Stehe über der Anerkennung die dir vorenthalten wird.
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Der Wind nimmt zu und bläst gegen mich. Die Sonne lässt den Wald und das komplette Feld in verschiedenen Orange bis Rottöne erleuchten. Es ist wunderschön. Gegen den Wind ankämpfend stapfe ich den Berg hinauf und schließlich durch die Büsche hin zur Ruine.
Da die Sonne bereits schräg am Himmel steht liegt ein Teil der alten Kirche im halbdunklen da. Vorsichtig gehe ich durch die rausgerissene Eingangstür hinein um mich vor dem Wind zu schützen. Drinnen klettere ich auf eine abgebrochene Steinmauer und schaue raus. Während ich so in der stille dasitze und meine Gedanken wandern lasse beginnen meine Augen zu brennen und ich fange leise an zu weinen.
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Ich weiß nicht wie lange hier schon sitze. Die Sonne ist nur noch ein weit entfernter gelber Punkt. Meine Tränen sind soweit getrocknet meine Augen bestimmt noch ganz rot. Meine Beine sind eingeschlafen und mein Nacken tut weh. Aber das ist alles nebensächlich, weil ich endlich in Ruhe und Frieden bin.
In der stille höre ich plötzlich ein knacken und zucke vor Schreck zusammen. Gebannt lausche ich ob ich erneut etwas höre. Wieder ein knacken, diesmal näher. Mein Puls geht sofort hoch. Ich drücke mich gegen die Steinwand und ziehe meine Knie an. Es ist mittlerweile so dunkel das die Ruine überall Schatten wirft. Es war dumm alleine im Dunkel her zu kommen aber ich bin normal kein Angsthase. Wieder ein knacken und ein schnauben. Doch...ich bin ein Schisser. Ich verkrampfe am ganzen Körper und bleibe wie erstarrt sitzen und schaue angestrengt in die Dunkelheit.
Jeden Augenblick erwarte ich gelbe Augen hervorspringen zu sehen. Ich höre wieder ein Knacken und...Schritte. Oh Gott. Ein leises wimmern entkommt meinen Lippen. Die Schritte halten inne. Ich erkenne am Eingang einen Schatten. Ich schreie auf vor Schreck. Der Schatten bewegt sich und kommt näher. Ich schreie weiter und rutsche weiter zurück bis meine Finger fast über dem Rand der Steinmauer sind. "Ever?" fragt eine tiefe Stimme und mein Herz sackt vor Erleichterung runter. "Kenan!" rufe ich erleichtert und leicht verärgert aus. "Erschrecke mich nie wieder so!" fauche ich mit der Hand auf meiner Brust. Ein tiefes Lachen ertönt und Kenan kommt näher.
Sobald ich ihn erkennen kann atme ich flacher. Er trägt einen dicken Kapuzenpulli, eine Jeansjacke und eine...karierte Schlafanzughose. In der einen Hand hat er eine Taschenlampe. Kenan kommt kichern näher und schaltet die Taschenlampe an. Es blendet mich kurz in den Augen aber ich gewöhne mich schnell an die Helligkeit. Er leuchtet meinen Sitzplatz an und setzt sich dann ohne zu fragen mir gegenüber.
"Was machst du hier?" frage ich noch immer argwöhnisch und mit klopfenden Herzen. Kenan hievt sich auf die Mauer und zieht ebenfalls beide Beine an. "Ich musste mal raus und du? Was machst du hier oben? So alleine?" Ich kann nur Schemenhaft seine Gesichtszüge erkennen aber ich sehe seine weißen Zähne, deshalb kann ich sagen das er gerade mich anlächelt.
"Ich..." Mir stockt kurz das Atmen. Tränen drücken erneut gegen meine Augen. Verdammt. "Ich musste raus. " Meine Stimme klingt eingerostet und kehlig. Kenan bemerkt meinen Stimmungsumschwung und rückt näher. "Alles okay?" fragt er diesmal ernster. Ich nicke und flüstere ein ja.
Kenan nimmt so plötzlich die Taschenlampe und leuchtet mir ins Gesicht das ich die Augen zusammenkneifen muss und Hey jaule. "Was ist das?" seine Stimme hat jeglichen Humor verlassen. Sie klingt hart und beißend. Er lässt seine Beine rechts und links von der Mauer runter baumeln und rückt ganz nah an mich heran. Ich kann seinen Duft riechen. Maskulin und ein Hauch Minze. Vorsichtig hebt Kenan seine Finger und berührt mein Kinn. Schmerz durchzuckt mein Gesicht und ich zucke zurück. Mit großen Augen schaut er mich weiter an. Sein Gesicht ist jetzt so nahe das ich ihn ganz deutlich sehen kann. "Du hast geweint." stellt er nüchtern fest.
Ich nicke und warte gebannt auf seine nächste Reaktion. "Du...du hast gesagt sie schlagen dich nicht." murmelt Kenan rau. Seine Finger fahren vorsichtig an meiner Wange entlang. Mich erschauderts. Diesmal sind es genüssliche Schauder die mir wärme statt kälte schenken. "Sie haben mich nicht geschlagen. Keiner hat mich geschlagen." stelle ich schnell richtig aber Kenan schüttelt nur den Kopf. Er glaubt mir nicht.
Ich richte mich auf. "Kenan, mich hat keiner geschlagen. Ich habe mir das selbst zugefügt." Er lässt seine Hand von meinem Gesicht fallen und starrt mich an. "Ich habe mit einer Waffe geschossen und war nicht konzentriert. Beim Abfeuern habe ich nicht auf den Rückschlag geachtet und sie hat mich am Kinn getroffen." "Du hast eine Waffe?" "Nein. Ich...ich wollte nicht schießen aber ich wollte auch nicht...ich hasse Waffen und Gewalt. " stelle ich stottern klar.
