Teil 12

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Es ist anstrengend ich zu sein.

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Die Tage bis zu Versammlung meide ich Kenan und auch Kim. Meine Gedanken hängen immer noch dem Abend bei der alten Kirche nach. Es war ein schöner Tag auch wenn er doof geendet hat. Ich war es die ihn doof enden lassen hat und trotzdem wage ich mich nicht zu entschuldigen. Es ist besser, wenn ich Kenan meide. Zumindest rede ich mir genau das ein.

Zuhause verschwinde ich immer öfter gleich in meinem Zimmer. Eric und sein Vater oder andere seiner Freunde kommen jetzt immer öfter vorbei. Mein Vater bemüht sich ein gutes Verhältnis mit mir aufzubauen, er fragt mich wie es in der Schule war, er bietet mir an mich zu ihnen zu setzten und er drückt mich mindestens einmal am Tag aber...es bleibt trotzdem eine gewisse Distanz zwischen uns.

Gerade stehe ich vor meinem Stehspiegel und mustere mich. Ich trage schwarze Jeans, schwarze Stiefel und einen weißen Pullover. Darüber trage ich eine schwarze Lederjacke. Es ist nichts Besonderes und trotzdem zögere ich. Mein Vater hat mir ein T-Shirt gegeben, mich gebeten es anzuziehen aber ich wage es kaum es auch nur in die Hand zu nehmen. Das Shirt ist selbst bedruckt. Vorne auf der Brust prangt das Wappen des Vereins. Hinten auf dem Rücken stehen zwei kurze Sätze: Für unser Vaterland! Gegen all das schlechte der Welt!

Mir wird übel bei den Sätzen auch wenn ich sie seit Kindesbeinen zu hören bekomme. Meine Mum war nie so...sie war gutherzig, treu und immer für alles offen. Erst nach ihrem Tod ist mein Vater in diese Welt geraten und mich hat er gleich mit gezerrt. Das Shirt verhöhnt mich. Es verdeutlich mir wie schwach ich doch bin.

Wütend schnappe ich mir das Shirt, knülle es zusammen und werfe es gegen die Wand. Stumm fällt es auf den Boden. "Ever!" ruft mein Vater. Ich verdrehe die Augen und schlucke meinen Frust nach unten. "Komme!" Wütend schnappe ich mir meine Umhängetasche, mein Handy und mein Geldbeutel und gehe nach unten.

Mein Vater steht bereits am Treppengelände. Er trägt ein Hoodie mit dem fetten Wappen vorne auf der Brust. Auf seinem Gesicht sehe ich ein aufgeregtes Grinsen. Ich zwinge mich ebenfalls zu lächeln. "Da bist du ja. Komm Eric und Steve warten bereits. Sie nehmen uns mit." "Okay." Ich fahre mir ein letztes Mal durch meine Schulterlangen Haare, binde sie zurück und richte meinen Pullover und die Jacke neu.

"Wieso trägst du das Shirt nicht?" Mein Dad bleibt an der Tür stehen und mustert meinen Hoodie mit Verachtung. "Eh....das ist dreckig geworden. Beim Schminken ist Make Up drauf getropft. Voll Schade." Ich hüstle und meide den Blick. "Mhm. Das ist doof, nächstes Mal musst du besser aufpassen. Tue ihn einfach in die Wäsche, ich wasche ihn heute Abend." Mein Dad streichelt meine Schulter kurz, dann öffnet er die Tür.

Ein Kloß breitet sich in meinem Magen aus. Vor unserem Haus parkt das Auto von Steve. Ich sehe Eric auf dem Beifahrersitz. Mein Dad öffnet die Hintertür und dreht sich zu mir. Ich stehe nach wie vor im Eingang der Tür. "Kommst du?" fragt er laut genug damit ich es höre. Ich schüttle meine Haltung ab und gehe zum Auto.

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Es ist mehr los als ich gedacht habe. Wir sind außerhalb der Ortschafft auf einem verlassenen Grundstück mit Hütte. Hier sind Männer, Frauen und sogar Kinder vertreten. Sie spielen fangen oder schreien herum. Die Männer sitzen auf Bierbänken oder stehen zusammen in einem Kreis und trinken Bier. Die Frauen sitzen meist auf den Bierbänken oder räumen dreckiges Geschirr weg. Aus Lautsprechern ertönt Volksmusik. Hier herrscht allgemein gute Stimmung.

Mein Vater kommt sofort mit ein paar anderen ins Gespräch, er zieht Steve mit, lässt mich mit Eric alleine. Dieser stupst mich grinsend an. Er trägt ebenfalls eins dieser hässlichen Shirts. Er hat seine blonden Haare nach hinten gekämmt, sich rasiert und trägt seine beste Jeans. Er hat sich rausgeputzt. "Das hast du all die Jahre immer verpasst." "Ich musste ja auch immer arbeiten." weiche ich aus. Eric schüttelt nur lächelnd den Kopf als müsse er ganz genau das ich die Arbeit stehts als Ausrede genutzt habe.

"Na komm, gehen wir zu unserer Altersgruppe." Eric greift sanft nach meiner Hand und zieht mich hinter sich durch die Menschen. Wir bleiben immer mal wieder stehen, Eric holt sich ein Bier, mir bietet er ebenfalls eins an aber ich lehne dankend ab. Wir werden auch immer wieder angesprochen, von Frauen die mich schon seit klein auf kennen oder von Kindern auf die ich früher mal aufgepasst habe. Sie sind alle freundlich zu mir, bieten mir etwas zu essen und zu trinken an.

Mein Gehirn kommt aber nicht drum herum sich zu fragen ob sie auch so freundlich zu mir wären, wenn ich mehr nach meiner Mum käme. Wenn ich schwarze Haare hätte oder wenn ich einen gebräunten Hautton hätte. Die Erkenntnis trifft mich hart, nein, keiner wäre so freundlich zu mir würde ich auch nur ein bisschen so aussehen wie meine Mum. Der Stich in meinem Herzen wird ignoriert, so wie ich alles Negative ignoriere.

"Da hinten sind Basti und Vanessa." Eric hält nach wie vor meine Hand und zieht mich wie einen Hund immer weiter. Seine Hand ist schwitzig und er hält sie einen tick zu fest. Ich fühle mich unwohl. Trotzdem ziehe ich meine Hand nicht weg. Noch nicht.

Wir verlassen das laute Getümmel an Menschen und gehen weiter auf das Feld zu. Hier draußen sind Schießstände aufgebaut. Immer wieder zischt ein Knall durch die Luft. Jedes Mal zucke ich heftig zusammen was Eric total lustig findet. Mein Ärger steigt an.

"Hey Ever, willst du auch mal?" Vanessa kommt zu mir gehüpft. Sie hat ein Jagdgewehr in der linken Hand und wedelt damit durch die Luft. Ich zucke vor Schreck nach hinten und stoße gegen Eric. Lachend umfängt er meine Taille und zieht mich enger an sich. Mich durchläuft ein Schauer aber keiner der guten Sorte. Ich will mich wieder rauswinden aber Eric hält mich fest.

"Das macht Spaß." versichert mir Vanessa. Sie ist eigentlich ein total liebes Mädchen. Sie ging mit mir in die Mittelstufe ist aber nach der 9. ab gegangen um eine Lehre als Friseurin anzufangen. Sie hat langes rotes Haar und total tolle grüne Augen. Sie ist hübsch auch wenn sie mir mit ihrer Waffenfanatikerin Seite Angst macht. 

Sie streckt mir die geladenen Waffen vor die Hände. "Komm ich zeig dir wie es geht." Ich will nein sagen, ich will nicht schießen können oder mit Waffen umgehen aber da drückt Eric meine Taille und ich spüre wie er sich fester an mich drückt. Igitt. "Ja klar." erwidere ich voller Enthusiasmus und löse mich sofort von Eric.

Vanessa legt einen Arm um meine Schulter und zieht mich vorwärts. "Gern geschehen." flüstert sie mir ins Ohr. Verdutzt schaue ich zu ihr, ihr Gesicht ins ganz nah an meinem. Sie deutet ein nicken hinter uns an. "Eric. Ich weiß wie anhänglich er sein kann, also...gern geschehen." Ich lächle erleichtert und entspanne mich augenblicklich. "Danke." erwidere ich.

Sie führt mich zu einer kleinen Gruppe von Jugendlichen aller Altersgruppen. Vor uns ist ein Tisch mit vielen verschiedenen Waffen aufgereiht und in ein paar Meter Entfernung sind Zielscheiben. Ein Junge, er muss gerade erst in die Pubertät gekommen sein, reicht mir eine lange Pistole. Zögernd nehme ich sie ihm dankend ab. Sie ist schwerer als sie aussieht. "Also das wichtigste was du beachten musst ist das du bitte nur nach vorne schießt und achte drauf ob sie geladen ist oder nicht." Vanessa tänzelt vor mir umher. Sie reicht mir große Kopfhörer die ich anziehe. Sie korrigiert meine Haltung und legt meine Finger an den Abzug. Mein Herz klopft wie verrückt in der Brust.

Ich werde gleich schießen, mit einer echten Waffe. Eine Waffe die Menschen umbringen können. "Alles klar, Ever? Mir einfach nachmachen." Nur noch am Rande bekomme ich mit wie Vanessa sich neben mich stellt, die Beine auseinander, den Blick nach vorne gerichtet. "Auf drei Ever." Ich halte eine Waffe in der Hand. Ich bin gegen Waffen und Gewalt jeglicher Art. Waffen bringen Menschen um...unschuldige Menschen...meine Mum. Der Kloß von vorhin ist wieder da und drückt sich so fest gegen meine Brust das ich laut auf keuchen muss.

Wie aus dem Nichts ertönt ein Ohrenbetäubender Knall, gleichzeitig spüre ich ein brennen in meinem Gesicht und mit einem Mal liege ich auf dem Boden und starre zum Himmel hoch. Mein Kinn pocht wie verrückt. Mir stehen Tränen in den Augen, vor Schmerzt am Kinn aber auch vor schmerzt im Herzen. Ich habe geschossen, eine Waffe. Eine Waffe mit der meine Mum umgebracht wurde. Ich bekomme keine Luft mehr.

Verschwommen nehme ich fremde Gesichter wahr. Ich höre es schreien. Jemand schreit. Jemand schreit meinen Namen aber ich bekomme nicht genug Luft um zu Antworten. Ich habe Angst. Ich habe geschossen. Meine Mum ist dadurch gestorben. Meine Mum. Meine Mama. Ein schluchzen entkommt meinen Lippen und dann sehe ich ein bekanntes Gesicht. Mein Dad beugt sich über mich. Er schaut besorgt von meinem Kinn zu meinen Augen.

 "Mum." wimmere ich nur leise aber Dad versteht. Ein zutiefst getroffener Ausdruck legt sich auf sein Gesicht. Er zieht mich mit einem Ruck hoch und in seine Arme. 

The DifferenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt