kinn, als sich etwas hinter dem Eingang des Zeltes regte und dann ein weiterer Mann heraus trat, welcher jedoch lediglich eine Rüstung trug. Er hatte nicht wie die Anderen einen Helm auf. Ich sah in sein Gesicht und hätte meins beinahe verzogen. Der Mann mir gegenüber hatte ein Brandmal auf der linken Gesichtshälfte und eine dunkle Narbe zog sich von seinem Hals über sein Kinn. Er musste der Anführer der Ostlinge sein, mit dem Aragorn zu verhandeln versuchte. Der Mann musterte mich einen Moment lang und trat dann langsam auf mich zu. "Ihr seid schön. Ihr könntet wahrlich eine Elbe sein" sagte er plötzlich und ich verzog missbilligend das Gesicht. "Ni elleth" (Ich bin Elbin) zischte ich und der Mann hob erstaunt eine Augenbraue. Wortlos trat er noch einen Schritt an mich heran und mein Herz begann wieder heftiger gegen meinen Brustkorb zu klopfen. Seine Nähe war mir unangenehm. Ich presste die Lippen aufeinander und beobachtete den Mann dabei, wie er seine Hand ausstreckte und mir schließlich eine Haarsträhne hinters Ohr strich. Dabei entblößte er mein spitz zulaufendes Ohr. Ein Grinsen bildete sich auf seinem hässlichen Gesicht. Es wirkte schmierig und irgendwie ekelig. "Wie kommt es, dass sich eine Elbe mit einem Menschen einlässt?" fragte er mit einem Mal fasziniert und ich zog die Augenbrauen zusammen. Wovon sprach er?
"Ich habe mich mit keinem Menschen eingelassen. Ich wüsste aber auch nicht, was euch das angeht" fauchte ich und nun verzog der Mann verwirrt das Gesicht. Während er sprach, prallte sein Atem auf mein Gesicht, so nahe war er mir. "Also seid ihr nicht das Miststück des Königs?" knurrte er dann abwertend, während die Männer um uns herum in Gelächter ausbrachen.
Wut kochte in mir auf und ehe ich richtig darüber nachgedacht hatte, lehnte ich mich vor und spuckte dem Mann vor mir ins Gesicht. Um mich herum wurde es sofort still und ich realisierte, was ich gerade getan hatte. Der Anführer hatte die Augen zusammen gekniffen und wischte sich nun mit einer langsamen Bewegung übers Gesicht. Als er seine Augen wieder öffnete, konnte ich in ihnen puren Hass erkennen. Dann holte er plötzlich aus und schlug mir hart mit seiner geballten Faust ins Gesicht. Mein Kopf flog nach hinten, in meinen Ohren piepte es schrill. Als seine Fast in meiner Magengrube landete, sackte ich vor Schmerz keuchend zusammen. Würden mich die beiden Männer nicht immernoch festhalten, würde ich nun auf den Boden sinken. Mit einer schnellen Bewegung war der Anführer wieder zu mir getreten und packte nun schmerzhaft in meine Haare, nur um meinen Kopf nach hinten zu reißen. Seine Lippen befanden sich an meinem Ohr und noch etwas benommen von dem Schlag in mein Gesicht, konnte ich nichts gegen seine Aufdringlichkeit tun. Meine linke Gesichtshälfte schmerzte wie Hölle und ich hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. "Schönheit hin oder her, jedes Gesicht kann man entstellen. Wenn ihr so etwas wie gerade noch einmal wagt, schlitze ich eure Kehle auf, verstanden?" zischte der Anführer bedrohlich in mein Ohr und ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ich erwiderte nichts, doch dies schien für ihn Antwort genug.

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt