53. Aussprache

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Schweigend standen Legolas und ich nebeneinander an der Mauer und blickten hinunter auf die Weite der Pelennor Felder. In der Ferne konnte ich sogar den Hafen erkennen. Wir hatten all die vielen Stufen des Turmes erklommen und nun wurde uns eine atemberaubende Aussicht geboten. Ich überlegte mir gerade, was ich sagen und wie ich anfangen sollte, da ertönte bereits Legolas Stimme. "Warum?" fragte er und ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Er schaute gedankenverloren in die Ferne. Ich atmete noch einmal tief durch und versuchte, die richtigen Worte zu finden. "Ich wollte nicht unwissend zurück bleiben. Jeden Tag auf dich zu warten und zu hoffen, dass dir nichts schlimmes widerfährt, hörte sich für mich verdammt grausam an. Als dein Vater sagte, dass du die Streitmacht nach Gondor führen würdest, da schlich sich diese Idee in meine Gedanken. Ich wusste, dass du sauer und enttäuscht sein würdest, doch ich konnte und wollte nicht auf dich hören. Ich habe dir auch nicht versprochen, dir nicht zu folgen" sagte ich leise und diesmal war es Legolas, welcher mir einen Blick zu warf. "Ich hatte dich gebeten, mir nicht hinter zu reiten und im Palast zu bleiben. Wie kann ich dir vertrauen, wenn du deine eigenen Entscheidungen triffst?" fragte er und seine Stimme klang ungewohnt scharf. Ich presste die Lippen aufeinander und erwiderte seinen Blick. Seine blauen Augen bescherten mir weiche Knie, obwohl sich in ihnen alle möglichen Emotionen abspielten. "Was gibt dir das Recht, über mich zu entscheiden?" fragte ich schließlich verbissen und Legolas Kiefer spannte sich an. Seine Miene änderte sich und Wut dominierte nun in seinen Augen. "Hört man denn nicht auf die Worte eines Geliebten, melethril (Geliebte)?" fragte er verächtlich und wandte sich mir nun ganz zu. "Eben weil ich dich liebe, bin ich dir hinterher geritten Legolas! Sag mir nicht, dass du es nicht auch getan hättest" erwiderte ich versucht ruhig und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Legolas erwiderte daraufhin nichts, doch in seinen Augen tobte es. "Ich hätte den Gedanken einfach nicht ertragen können, dich vielleicht nie wieder zu sehen" fügte ich leise hinzu und Legolas schnaubte. "Und was ist mit mir? Denkst du dabei keine Sekunde lang an mich? Jetzt wo du hier bist, werde ich alles mögliche daran setzen, damit dir nichts geschieht. Was meinst du wie ich mich fühle, wenn ich mir nun darüber Gedanken machen muss, dich vielleicht bei der Schlacht sterben zu sehen.. Versuch diesen Gedanken mal zu ertragen!" rief Legolas wütend und ich schluckte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ziemlich egoistisch gehandelt hatte. Doch lieber würde ich neben ihn kämpfen, anstatt in Thranduils Hallen auf ihn zu warten wie ein häufchen Elend.
"Diheno enni" (Verzeih/vergib mir) flüsterte ich leise und trat einen Schritt näher an ihn heran. Er jedoch wandte sich von mir ab, stützte seine Unterarme auf die Mauer und starrte in die Ferne. "Versuch mich aber auch zu verstehen. Ich bin ein Teil von dir und dass seitdem du mich geküsst hast" sagte ich, doch verbesserte mich sofort. "Nein viel eher noch. Als wir uns das erste Mal im Wald begegnet sind. Dort habe ich mich unwissend an dich gebunden und nun werde ich dich nie wieder gehen lassen". Legolas senkte den Blick und löste sich dann seufzend von der Mauer. "Versprich mir, dass du mich nächstes Mal einweihst. Auch wenn ich gegen deine Entscheidung bin, möchte ich mit dir darüber reden können und versuchen einen Weg zu finden, der uns beide glücklich macht" sagte er und schaute mir etwas besänftigt in die Augen. Die Wut war verblasst, ebenso wie die Enttäuschung. Letzteres war das Schlimmste für mich gewesen. Jemanden zu enttäuschen tat viel mehr weh, als jemanden wütend zu machen. Ich nickte und sah ihm fest in die Augen. "Versprochen" erwiderte ich und Legolas nickte. War nun wieder alles gut zwischen uns?
Unsicher schaute ich in seine Augen. Dann, meinen inneren Drängen folgend, stellte ich mich etwas auf die Zehnspitzen und legte meine Lippen sanft auf Legolas'. Er schien anfangs etwas überrumpelt, denn seine Lippen waren starr und unnachgiebig. Dann allerdings umfasste er mein Gesicht mit seinen Händen und bewegte seine Lippen im Einklang zu meinen. Der Kuss entfachte sich sofort leidenschaftlich. Legolas schien all seine Gefühle zum Ausdruck bringen zu wollen, denn mal küsste er meine Lippen mit einem beinahe wütenden Druck und mal zärtlich und verlangend. Mir gefiel jedoch seine Bestimmtheit.
Schwer atmend lösten wir uns schließlich wieder voneinander.
"Ich habe dich und deine Küsse schon vermisst" flüsterte Legolas gegen meine Lippen und ich lächelte verträumt. Ich war froh, dass wir die Sache aus der Welt schaffen konnten und er meine Anwesenheit, wohl mehr schlecht als recht, akzeptiert hatte. Fragte sich nur, ob er mich nun auch bei der Schlacht mitkämpfen lassen würde.
"Wusste Levin eigentlich davon?" fragte Legolas plötzlich und ich verzog mein Gesicht. Anhand meiner Reaktion konnte Legolas wohl eins und eins zusammen zählen, denn er hob eine Augenbraue und ein wissender Ausdruck bildete sich auf seinem Gesicht. "Du darfst ihm nicht böse sein. Er hat es auch erst vor ein paar Tagen erfahren, da ich unaufmerksam gewesen war. Er war von Anfang an skeptisch und war sich den Konsequenzen bewusst, aber ich bat ihn, dir nichts zu sagen" erklärte ich und Legolas seufzte ergeben.
"Ich hätte eigentlich schon wissen müssen, dass du dich unter der Kapuze versteckst, als du auf den Bären trafst. Nur du kannst dich in solche Situationen bringen. Jeder andere Elb hätte vorher die Umgebung abgesucht" grinste Legolas mit einem Mal und ich schürzte die Lippen. "Hey, das stimmt doch gar nicht" erwiderte ich beleidigt, konnte jedoch ein Grinsen ebenfalls nicht unterdrücken. "Komm, lass uns wieder runter gehen. Wir werden mit Aragorn und Arwen zu Abend essen" ich nickte und folgte Legolas wieder die vielen Stufen hinunter zum Eingangsbereich des Turmes. Mir war schon etwas schwindlig, aufgrund der Wendeltreppe. Als wir hinaus auf das Plateau traten, konnte ich meinen Blick nicht von dem Brunnen und dem weißen Baum nehmen. "Es ist wunderschön" hauchte ich und Legolas neben mir lächelte.
"Oh, Hallo Rénesmee!" ertönte plötzlich eine Stimme und ich hob den Kopf. Laurín wunk mir fröhlich zu. Ich lächelte gezwungen und wandte mich dann mit einem unschuldigen Blick Legolas zu. Dieser erwiderte meinen Blick mit einer hochgezogenen Augenbrauen. "Rénesmee?" fragte er dann und ich seufzte leicht. "Erkläre ich dir später".

Rénee | LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt