Teil 21

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Wie die Ruhe vor dem Sturm

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"Nein auf keinen Fall." lache ich. Kenan, der neben mir läuft grinst mich breit an. "Wieso nicht? Ich würde es auf jeden Fall ausprobieren." "Das wundert mich nicht." Kenan bleibt entrüstet stehen und schaut mich mit großen Augen an. Sein Gesicht bringt mich noch mehr zum Kichern. "Ich habe das ironisch gemeint." Auch er muss sich zusammenreißen um nicht zu lachen. Seine gespielt, schockierte Miene ist unheimlich süß. Ich erröte und drehe mich wieder nach vorne.

Wir laufen gerade über den Schulhof zu der Bushaltestelle und dem Parkplatz. Kenan und ich hatten die letzte Stunde zusammen Politikwissenschaften, nur heute hat der Lehrer mehr von sich erzählt als uns irgendwas beizubringen. "Ja, klar." ziehe ich ihn auf. Kenan schnaubt. "Ich bin nicht wie Mr. Francis." "Stimmt, du würdest statt Kakerlaken, Ratten probieren."

Ich sehe Kenans Ellenbogen nicht kommen. Er schubst mich leicht in die Seite. Laut lachend lasse ich mich ein paar Schritte zur Seite schubsen. "Ach komm, so ein leckerer Rattenschwanz ist doch bestimmt lecker." Ich mache laute MMMHH Geräusche. Kenan schlägt sich die Hand vor den Mund und tut als ob er gleich kotzen müsste. Mir tut bereits der Bauch vom vielen Lachen weh aber ich möchte nicht aufhören. "Niemals." würgt Kenan. "Man muss es aus seiner Perspektive sehen. Er hat den Survival Trip gebucht, mit allem was dazugehört." "Er wurde nicht gezwungen das zu essen. Ich wäre ausgestiegen und heimgeflogen." meint Kenan, noch immer leicht blass im Gesicht.

"Er hat mehrere Tausend Euro für den Ausflug und den Flug dorthin gezahlt. Außerdem waren sie mitten im nirgendwo." "Da fängt es schon an." "Was fängt an?" "Der Unterschied. Ich würde niemals so einen Trip mache. Vergiss es. Ich schaue kein Dschungelcamp, weil ich es zu eklig finde." Ich muss bei seinem Geständnis schmunzeln. "Also kein Outdoor Typ?" harke ich neugierig nach.

Ich spüre Kenans Blick auf mir wären wir den Hof überqueren. Die Sonne scheint warm auf uns herunter. "Nicht die Art Outdoortyp." "Du bist der Glamping Typ?" frage ich im Spaß als eine Person am Zaun des Schulgebäudes mich innehalten lässt. Blaue Augen schauen mich an, sie brennen sich in mich hinein. In ihnen brodelt der Sturm. Ich höre Kenans Erwiderung nicht. In meinen Ohren rauscht es.

Eric schaut von mir zu Kenan, der dicht neben mir läuft. Mir wird schlecht, dabei habe ich nichts Falsches gemacht. "Everleigh?!" fragt Kenan nun lauter und deutlich näher an mir dran. Ich zucke zusammen und reiße meinen Blick von Eric und schaue in Kenans braune Augen. Sie suchen mein Gesicht ab. Nach Hinweisen wo ich eben Gedanklich war. Ich schüttle den Kopf über mich selbst. "Ever!" zerreißt eine Mahnende Stimme die Stille. Kenan hebt ruckartig den Kopf. Erkennen spiegelt sich in seinen Augen wider, dann Wut. Ich reiße mich los. "Tschüss Kenan, bis Morgen." Murmle ich und gehe mit entschlossenen Schritten auf Eric zu.

Sein Blick heftet nach wie vor an Kenan. Auch in seinen Augen brodelt es. "Was machst du denn hier?" Frage ich Eric, möglichst neutral. Eric reißt seinen Blick von Kenan als er meine Stimme hört. Er mustert mich einmal von oben bis unten als suche er Kenans Fingerabdrücke an mir. "Ich hole dich ab." knurrt Eric. "Na dann lass uns fahren." Ich nicke zu seinem Auto das wieder mal im Parkverbot steht.

Eric rührt sich nicht. Er steht Stocksteif neben mir und ringt um seine Beherrschung. Ich will ihn gerade am Arm ziehen als ich sehe wie Erics Augen hinter mich wandern und zu glühen anfangen. Ich versteife mich noch bevor er etwas sagt. "Ever? Alles gut?" Kenans Stimme klingt besorgt.

Langsam drehe ich mich zu ihm um. Sein Blick wandert zwischen mir und Eric hin und her. Die Spannungen zwischen uns ist zu greifen nahe. Das Testosteron nimmt mir die Luft zu Atmen. "Ja alles gut, Kenan." sage ich leise aber eindringlich. Kenans Blick zuckt kurz zu mir bevor er wieder zu Eric wandert. Dieser lässt ebenfalls Kenan nicht aus den Augen. "Wir gehen jetzt." Eric legt mir einen Arm um die Schulter und zieht mich an sich. Ich stolpere mehr in seine Arme als das ich freiwillig zu ihm gehe. Kenan presst seinen Kiefer aufeinander. Seine braunen Augen verdunkeln sich.

"Wir sehen uns Morgen, Everleigh." sagt Kenan mit leiser Stimme und zusammengepressten Zähnen. "Ja, bis Morgen." antworte ich neutral und lasse mich von Eric wegziehen. Wir sind noch nicht an seinem Auto angekommen da ruft Kenan Erics Namen.

An der Autotür löse ich mich von Eric und schaue zu Kenan nach hinten. Er steht nach wie vor am Zaun. Sein Blick liegt nicht auf mir, sondern auf Eric. Ein kribbeln der ungewünschten Sorte fährt meinen Nacken nach oben. Ich ahne schlimmes.

"Ich rate dir lass das Machogehabe in ihrer Gegenwart, Ever mag solche Typen nicht." Meine Augen werden immer größer. "Achja?" Voller Ironie lacht Eric auf und spuckt vor ihm auf den Boden. "Und Ever steht auf so Typen wie dich?" fragt er weiter nach. Seine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus und unterdrücktem Zorn. "Naja, sie hat mich wenigstens Ran gelassen." Mir klappt der Mund auf. Bevor ich auch nur irgendetwas richtig stellen kann dreht Kenan sich um und verschwindet in der Menschenmasse.

Eric dreht sich langsam zu mir um. Seine Miene ist steinhart. Seine Augen sprudeln. Ich stehe nach wie vor mit offener Mund da und versuche zu verarbeiten was so eben passiert ist. Kenan...er hat behauptet ich habe ihn rangelassen? Jetzt kocht bei mir die Wut. So ein Mistkerl. Das was hier eben passiert ist war ein reiner Hahnenkampf. Pures Machogehabe und Schwanzdenkende Jungs. Ich könnte schreien vor Wut.

"Steig ein, Ever." knurrt Eric. Als ich mich nicht rühre schreit er mich an: "JETZT!" Ich zucke zusammen. Mein erster Instinkt schreit mich an sich dem Befehl zu widersetzten. Ich lasse mich nicht rumschubsen. Der zweite und wesentlich liebvollerer Instinkt, lässt mich kooperieren. Ich öffne die Autotür und steige ein. Sofort umhüllt mich der Geruch nach Rauch und Schweiß.

Eric knallt seine Tür zu und haut einmal fest auf das Lenkrad. Ich zucke zusammen. "Was will dieses Arschloch von dir? Was hast du mit diesem Arschloch zu tun?!" brüllt Eric mich an. Meine Finger verkrampfen sich ineinander. "Beruhig dich, Eric." versuche ich es mit sanfter Stimme. In mir brodelt es auch aber ich habe mich wesentlich besser unter Kontrolle. "Einen Scheiß tu ich! Sag mir was diese Missgeburt von dir will!" Wieder ein Schlag gegen das Lenkrad. "HÖR AUF!" kreische ich. Ich habe meine Wut vielleicht doch nicht so gut im Griff.

Eric funkelt mich böse an. Meine Atmung geht stoßweise. "Kenan hat Müll gelabert um dich auf 180 zu bringen. Er hat das nur gesagt um dich zu ärgern. Ich habe nichts mit Kenan und ich habe ihn ganz bestimmt nicht...rangelassen." Die letzten Worte fauche ich. Sie schmecken billig.

"Wie auch immer. Du hältst dich von dem Fern. Der sieht nach Ärger aus." erwidert Eric nun ein bisschen ruhiger. "Eric, ich habe mit ihm nicht zu tun. Wir haben ein paar Kurse zusammen mehr aber auch nicht." Die Lüge schmeckt Fade in meinem Mund. "Schön. " Eric schaltet den Motor an und fährt vom Schulgelände. Das Radio ist aus, Stille schließt uns ein.

Ich schaue nach draußen und wünsche mich an einen fremden Ort ganz weit weg von hier. "Du kommst am Freitag mit. Deine Anwesenheit ist erwünscht. Außerdem ist es eine gute Gelegenheit endlich mal Taten sprechen zu lassen. " unterbricht nach ein paar Minuten schweigen Eric die Stille. "Taten sprechen lassen?" frage ich monoton. "Ja. Jetzt ist es Zeit das du dich endlich aktiv bei uns einbringst. Wir haben es satt das du nur passiv dabei bist. Wer zu uns gehören will muss sich auch aktiv dran beteiligen." "Okay." murmle ich kraftlos, müde und einfach nur fertig. 

The DifferenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt