So habe ich mir das alles nicht vorgestellt
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Mit schwitzenden Händen öffne die Haustür und betrete unseren Flur. "Bin Zuhause!" rufe ich ins Haus und hoffe insgeheim das mir keiner antworten wird, aber ich höre bereits die Stimmen aus dem Wohnzimmer. Mist, wir haben Besuch.
"Wir sind im Wohnzimmer." dringt die Stimme von meinem Vater durch das Haus. Ich ziehe erst meine Schuhe und Jacke aus, die Zeit nehme ich mir um mich mental auf die kommenden Minuten vorzubereiten. Ich setze mein Pokerface auf.
"Hey, Dad." sage ich als ich das Wohnzimmer betrete. Kurz huschen meine Augen umher um die Lage abzuchecken. Mein Vater steht mit Steve gerade am Fenster, das zur Straße hinaus geht. Eric sitz auf der Couch, trinkt Bier und spielt am Handy. Als sie mich hören drehen sich alle zu mir um.
Mein Vater schaut mich an, dann huscht sein Blick kurz zu Steve, der einmal nickt. Dann wendet sich mein Vater wieder mir zu. "Du hast lang her gebraucht." sagt er nur, ohne mir ins Gesicht zu schauen. Ich stelle mich aufrechter hin, strecke die Schultern durch, weil ich spüre das irgendwas Großes auf mich zukommt. "Ich bin gelaufen." "Wieso?" Ich verkneife mir ein Augenrollen.
"Weil ich den Bus verpasst habe. Ich wollte eigentlich mit Kim etwas trinken gehen, dann kam deine Nachricht." Mein Vater nickt zwei Mal, als klinge meine Antwort plausibel. "Ich will diese Kim kennenlernen." Ich ziehe die Augenbrauen hoch und warte auf eine Erklärung. Die er mir auch prompt gibt. "Ich habe das Gefühl sie ist kein guter Umgang. Außerdem will ich das dich Eric ab sofort von der Schule abholt."
Ich lache ironisch auf und verschränke meine Arme vor der Brust. "Nein." sage ich klar und deutlich. Im Augenwinkel sehe ich wie Eric aufsteht. "Everleigh." mahnt mein Vater.
"Eric muss arbeiten, er kann nicht den Chauffeur für mich spielen. Außerdem komme ich gut ohne ihn zurecht. Ich habe zwei gesunde Beine!" Auf Kim gehe ich erst gar nicht ein. Das ist lächerlich von ihm und das weiß er. "Mir gefällt dein Ton nicht junge Dame!" Mein Vater tritt vor. Ich bin mir nur überdeutlich die Blicke der zwei anderen Männer bewusst. "Können wir das dann klären, wenn wir allein sind?" frage ich ihn und schaue demonstrativ zu Steve und Eric.
"Everleigh, sei vernünftig. Es ist doch viel bequemer gefahren zu werden als zu laufen." versucht es Eric mit sanfter Stimme. "Nein. Wir klären das jetzt." sagt mein Vater mit fester Stimme. Am liebsten hätte ich ihm entgegen gespuckt, dass er es wohl nicht schafft ohne seinen Best Buddy seiner Tochter die Stirn zu bieten aber ich schweige. Noch.
"Wenn er Zeit hat wird Eric dich zur Schule fahren und wieder abholen. Dir könnte sonst was passieren auf dem Weg!" donnert er los. Ich drücke alle Gefühle in mir nieder. Meine Stimme ist eisig als ich spreche: "Ich bin keine 5 mehr, Dad." Ich schaue in seine Augen. "Wenn du meinst mich so kontrollieren zu müssen, dann mach dich darauf bereit das ich an meinem 18. Geburtstag meine Tasche packen werde und nie wieder zurückkommen werde." Ich meine jedes Wort so wie ich es sage. Zwar ist der Gedanke, ohne alles hier einfach zu verschwinden, grauenvoll aber noch schlimmer wäre ein Leben das aus Verboten und klein beigeben.
Meinem Vater ist jede bisschen Farbe aus dem Gesicht gewichen. Ich weiß das ihn diese Vorstellung, auch noch mich zu verlieren fast krank macht. "Das wagst du!" droht er mir mit erhobenem Finger. "Finde es heraus!" provoziere ich mit einem sadistischen Lächeln. "Hey! Wir kommen jetzt alle mal runter!" Eric ist aufgestanden und hat sich zwischen uns gestellt. Er schaut zwischen mir und ihm hin und her.