"Das musst du mir genauer erklären." Automatisch schüttle ich den Kopf. "Ever...lass mich nicht im Dunkeln tappen." flüstert Kenan mit so einer sanften Stimme, dass es mich fast von innen wärmt. Langsam hebt er seine Hand und nimmt meine in seine. Er wartet kurz ob ich meine zurückziehe, ich tue es nicht. Ich weiß nicht wieso aber ich brauche einfach die Nähe eines Menschen. Kenan umfasst meine Hand fester.
"Du tappst gar nicht mehr so im dunklen." murmle ich fast unhörbar. Kenan bleibt still, gibt mir die Zeit die ich brauche. Bin ich wirklich gerade dabei Kenan, einem wildfremden, mich anzuvertrauen? Ich denke schon. Ich platze gleich und benötige ein Ventil aber...ist Kenan der richtige dafür? Wird er mich nicht hassen so wie alle anderen? Ich schlucke.
"Wenn du nicht reden willst dann rede ich. " verkündet Kenan plötzlich. Er nimmt meine Hand zu sich auf den Oberschenkel und behält sie dort.
"Ich liebe meine Familie über alles aber...ich kann nicht verstehen wieso wir hierhergezogen sind. Nimm es nicht falsch auf. Ich habe hier Freunde, wirklich gute gefunden und auch sonst ist die Stadt ganz cool aber...sie ist so Rassistisch geprägt das es mir die Luft zum Atmen nimmt. Ich werde mindestens einmal die Woche von der Polizei im Auto kontrolliert. Meine Mum wird mies bezahlt bei ihr Chef ein Sexistischer Idiot ist und mein kleiner Bruder wird in der Schule gemobbt, weil er eine andere Kultur hat." Kenan atmet schwer ein und aus. Er kämpft gegen seine Wut und diese Machtlosigkeit die ich auch oft spüre.
Ich drücke seine Hand. "Es tut mir leid." flüstere ich. "Du musst dich..." "Doch muss ich." unterbreche ich ihn. Das Gefühl von Schuld schnürt mir den Hals zu. "Bitte glaube mir, wenn ich sage das ich mich entschuldigen muss. " Langsam gewöhnen meine Augen sich an Kenans Nähe und die aufkommende Dunkelheit. Ich sehe seine große Hand die meine wesentlich kleinere umschließt. Ich spüre ein Kribbeln in meinem Bauch, dass da nicht hingehört.
"Stimmt es denn?" fragt Kenan vorsichtig. Fragend schaue ich hoch und in seine Augen. Hier oben ist es so still das ich nur unseren Atem höre. "Stimmt es das deine Familie Rechtsextremistische Ansichten hat?" Er hat die Frage gestellt. Die Frage die viele ungefragt einfach glauben.
Ich zögere mit meiner Antwort, weil es nicht so einfach ist. "Es..." Ich breche ab. Schlucke und halte die Wut Tränen zurück. "Ever hast...hast du solche Ansichten?" Jetzt ziehe ich meine Hand aus seiner und verschränke sie unter meinen Armen. Jetzt wird mir kalt. Jetzt ist es vorbei. "Ever?" Seine Stimme klingt drängend, fast flehend.
"Ich...ich..." Es sollten einfache Worte sein. Nein ich vertrete die Meinung nicht. Nein ich denke nicht so. Einfach Nein. Aber kann ich das wirklich von mir behaupten, wenn ich doch nie etwas gegen die Ansichten meines Vaters sage? Wenn ich zu den Veranstaltungen gehe, wenn ich mit ihnen befreundet, aufgewachsen und verwandt bin? "Okay das reicht mir als Antwort." Kenan rutscht zurück, entzieht sich mir, erhebt sich und springt von der Mauer. Wie versteinert bleibe ich sitzen und schaue zu ihm auf. Ein verletzter Ausdruck liegt auf seinen Zügen. Mir sticht es ins Herz.
"War schön dich gekannt zu haben, Ever." Seine Stimme ist so kalt und beißend. "Kenan." überkommt es meinen Lippen. Aber er hört es nicht. Er geht durch das dunkle weiter zum Eingang. "KENAN!" rufe ich und springe schnell auf.
"HEY Warte! Ich kann das erklären! Kenan bitte, es ist nicht so einfach!" Kurz stocken seine Schritte und er wartet an der Tür. Stolpernd komme ich zum Stehen. "Kenan es ist kompliziert." "Nein Ever. Diese Frage war ganz einfach. Jetzt komm." Er klingt resigniert.
"Was wohin?" verunsichert schaue ich in die nagende Dunkelheit. "Mit runter. Ich lasse dich hier oben nicht allein, jetzt komm. Ich bin müde und will zurück." Das sind seine letzten Worte. Er geht voraus mit der Taschenlampe und ich folge ihm mit etwas Abstand.
Wir reden den ganzen Weg bis runter kein Wort miteinander, auch als ich unten ihm verkünde das ich alleine heimlaufen kann sagt er nichts. Er nickt und wartet bis ich um die Ecke verschwunden bin.
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The Difference
Genç KurguEverleigh und Kenan. Zwei Verschiedene Charaktere. Zwei verschiedene Menschen. Sie wollte das alles nicht. Er hat das alles herbeigerufen. Sie hatte Angst. Er nahm sie ihr. Er und Sie Ein Thema das jeden von uns etwas angeht. Eine fiktive Gesc...