Das habe ich nie gewollt.
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Die Straßen ziehen an mir vorbei. Viel zu schnell als das ich wirklich was erkennen könnte. Oder sind es die ungeweinten Tränen die mir die Sicht nehmen? Ich weiß es nicht.
Kim, die neben mir sitz, ist ganz still. Sie konzentriert sich auf die Straße. Ihr laufen stumm die Tränen über die Wangen. Aber sie wischt sie nicht weg. In meinen Ohren rauscht es nach wie vor, Kims panische Worte vorhin am Telefon laufen wie in Dauerschleife durch meinen Kopf.
Kenan wurde zusammengeschlagen. Er liegt im Krankenhaus. Ich hol dich ab.
Der Rest passiert wie auf Autopiloten. Als Eric hinter mir das Badezimmer betrat und ich seine wunden sah, das Blut und den Dreck wurde mir so übel das ich fast gekotzt hätte. Seine Worte hängen mir nach. "Ist doch egal, Hauptsache er hat es verdient."
Ich bin aus dem Badezimmer gestürmt, die Treppe nach unten und wollte gerade aus der Tür als mein Vater und Eric mich aufhielten.
"Wo willst du hin, junge Dame?" fragte mich mein Vater. "Was ist los?" fragt Eric, aber ich erkannte in seinen Augen die Verunsicherung. "Du warst es!" spie ich Eric entgegen. Meine Stimme war gebrochen. Allein Erics Gesichtsausdruck reichte aus. Ich wusste Bescheid. Mein Dad schaut verwirrt zwischen ihm und mir hin und her. "Ich scheiß auf das alles hier. Ich scheiß auf jeden einzelnen hier!" ich zeigte mit dem Finger einmal im Kreis herum und schloss damit auch das Haus ein. "FICKT EUCH!" brüllte ich bevor ich die Tür aufriss und in Kims Wagen stieg
Jetzt sitze ich, mit Nerven die zum Zereisen gespannt sind, auf dem Beifahrersitz von Kims alten Nissan.
Erst als wir auf den Besucherparkplatz des Krankenhauses drauf fahren bricht Kim das Schweigen zwischen uns. "Er liegt im 3. Stock. Zimmer C42. Taylor hat mich vor einer halben Stunde benachrichtigt. Kenan wurde von Passanten aufgefunden, der Krankenwagen fuhr ihn direkt hier her, er war nicht bei Bewusstsein. " Kims Stimme bricht. "Ich...ich habe ihn überredet heute Abend weg zu gehen. Ich wusste das er nicht wollte, aber...er hat es getan. Für mich." Kim bekommt Schnappatmungen.
Ich schlucke meine eigene Panik kurz nach unten und lege Kim die Hand auf den Arm während sie einparkt. "Es war nicht deine Schuld." sage ich mit Nachdruck. Kim nickt, aber es sieht nicht danach aus als würde sie mir glauben. Ich selbst kämpfe mit Schuldgefühlen.
Zusammen steigen wir aus dem Wagen und rennen zum Eingang. An der Rezeptzion vorbei zum Treppenhaus. Ich habe keine Geduld auf den Lift zu warten, Kim scheint es ähnlich zu gehen. Zusammen rennen wir die Treppen in den 3. Stock.
Oben angekommen schauen wir panisch nach links und rechts. Eine Krankenschwester sieht uns und eilt auf uns zu. "Wie kann ich..." "Zimmer Nummer C42!" grätsche ich ihr dazwischen. Sie lächelt uns beruhigend an und zeigt dann nach rechts.
Ich packe Kim an der Hand und renne mit ihr den Gang entlang. "Hier wird nicht gerannt!" ruft uns ein Pfleger hinterher. Wir ignorieren ihn.
Von weiten sehe ich eine kleine Versammlung im Gang. Kenans Mutter läuft mit ernster Miene auf und ab. Mason liegt auf zwei Stühlen und scheint zu schlafen. Neben ihm sitz Kaylie und Amber. Will und Taylor stehen an der Wand. Als sie uns kommen sehen stehen Amber und Kaylie sofort auf. "Da seid ihr ja." Amber wirft sich in Kims Arme. Beide fangen sofort an zu weinen. Ich gehe zu Kenans Mutter.
"Wie...wie geht es ihm?" frage ich. Ich bin so außer Puste das ich mir die Seite halten muss. Traurige Augen mustern mich liebevoll. "Er kam gerade aus dem OP." OP? Oh Gott ich glaube ich werde ohnmächtig.
"Oh Liebes du bist ja ganz blass. Komm setz dich." sie führt mich zu einem Stuhl hin. "Was..." ich schaffe es nicht Worte zu formen.
"Er wurde zusammengeschlagen gefunden. Er hat eine gebrochene Rippe, sein Kiefer ist geprellt und sein Handgelenk verstaucht. In den OP musste er, weil er innere Blutungen hatte. Er hatte Wahnsinniges Glück." faucht mich Taylor von rechts an. Ich zucke bei seinem harschen Tonfall zusammen.
Barbs schüttelt den Kopf. "Er wacht bestimmt bald auf." sie tätschelt mit der Schulter. "Ich verstehe nur nicht wer sowas machen kann. Kenan provoziert nicht. Er ist anständig und hält sich von Ärgern fern." Traurigkeit überziehen ihre Augen.
Taylor schnaubt. "Tja, seit er unsere liebe Ever kennengelernt hat, schlägt er sich wohl öfter und lässt sich provozieren." Mein Kopf ruckt zu ihm. "Was soll das heißen?" fauche ich.
"Nichts." Er macht eine Schnute und schüttelt den Kopf. " Oder warte es heißt nur das du an dem hier schuld bist! Deinetwegen liegt er da drin!" Ich keuche auf. Er hat meine schlimmste Befürchtung laut ausgesprochen. Ich habe Kenan zwar nicht geschlagen, aber wenn es wirklich Eric und seine Freunde gewesen waren...dann, dann war das irgendwo doch meine Schuld.
"Taylor!" schimpft Kim und schüttelt entrüstet den Kopf. Barbs schaut nur neugierig zwischen uns hin und her. "Ich..." setze ich an um mich zu verteidigen. "Es waren doch die Jungs aus eurer Gemeinschaft oder? Er wurde doch aus rein rassistischen Gründen zusammengeschlagen oder? Ein Passant meinte nämlich das Wort N* gehört zu haben." Die Faust um meinen Magen herum zieht sich enger zusammen. Galle will erneut meine Speiseröhre hinauf.
"JETZT HALT VERDAMMT NOCH MAL DEINE KLAPPE TAYLOR! ES WAR NICHT EVERS SCHULD! DU BIST SO EIN ARSCHLOCH!" Erschrocken drehe ich mich zu Kaylie um. Sie ist ganz rot im Gesicht und im nächsten Moment springt sie von ihrem Stuhl auf und renn den Gang hinunter. Taylor schaut ihr mit geweiteten Augen hinterher. Mason, der von unserem Lärm wachgeworden ist schaut sich müde um. Gerade will Taylor ihr was hinterherrufen als ein Arzt im Kittel zu uns auf den Gang gestürmt kommt.
"Spinnt ihr?" faucht er uns alle an. Ich mache mich ganz klein auf meinem Stuhl. "Was schreit ihr hier so rum als wärt ihr die einzigen hier?" Der Arzt sieht jedem von uns in die Augen. Als keiner etwas von uns erwidert meldet sich Barbs zu Wort. "Tut uns leid Doktor. Die Nacht war lang für uns. Wir werden uns benehmen." Der Arzt nickt einmal, dann verschwindet er wieder hinter irgendeiner Tür.
Barbs tritt vor uns. Die Hände in die Seiten gestemmt sieht sie mehr als fuchsteufelswild aus.
"Ich schlage vor, dass Taylor sich etwas zu trinken unten aus dem Automaten holt und Amber und Will mitnimmt." Taylor will schon protestieren aber ein Blick in Barbs Richtung und er ändert seine Meinung. "Oke." sagt er bloß und steht auf.
"Ich gehe mit." sagt Kim und schließt sich der kleinen Gruppe an. Ich bleibe auf meinem Platz. Nichts und niemand bekommt mich hier von weg.
Mit einem erschöpften Seufzten lässt sich Barbs neben mich nieder. Mason springt sogleich auf und klettert auf den Schoß seiner Mum. Dort kuschelt er sich an und schließt erneut die Augen.
Ich lehne meinen Kopf gegen die Wand und schließe ebenfalls die Augen. "Hast du ihn so zugerichtet?" fragt Barbs in die Stile. "Nein." antworte ich ohne die Augen zu öffnen. "Hast du jemanden gesagt er solle meinen Sohn so übel zusammenschlagen?" Auch ihre Stimme bricht jetzt.
Ich öffne die Augen und schaue zu ihr. Sie hat den Blick auf ihren kleinsten geheftet. "Nein." antworte ich sanft aber bestimmt. "Dann ist es auch nicht deine Schuld. Lass dir von Taylor nichts einreden. Er ist bloß verletzt."
Ihre Worte zaubern mir ein kleines Lächeln auf die Lippen. "Danke, aber er hat irgendwo recht." gestehe ich ihr leise. Als sie nicht antwortet, rede ich weiter.
"Ich kenne höchstwahrscheinlich die Jungs die ihm das angetan haben. Ich...Ty hat recht. Ich stamme aus einer Familie die sehr rassistische Ansichten hat und keinem hat gefallen als man mich und Kenan zusammen gesehen hat. Es...war also irgendwo meine Schuld." Eine einzelne Träne kullert meine Wange hinab.
"Och Liebes." Barbs greift nach meiner Hand und drückt sie liebevoll. "Man kann sich seine Familie nicht aussuchen und ist auch nicht für sie Verantwortlich, man ist nur für seine eigenen Taten verantwortlich und du meine Liebe hast richtig gehandelt."
"Danke." flüstere ich heiser, auch wenn ich zu viele Fehler begangen habe. Aber damit ist jetzt Schluss. Das Kenan mit reingezogen wurde und dabei auch noch so schlimm verletzt wurde geht zu weit, viel zu weit.
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The Difference
Teen FictionEverleigh und Kenan. Zwei Verschiedene Charaktere. Zwei verschiedene Menschen. Sie wollte das alles nicht. Er hat das alles herbeigerufen. Sie hatte Angst. Er nahm sie ihr. Er und Sie Ein Thema das jeden von uns etwas angeht. Eine fiktive Gesc...