"Ever hat das gewiss nicht so gemeint..." mahnend schaut er mich an. "und Richard wollte das bestimmt anders ausdrücken." Jetzt schaut er meinen Vater mahnend an. Dieser grummelt nur irgendwas Unverständliches. "Wir beruhigen uns jetzt alle." Eric steht immer noch zwischen uns. "Eigentlich wollte dein Vater etwas anderes sagen." Demonstrativ schaut Eric zu meinem Dad.
Er verdreht die Augen. "Ich will aber, dass du morgen mitkommst! Aber diesmal mit gescheiten Klamotten sonst werde ich dich ganz von der Schule abmelden und daheim Unterrichten. Du bist immer noch Minderjährig und meine Tochter. Hast du mich verstanden?" befiehlt er mir. Meine erste Reaktion ist es auch da zu widersprechen aber als ich ihn Erics bittendes Gesicht schaue und meinen Vater zerrissen sehe, merke ich wie ich nicke.
Das scheint meinen Vater zu besänftigen. "Gut. Morgen ab 4 geht es los. Pulli Pflicht!" "Okay." flüstere ich leise. Als mein Vater sich erneut Steve zuwendet und Eric Anzeichen macht zu mir zu kommen, drehe ich mich um und verschwinde durch die Tür. Mit angehaltenem Atem.
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"Weiß er was?" dringt Kenans beruhigende Stimme zu mir ins Ohr. Erschöpft lasse ich mich in die Kissen zurücksinken. "Nein, ich glaube nicht. Ich glaube er vermutet was, aber er hat keine Beweise." Ich höre wie Kenan am anderen Ende der Leitung aufseufzt. "Das ist gut, Ever." Ich habe ihn noch nichts von Morgen Abend erzählt.
"Ja, ich weiß." "Du klingst aber trotzdem niedergeschlagen. Was ist los?" Diesmal seufze ich. "Ich will nicht immer hoffen das mein Dad nichts von mir mitbekommt. Ich will nicht heimlich mit dir telefonieren müssen. Ich will auch mal Kim und Amber her holen für einen Mädels Abend oder...dich." Das letzte flüstere ich so leise das er es kaum gehört haben kann.
"Willst du mit mir auch einen Mädels Abend machen?" fragt er im Spaß aber ich höre eine gewisse Dringlichkeit heraus. Ich schließe die Augen. "Nein, eher zum kuscheln." "Nur zum kuscheln?" Ich meine mir einzubilden das seine Stimme ein bisschen tiefer wird.
"Du denkst gleich wieder versaut." "An meinen Gedanken war rein gar nichts versaut." beteuert er, auch wenn ich es besser weiß. Denn meine Gedanken sind auch nicht Jugendfrei. Wie gerne ich ihn wieder küssen würde, seinen Körper berühren und..."Hast du Lust Morgen mit Marlon und mir in die Stadt zu gehen?" Unterbricht Kenan meine schönen Gedanken.
"Eh mit Marlon?" harke ich unsicher nach. Kleine Kinder sind nicht ganz so meins, meinst mögen sie mich auch nicht besonders. "Ja." Kenan lacht verunsichert. "Marlon fragt schon die ganze Zeit nach dir. Er mag dich." "Das ist...irgendwie süß." gestehe ich ihm. "Also ist das ein ja?" fragt er.
Ich seufze erneut, diesmal tiefer und schwerer. "Tut mir leid. Ich kann Morgen nicht. Aber am Wochenende können wir gerne was machen. Wir könnten zu euch." sage ich. Ich bin Erleichtert nicht mit in die Stadt zu müssen, da wäre mir das Risiko gesehen zu werden zu hoch. Bei ihm im Viertel dürfte nichts passieren.
"Ja, dann also Samstag?" "Ja, aber ich arbeite bis 3." "Dann hole ich dich ab und fahren zu mir." Ich lächle. "Oke geht klar."
Jetzt halte ich nicht mehr den Atem an. Bei Kenan kann ich frei atmen.
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The Difference
Teen FictionEverleigh und Kenan. Zwei Verschiedene Charaktere. Zwei verschiedene Menschen. Sie wollte das alles nicht. Er hat das alles herbeigerufen. Sie hatte Angst. Er nahm sie ihr. Er und Sie Ein Thema das jeden von uns etwas angeht. Eine fiktive Gesc...