Teil 7

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Die Wahrheit wollen wir doch gar nicht hören

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" Ab hier kann ich alleine gehen. Ist nicht mehr weit.", spreche ich in die Dunkelheit. Kenan bleibt neben mir verwundert stehen. Wir sind mitten in meinem Viertel und nur noch zwei Blocks von meinem Haus entfernt. Es ist nah genug. "Wo wohnst du? Ich bringe dich noch bis zur Haustür.", meint Kenan. Er steht mit beiden Händen in den Taschen da und mustert mich. Unbehaglich ziere ich mich. "Nein passt schon. Geh du zurück zu deinen Freunden. Ich bin schon ein großes Mädchen das allein nach Hause kann." Wieder versuche ich ihn abzuwimmeln.

 Immer wieder schaue ich zurück. Hoffentlich kommt jetzt keiner der mich kennt. "Ich weiß das du das alleine kannst, aber ich möchte gerne. Also wo wohnst du?" Kenan schaut sich neugierig um. "Ich will das aber nicht. Geh einfach. Danke fürs hierherbringen." Schmallippig lächle ich ihn an. Er scheint kurz verwirrt. "Ist irgendwas mit dir? Du bist seit ein paar Minuten so komisch." "Nein alles gut. Ich will nur nach Hause gehen. Allein."

Bei dieser Erinnerung an letzten Abend sticht mir etwas gewaltig ins Herz. Ich habe mich wie die letzte Zicke aufgeführt doch hatte keine Wahl es besser zu machen. Ich hatte panische Angst davor erwischt zu werden dabei ist das total Hirnrissig. Keiner Verbieten es mir mit Jungs auszugehen. Ich war sogar schon ziemlich oft mit Jungs weg nur leider nicht mit so einem wie Kenan. Ich habe mir grundlos Sorgen gemacht erwischt zu werden. Mein Vater kam erst mitten in der Nacht nach Hause.

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Ein tiefer Seufzer entkommt meinen Lippen als ich mich in meinen Stuhl zurücksinken lasse. Mein Kopf ist voll um mich richtig auf den Unterricht zu konzentrieren. Kenan habe ich heute Morgen noch nicht gesehen dafür aber Ty der nur einen abfälligen Blick übrighatte. Ich bin stehe unter Strom, will am liebsten die Sache mit Kenan vergessen aber auf der anderen Seite will ich zu ihm rennen und die Situation erklären. Doch das kommt nicht in Frage.

Als es klingelt bin ich immer noch kein Stück weiter wie ich mich jetzt in Kenans Nähe verhalten soll. "Ever?" Ich blicke auf. Ein brünettes Mädchen steht neben mir. Ich erkenne sie wieder, sie ist Ty's Freundin von gestern. "Hi" antworte ich ein bisschen unbeholfen. "Ich weiß das mich das eigentlich nichts angeht aber Kenan ist mein Freund also frage ich doch mal. Was hast du gestern zu ihm gesagt? Als er wiederkam war er total bedrückt und irgendwie...zickig." Sie lächelt, zieht ihren hohen Pferdeschwanz stramm und schaut mir in die Augen. Ich erwidere den Blick ohne mein Gesicht zu verziehen.

"Du hast recht. Es geht dich nichts an." Damit drehe ich mich in die entgegengesetzte Richtung und verschwinde tiefer im Schulgebäude. Was hat sie den erwartet? Das ich ihr sofort all meine Probleme aufzähle und ihr detailliert verrate wieso ich so gehandelt habe? Ich habe heute das erste Mal mit ihr geredet, nur weil wir den gleichen Jungen kennen heißt das nicht wie seien Busenfreundinnen. In meinem Kopf gehe ich alle Argumente durch. Ich ärgere mich über naive Menschen und über mich selbst. Ein gewisser Teil hätte es schön gefunden mit jemanden zu reden doch der andere Teil weiß, dass das nicht so einfach funktionieren kann.

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"Tisch 4" Ich nehme den Kuchen von Marleen entgegen und bringe ihn zu einer älteren Dame an Tisch 4. Heute ist nicht viel los im Café. Marleen und ich kommen gut zu zweit zurecht. Wegen dem wenigen Betrieb kehren meine Gedanken immer wieder zu Kenan zurück. Inzwischen bereue ich es ihn so abgewiesen zu haben doch die Angst das uns jemand sehen könnte saß tief.

Ich knalle völlig in Gedanken versunken gegen eine Tischkante. Leise fluchend stolpere ich zurück hinter den Tresen. Mit verzehrtem Gesicht reibe ich mir die Stelle. Ich darf nicht träumen, es ist passiert. Es ist Vergangen. Kenan passt nicht zu mir. Er würde mir nur Probleme bereiten. Problemen die ich mich nicht stellen will. Zufrieden mit meiner kleinen Motivation rede gehe ich mit neuem Elan an die Kuchentheke und hole zwei Stücker Nusskuchen raus. 

"Ever? Alles gut bei dir?" fragt Marleen schüchtern nach. Sie steht auf der anderen Seite und hat dreckiges Geschirr in den Händen. "Ja klar. Alles super." erwidere ich mit ein bisschen zu viel Elan. Skeptisch schaut Marleen mir nach wie ich zwei Stücke Nusskuchen an ein Mädchen weitergebe die an der Theke steht.

"Das glaub ich dir nicht. Ist es wegen dem Jungen?" "Marleen." murre ich sie leise an. Sie öffnet den Mund um etwas zu erwidern als sie durch irgendwas hinter mir abgelenkt wird. Ohne ihr Beachtung zu schenken nehme ich ihr das dreckige Geschirr ab und lege es in die Spülmaschine. Als ich wieder hochkomme stocke ich mitten in der Bewegung. Kenan steht vor mir. Ty und seine Freundin auch. Ty ignoriert mich weites gehen, er nimmt seine Freundin und setzt sich an Tisch Nummer 3. Kenan folgt ihnen mit ein bisschen Abstand. Seine Miene ist neutral, ich ziere mich innerlich davor die Gruppe zu bedienen. Doch Marleen schaut mich nur grinsend an. Mechanisch gehe ich zu ihrem Tisch und frage was sie den haben wollen.

Kenan schaut mir die ganze Zeit ins Gesicht, er studiert es beinahe so intensiv schaut er mich an. Das bringt mich total aus dem Kontext. 

"Ich nehme ein Stück Schokokuchen." sagt er. Die anderen zwei nehmen jeweils ein Kaffee. "Kommt sofort." ruckartig wende ich mich ab. Mit fahrigen Händen hole ich den Kuchen aus der Kühltheke und schiebe ihn auf einen Teller. Die Blicke von Kenan bin ich mir durchaus bewusst. Meine harschen Worte vom Vorabend kommen mir in den Sinn. 

Ich war unnötig grob zu ihm gewesen dabei wollte er mich doch nur nach Hause bringen. Ich lasse einen tiefen Seufzer entkommen und lehne mich kurz an den Tresen während der Kaffee durch die Maschine geht. Aus dem Augenwinkel sehe ich Kenan sich bewegen, er geht Richtung Waschräume.

"Marleen übernehme du Tisch 3!" Schnell gehe ich Kenan hinterher. Noch bevor er hinter der Tür verschwinden kann halte ich ihn am Ellenbogen fest. Ich muss das jetzt loswerden sonst fressen mich noch mein schlechtes Gewissen auf. Überrascht schaut er hinter sich. "Hi." "Hey." Jetzt wo ich die Chance habe alles zu erklären fällt mir nichts ein. "Ehm." sage ich nur. Gespannt wartet Kenan auf irgendwas von mir. Ich reiße mich zusammen. "Ich wollte nur klarstellen das gestern nichts mit dir zu tun hatte. Ich wollte einfach nur heim, der Tag war lang gewesen. Es war unnötig dich so anzupappen." Endlich ist es draußen. 

"Schon Verstanden. Mach dir kein Stress. Alles gut." Er will sich wieder umdrehen. So habe ich mir seine Reaktion nicht Vorgestellt, nicht das ich mir das überhaupt ausgemalt habe aber er reagiert schon unerwartet kühl.

"Alles Cool zwischen uns?" frage ich noch. Kenan bleibt mit dem Rücken zu mir stehen. Ich sehe wie sich seine Schultern zwei Mal heben und senken bevor er sich erneut umdreht. "Ever, du hast klar deutlich gemacht, dass du nicht interessiert bist." Ich will schon protestieren, weil das mein erster Reflex ist aber mir fällt kein guter Konter ein. Während ich stumm da stehe verlagert Kenan sein Gewicht auf das andere Bein. "Dein Freund ist hier, du solltest zu ihm." Er nickt nach hinten an die Theke. Ich ahne böses. Ein kurzer Blick reicht um Eric zu erkennen. Fuck.

Er fragt Marleen gerade etwas. Dann zeigt sie in unsere Richtung. Panik ergreift mich. Ich schubse Kenan durch die Tür und stolpere gleich mit. Ich bin mir ziemlich sicher das Eric mich gesehen hat oder es zumindest glaubt.

"Hey was soll das?" fragt Kenan verärgert. Doch ich habe keinen Nerv ihm die Situation zu erkläre, ich kann sie mir ja selbst nicht erklären. Von Draußen sind schwere Schritte zuhören. "Ever?" fragt Eric laut. Mein Herz klopft wie wild. Wenn er mich hier mit Kenan auf der Herrentoilette erwischt wird er bestimmt nicht erst auf meine Erklärung warten. Kenan greift um mich herum an die Tür. Ich handle inzentiv. Ich packe Kenan am Arm und schiebe ihn in eine Kabine und schließe ab. Kenans verwirrten Blick ignorierend setzte ich mich auf den Toilettensitz und ziehe die Beine hoch, da geht auch schon die Tür zur Herrentoilette auf.

"Ever? Bist du hier drin?" dringt die tiefe verärgerte Stimme von Eric zu uns rein. Oh Heiliger Bimbam. Mit großen Augen schaue ich zu Kenan auf. Dieser funkelt mich nur böse an. Stumm bettle ich darum das er mitspielt. Ich sehe wie er zögert wie er abwiegt. "Hier ist keine Ever, Bro!" ruft er raus. Vor Erleichterung sacke ich in mich zusammen.

The DifferenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt